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Beate Zschäpe mit ihren Anwälten Hermann Borchert (l.) und Mathias Grasel.

© Peter Kneffel/dpa

Update

NSU-Prozess: Zschäpe-Verteidiger gibt sich wie ein Ankläger

Tag zwei der Verteidiger-Plädoyers im NSU-Prozess. Zschäpe-Anwalt Hermann Borchert versucht die Anklagevorwürfe zu kontern - mit Kritik an der Bundesanwaltschaft.

Von Frank Jansen

Der Verteidiger von Beate Zschäpe spricht, als führe er im NSU-Prozess eine Anklage gegen die Ankläger. Hermann Borchert drischt im Oberlandesgericht München auch am zweiten Tag seines Plädoyers auf die Bundesanwaltschaft ein. Stundenlang schießt Borchert am Mittwoch Vokabeln wie „abwegig“, „absurd“, „manipulativ“, „unschlüssig“, „Spekulation“ in Richtung der drei Staatsanwälte. Die hören regungslos zu, auch als der Anwalt aus München den in dieser Region wohl härtesten Vorwurf abfeuert: Die Beweisführung der Bundesanwaltschaft entbehre jeder Logik, „ein Bayer würde sagen: so ein Schmarrn“.

Der rhetorische Pulverdampf verdeckt allerdings nicht, dass Borchert sein Plädoyer weitgehend an den Aussagen seiner Mandantin entlang führt. Zschäpe hatte nach jahrelangem Schweigen Ende 2015 begonnen, sich zur Anklage einzulassen. Stets über ihre neuen Anwälte Borchert und Mathias Grasel, die schriftlich formulierte Aussagen vortrugen. Einer mündlichen Frage-Antwort-Vernehmung wich die Hauptangeklagte aus.

In den verlesenen Texten behauptet Zschäpe, sie habe die zehn Morde und die beiden Bombenanschläge, die ihre Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos verübt haben, nicht gewollt. Und sie habe von den Verbrechen erst hinterher erfahren.

Die Bundesanwaltschaft hingegen hält Zschäpe vor, sie sei Mitglied der Terrorzelle NSU gewesen und Mittäterin bei allen Straftaten. Zumal Zschäpe nach der Selbsttötung von Böhnhardt und Mundlos am 4. November 2011 die gemeinsame Wohnung in Zwickau anzündete und die Bekenner-DVD des NSU an mehrere Adressen verschickte.

Versuch, Indizien zu relativieren

Borchert versucht nun, die von der Bundesanwaltschaft genannten Indizien zu relativieren. Dass Zschäpe in den fast 14 Jahren im Untergrund mit falschem Namen ahnungslosen Nachbarn begegnete und Märchengeschichten über die oft abwesenden Uwes erzählte, ist für Borchert kein Beleg für eine Beteiligung an Terror. „Aliasnamen machen Sinn, wenn man in der Illegalität ist“, sagt der Anwalt. Das diene doch der eigenen Sicherheit, nicht verhaftet zu werden, „völlig unabhängig von der Begehung von Straftaten“.

Das Argument der Bundesanwaltschaft, die Wohnungen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt in Chemnitz und Zwickau seien Kommandozentralen des NSU gewesen, hält Borchert für haltlos - „Kommandozentralen funktionieren nur, wenn Kommandos gegeben werden“. Und es gebe keinen Beweis, Zschäpe habe die beiden Männer kommandiert. Das hat allerdings die Bundesanwaltschaft gar nicht behauptet. Zschäpe ist nicht als Rädelsführerin angeklagt.

Borchert hat am Mittwoch seinen Part des Plädoyers abgeschlossen. Am Donnerstag wird Kollege Grasel weiter vortragen. Anschließend wollen Zschäpes Altverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ihre Sicht der Dinge in einem eigenen Schlussvortrag darstellen. Den Worten Borcherts folgen die drei Anwälte bisweilen mit konsterniertem Blick.

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