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Wyclef Jean beim Wahlkampf.

© dpa

Präsidentschaftskandidatur: Wyclef Jean: Hip-Hop für Haiti

Der US-amerikanische Songwriter, Sänger und Produzent Wyclef Jean tritt als Präsidentschaftskandidat an – kann der Musiker dem Land auf die Beine helfen?

Von Michael Schmidt

Berlin - Rap plus Reggae gleich Hip-Hop für Haiti. Wyclef Jean, US-amerikanischer Musiker, Songwriter und Produzent mit haitianischen Wurzeln, soll, nein: will es richten. Der 37-Jährige präsentiert sich als Hoffnungsträger seiner verarmten, krisengeschüttelten und erdbebenversehrten Heimat: „Die USA haben Präsident Barack Obama, hier werdet ihr Wyclef Jean haben“, rief der Musiker, als er in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince offiziell seine Kandidatur für das Präsidentenamt anmeldete.

Offenbar, sagt Günther Maihold von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), gibt es in Haiti, wo die internationale Gemeinschaft mit UN-Blauhelmen und Entwicklungsorganisationen stark präsent ist, ein weitverbreitetes Gefühl, auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen zu sein: „Der Re-Import eines Stars aus den USA personifiziert den haitianischen Traum.“ Für den Lateinamerikaexperten ist Jeans Kandidatur Ausdruck der Erschöpfung der traditionellen politischen Elite und eines fundamentalen Vertrauensverlustes der Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit des Systems. Jean engagiert sich nicht erst seit dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar für seine Heimat. Seine Chancen, gewählt zu werden, stehen deshalb gar nicht schlecht. Wyclef Jean spielte schon länger mit dem Gedanken, Präsident der verarmten Karibikinsel zu werden: „Wenn es das Erdbeben nicht gegeben hätte, hätte ich wahrscheinlich noch zehn Jahre damit gewartet“, sagte er dem US-Magazin „Time“. „Das Beben hat mir klargemacht, dass Haiti nicht weitere zehn Jahre auf uns warten kann, um ins 21. Jahrhundert geführt zu werden.“ Seinem Wahlkampf ist wegen seiner Bekanntheit ein großes Medieninteresse sicher.

Ob er dem Armenhaus Lateinamerikas politisch tatsächlich etwas zu geben vermag, hält SWP-Experte Maihold für eher fraglich. Nicht, weil die neuzeitliche Nähe von Politik und Pop an sich ein Problem wäre. Es sind ja schon Schauspieler US-Präsident und sogar Papst geworden. Die wahren Hindernisse für eine Wende zum Besseren sieht Maihold in der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wirklichkeit des Landes selbst. Ein Sieg des Rappers als Sieg eines Außenseiters gegen das System könnte „hilfreich“ sein, sagt Maihold. Allein: Die Strukturen der haitianischen Gesellschaft seien so stark, dass es ihm schwer fallen werde, sich durchzusetzen. Es fehle ihm, der im Privatjet einfliege, der Unterbau, die Unterstützung durch einen Apparat, die Verankerung in der Gesellschaft. Die alten Eliten seien noch da. Die Schlägertruppen, derer sie sich im Kampf um die internationalen Hilfsgelder bedienten, ebenso. Die Macht dieser Strukturen, sagt Maihold, „kann man mit einer Lichtgestalt für die Dauer eines Wahlkampfs außer Kraft setzen – aber Jeans Handlungsfähigkeit dürfte äußerst eingeschränkt sein“.

Wyclef Jean, der nie seine haitianische Staatsbürgerschaft aufgab, wurde 2007 vom nun scheidenden Präsidenten René Préval zum Sonderbotschafter für Haiti ernannt. Nach dem schweren Erdbeben packte er bei den Räumungs- und Bergungsarbeiten mit an und sammelte über seine Wohltätigkeitsorganisation Yele Haiti Foundation Geld für den Wiederaufbau. In Arbeit und Erziehung sieht er das entscheidende Instrument gegen die weitverbreitete Unsicherheit im Land. Ansonsten gilt: sein Programm ist seine Person. Auch das könnte ein Problem sein, sagt Maihold, denn „Prominenz leidet unter einer Tendenz zur Veralltäglichung“ – Popularität ist ein flüchtig, Politik aber braucht einen langen Atem.

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