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Noch nicht fertig - Die Bundesregierung will der rezessionsgeplagten Wirtschaft mit einem milliardenschweren Konjunkturprogramm auf die Beine helfen. 

© Christian Charisius/dpa

Koalition vertagt Entscheidung: Zähe Verhandlungen zum Konjunkturpaket

Die Corona-Krise wird noch lange nachwirken. Mit Milliardenhilfen will die Regierung das Schlimmste verhindern. Eine Entscheidung gibt es erst Mittwoch.

Die Koalitionsspitzen von CDU, CSU und SPD haben am Dienstag stundenlang um das geplante milliardenschwere Konjunkturpaket  zur Stärkung der Konjunktur in der Corona-Krise gerungen. Einigungen habe es bis zum frühen Abend gegen 19.00 Uhr nicht gegeben, hieß es von mehreren Teilnehmern.

Die Runde hatte sich darauf verständigt, das Treffen gegen 23.00 Uhr zu unterbrechen. Wegen des großen Beratungsbedarfs soll an diesem Mittwoch gegen 10.00 Uhr nach der Kabinettssitzung weiterverhandelt werden.

Wegen der geplanten Unterbrechung wurde auch nicht damit gerechnet, dass am Abend Zwischenergebnisse bekannt würden. Am Ende werde es ein Gesamtpaket geben, hieß es aus Teilnehmerkreisen - keine Seite wollte demnach frühzeitig Verhandlungsmasse in einzelnen Punkten aus der Hand geben.

Über einige der strittigsten Punkte wie eine mögliche Prämie beim Autokauf oder die Hilfen für die Kommunen sollte erst am Ende - voraussichtlich also am Mittwoch - geredet werden.

Zäh, aber ernsthaft und konzentriert

Die Beratungen liefen zäh, aber ernsthaft, konzentriert und sachlich, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Alles sei im Fluss. Da alle Punkte zügig umgesetzt werden sollten, werde man am Dienstag und Mittwoch die volle Zeit ausnutzen, um alles auf den Weg bringen zu können. Die Bürger erwarteten, dass Deutschland mit zukunftsfähigen Ideen aus der Krise geführt werde - dies wüssten die Beteiligten. Auch aus diesem Grund müsse man intensiv über jedes Detail sprechen.

Es habe eine sehr offene Diskussion über die Einschätzungen im Zusammenhang mit den Wirkungen der verschiedenen konjunkturellen Maßnahmen gegeben, hieß es von weiteren Teilnehmern. Offenen Streit gab es demnach noch nicht. Gerungen wurde dem Vernehmen nach auch über Forderungen aus der SPD, bei den Maßnahmen keine Kostengrenze einzuziehen, wie dies etwa CSU-Chef Markus Söder gefordert hatte.

WAS SIND DIE WICHTIGSTEN THEMEN?

KAUFPRÄMIEN FÜR AUTOS: Viel diskutiert wurde über solche Hilfen, um die deutsche Schlüsselindustrie und von ihr abhängige Branchen wie Zulieferer zu stützen. Dafür gibt es in der Koalition auf beiden Seiten Befürworter und Gegner. Wegen der Klimakrise ist eine solche Maßnahme umstritten. Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen schlagen eine „Innovationsprämie“ vor. Gefördert werden sollten aus Sicht von Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder moderne Autos, die weniger CO2 produzieren.

FAMILIENBONUS: Im Gespräch ist außerdem eine Einmalzahlung von 300 Euro pro Kind, um Familien in der Krise zu unterstützen und um den Konsum anzukurbeln. Die SPD setzt sich dafür besonders ein. Aber auch Unionspolitiker haben Sympathien dafür gezeigt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kann sich sogar 600 Euro vorstellen. Diskussionen könnte es darüber geben, ob ein solcher Bonus wirklich an alle Familien ausgeschüttet werden soll oder nur an bedürftige.

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KOMMUNEN: Ein weiteres Streitthema sind Finanzhilfen für die Kommunen. Dabei ist aber unstrittig, dass Städte- und Gemeinden Hilfe brauchen, weil ihnen durch die Krise Steuereinnahmen wegbrechen und gleichzeitig mehr Kosten durch steigende Arbeitslosigkeit entstehen. SPD-Finanzminister Olaf Scholz möchte Städten und Gemeinden unter anderem durch Übernahme ihrer Altschulden helfen. Aus der Union kommt ein Gegenvorschlag: Der Bund könnte die Kommunen entlasten, indem er einen größeren Anteil der Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern trägt und auf Anteile aus der Gewerbesteuer verzichtet.

INFRASTRUKTUR: In ihren Ausbau könnte ein großer Teil des Konjunkturpakets fließen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) möchte um die 28 Milliarden Euro unter anderem in Bahnverkehr, Straßenbau und digitale Infrastruktur stecken.

SONSTIGES: Vorab diskutiert wurde außerdem über viele andere Vorschläge und Forderungen: mehr Klimaschutz, Milliardenhilfen für die Veranstaltungs- und die Kulturbranche, die unter der Krise besonders leiden, eine vollständige und schnellere Abschaffung des Solidaritätszuschlags, damit den Steuerzahlern mehr Geld zum Ausgeben bleibt, Steuererleichterungen für Unternehmen, Konsumgutscheine und Mobilitätsgutscheine für den Kauf von Fahrrädern oder für öffentliche Verkehrsmittel, Entlastung bei den Strompreisen und mehr Geld für die Forschung.

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DAS GRÖSSTE KONJUNKTURPROGRAMM DER NACHKRIEGSZEIT? 

Einzeln betrachtet wohl nicht. Das Volumen könnte laut „Bild am Sonntag“ bei 75 bis 80 Milliarden Euro liegen. Der Umfang der bisher größten Konjunkturmaßnahmen, die 2008 und 2009 in Folge der Finanzkrise auf den Weg gebracht wurden, wurde damals auf gut 90 Milliarden beziffert. Allerdings liegt der Bund in der Corona-Pandemie schon jetzt weit über dieser Summe und hat bereits 156 Milliarden Euro eingeplant. Seit März wurden mehrere Gesetze mit Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Für das Konjunkturprogramm, über das nun verhandelt wird, werden wahrscheinlich weitere Kredite nötig.

SIND DIE REZEPTE ALLE NEU?

Nicht ganz. Auch in der Finanzkrise 2009 gab es einen Kinderbonus: Für jedes Kind wurden den Eltern einmalig 100 Euro überwiesen. Es gab die „Abwrackprämie“: Wer sein mindestens neun Jahre altes Auto verschrotten ließ und ein neues mit Euro-4-Abgasnorm kaufte, bekam 2500 Euro. Auch ein Investitionsprogramm gab es. 18 Milliarden Euro wurden bereitgestellt für Baumaßnahmen und Infrastruktur - für Straßen, Schulen, Sporthallen, Spielplätze - damit die Baubranche zu tun hat.

Dazu kamen noch einige andere Maßnahmen: Kindergeld und Kinderfreibetrag wurden erhöht, Krankenkassenbeiträge gesenkt, es gab mehr Geld für die Gebäudesanierung und Extra-Kredite für Unternehmen in Not. Die Zahlung von Kurzarbeitergeld wurde auf 18 Monate verlängert.

WAS PASSIERT NACH DER KOALITIONSEINIGUNG?

Nach einem Ergebnis geht die Arbeit erst richtig los. Sollen die verhandelten Konjunkturmaßnahmen schnell wirken, muss die Gesetzgebung wieder mehrere Gänge hochschalten. 

Die Vereinbarungen müssen detailliert in Paragrafen gegossen werden und den üblichen Weg der Gesetzgebung durch Bundeskabinett, Bundestag und Bundesrat gehen. Bis zur Sommerpause hat der Bundestag nur noch zwei Sitzungswochen. Der Bundesrat tagt noch einmal. (dpa)

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