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Papst Franziskus bleibt merkwürdig untätig im Ukraine-Krieg.

© Evandro Inetti/ZUMA Press Wire/dpa

Worte reichen nicht mehr: Der Papst dilettiert als Sicherheitsexperte

Franziskus kritisiert einerseits Putin und problematisiert andererseits die Nato – das eine ist wohlfeil, das andere aus der Zeit gefallen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wer braucht da keinen Trost? Wer wünschte sich da nicht Beistand, himmlischen, wenn es ihn denn gibt? Und wann, wenn nicht jetzt, sollte es ihn geben, in der Lage, in der sich die Ukraine befindet. Diese entsetzlichen, unmenschlichen, atavistischen Nachrichten über Tod und Folter und Schändungen – das kann, das darf doch keinen kaltlassen. Erst recht keinen, der und die für die Kirchen steht.

Tut es auch nicht. Ob Papst oder Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, international wie national ist die Betroffenheit groß. Sie ist auch allen zu glauben.

Die Worte, die die Kirchenoberen finden, hallen nach – aber halt nicht nur im Positiven. Die Sätze klingen auch nach dem Betroffenheitsritual, das wir kennen.

Bloß, dass wir eine Situation wie in der Ukraine in Europa seit Jahrzehnten nicht mehr kannten, einen Vernichtungskrieg, den schlimmsten seit dem Zweiten Weltkrieg.

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Worte reichen nicht mehr. Schon gar nicht solche wie jetzt von Franziskus, der als Sicherheitsexperte dilettiert. Einerseits Putin zu kritisieren, andererseits das Nato-Verhalten zu problematisieren – das eine ist inzwischen wohlfeil, das andere ist aus der Zeit gefallen. Alles hat seine Zeit, nicht wahr? Jetzt ist die, Hoffnung zu schaffen. Und da gilt: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.

Es muss darum gehen, einen Waffenstillstand zu erreichen

Gut, dass EKD-Ratschefin Annette Kurschus fordert, Solidarität zu zeigen, aber eine, die uns etwas kostet. Will heißen: den verängstigten Menschen in der Ukraine und den Widerständigen in Russland, denen, die sich gegen den Krieg stellen, aktiv Achtung zu erweisen. Indem allen, die flüchten, geholfen wird. Sie ruft dazu auf, den Bedrängten „Wege zu öffnen, damit sie ihr Leben retten können“.

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Leben retten und dafür Wege öffnen ist ein richtiges Leitmotiv. Oder anders: muss das Leitmotiv aller Religionsführer:innen sein. Waffen zu liefern, ist dieser Tage das Primat der Politik; einen Waffenstillstand zu erreichen, muss das derer sein, die Menschen aus ihrem Leid erretten wollen. Hochpolitisch ist beides, auf verschiedenen Reflexionsebenen.

Sage niemand, die Kirchen hätten keine Mittel. Mögen die Russen Divisionen an Soldaten aufbieten, die Divisionen an Gläubigen nur allein des Papstes sind nicht gering zu achten. Johannes Paul II. hat mit Abermillionen im Rücken viel dazu beigetragen, die Mauern des Ostblocks zum Einsturz zu bringen. Wer jetzt auf Engagement des Patriarchen Kyrill, des willfährigen Handlangers russischer Aggression, wartet; wer erst auf Einladung Putins nach Moskau reisen will – der verkennt die Situation. Neue Wege gilt es zu beschreiten, die Herausforderung durch eine eigene anzunehmen.

Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:

Glaubt jemand, Putin ließe Religionsführer töten, wenn sie denn kämen, und sei es ungebeten? Oder wenn sie nach Kiew reisen wollten, um in der Gemeinschaft der Gläubigen ihre Solidarität vor aller Welt zu bezeugen? Ist es wahrscheinlich, dass Putin den Papst auf Dauer abweisen würde, wenn er denn da wäre? Es geht nicht um Protokollfragen. Sie sind nicht größer als die Sache, um die es geht: Frieden. Es zählt nicht die einzelne Person und das, was sie für unter ihrer Würde hält – sondern der Kampf für die Menschenwürde.

Selbstverständlich darf man gegen den Krieg von Putin sein und gleichzeitig Kritik an der NATO üben. Solange man sich nicht dazu versteigt der NATO die Schuld am russischen Einmarsch in der Ukraine zu geben, sehe ich da kein Problem.

schreibt NutzerIn huhuhierbinich

Wem das jetzt zu, sagen wir, christlich klingt: Die Diplomaten des Vatikan, die internationalen Gemeinschaften der Religionen, der Weltkirchenrat können das Ihre dazu beitragen, moderierte Gesprächsformate anzubieten, in denen die Kriegsparteien miteinander reden, bis die Waffen schweigen.

Ist das zu viel verlangt? Wo es doch noch nicht einmal einen Schweigemarsch aller Religionsgemeinschaften zur russischen Botschaft in Berlin oder anderswo gab… Nein, denn das kann man Albert Einstein, dem Wissenspapst, schon glauben: „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“ Wenn die Menschheit den dann überhaupt noch erleben würde.

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