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Afrikas Energieversorgung kann Unterstützung brauchen - aber keine neuen Gaskraftwerke.

© MARCO LONGARI / AFP

Gas aus dem Senegal statt aus Russland?: "Wir wollen euer Geld für fossile Energien nicht!"

Nur Erneuerbare Energien sind zukunftsfähig. Aber Afrika soll in Gas investieren, weil der Norden gerade Not hat? Nein danke. Ein Gastbeitrag zum G7-Gipfel.

- Ina-Maria Shikongo ist Klima-Aktivistin und und lebt in Namibia. Ihr Text wurde aus dem Englischen übersetzt von Hella Beister

Ich lebe an der vordersten Front der Ausbeutung fossiler Energieträger: Im Okavango-Becken, das an Namibia grenzt, wo ich lebe, wird nach Öl gebohrt. Dieses Projekt des kanadischen Unternehmens ReconAfrica droht das Wasser für rund die Hälfte der Bevölkerung Namibias zu verschmutzen. Es findet statt in einem der artenreichsten Ökosysteme der Welt, Heimat der größten Herde afrikanischer Elefanten, die es überhaupt noch gibt.

Deutschland - als ich jünger war, habe ich einige Jahre als Flüchtling in der DDR verbracht, und gerade bin ich hier auch zu Besuch - hat zwar keine sichtbaren Bohrtürme und Maschinen wie das Okavango-Becken, aber es ist ein Land mit unstillbarem Durst nach Erdgas.

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2022 hat Deutschland die G7-Präsidentschaft übernommen und spielt damit bei den Bemühungen der mächtigsten Länder der Welt um die Beendigung der internationalen öffentlichen Finanzierung fossiler Energieträger eine führende Rolle – aber zugleich fliegt Olaf Scholz zum Gaseinkauf nach Afrika.

Der G7-Gipfel muss das stoppen

Wenn Ende Juni die Regierungschefs der G7-Staaten in Elmau zusammenkommen, müssen sie dem Spurt auf afrikanisches Gas Einhalt gebieten, denn es ist nur eine kurzzeitige Lösung, die nach hinten losgehen wird. Andernfalls ist zu befürchten, dass das Elmauer Gipfeltreffen nur schöne Worte produziert und eine verheerende afrikaweite Gasexploration durchwinkt – samt den Milliarden Tonnen an Emissionen, die bei der Verbrennung dieses Gases entstehen.

Im vergangenen Mai haben sich die G7-Klima-, Energie- und Umweltministerinnen und ‑minister dazu verpflichtet, die direkte internationale öffentliche Finanzierung fossiler Energieträger zu beenden. Aber es gibt Schlupflöcher in diesem Versprechen, und es drohen weitere Verwässerungen.

Gas aus Russland wird reduziert - und im Senegal nachgefragt

Die G7-Staaten dürfen weiterhin Projekte finanzieren, solange sie begründen können, dass diese mit den Plänen zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5° C in Einklang stehen, und dürfen weiterhin fossile Energieträger indirekt finanzieren. Das heißt, Deutschland ist in der bemerkenswerten Lage, die Abhängigkeit vom russischen Gas öffentlich herunterzufahren, während Bundeskanzler Scholz dem Senegal Investitionshilfen für eine neue Gasinfrastruktur anbietet. Italien ist unterdessen dabei, in Algerien, Ägypten, Angola, Mozambique und der Republik Kongo Gaslieferverträge abzuschließen.

Kurzfristiger kann man kaum denken. All dies steht im Widerspruch zu den Klimaversprechungen, die Deutschland und andere gemacht haben, und ignoriert die wissenschaftliche Erkenntnis, dass wir aufhören müssen, fossile Energieträger zu verbrennen, wenn wir einen bewohnbaren Planeten schützen wollen.

Ina-Maria Shikongo

© privat

Als Namibierin kann ich nur sagen: Wir wollen euer Geld für fossile Energien nicht. Gas ist nicht die Lösung, um Millionen Afrikaner mit der Energie zu versorgen, die sie heute brauchen, und es ist nicht die Lösung für unsere wirtschaftliche Entwicklung.

Afrika bietet gerade jetzt so ein hohes Potenzial, weil unsere Energieinfrastruktur noch nicht voll entwickelt ist und wir noch nicht an die fossilen Energieträger der reicheren Länder gebunden sind. Im Jahr 2022 und angesichts einer Welt, die auf das Ziel der Klimaneutralität zusteuert und deren künftiger Gasbedarf ungewiss ist, ist der Aufbau einer Infrastruktur für fossile Energieträger eine offenkundig schlechte Idee.

[Lesen Sie hier bei T-Plus: Perspektiven in der Krise - Ina-Maria Shinkongo über Hoffnung.]

Beim jüngsten Stockholm+50-Umweltgipfel erkannte die UN offiziell die Notwendigkeit eines stufenweisen Ausstiegs aus den fossilen Energien an. Arbeitsplätze in der fossilen Branche sind nicht sicher. Die teure Infrastruktur wird schnell an Wert verlieren, wenn es dank zunehmender Regulierung und schwindender Finanzierung immer schwieriger wird, mit toxischen fossilen Energieträgern Geld zu verdienen. Entwicklungsstrategien, die auf Erdgasproduktion und ‑export basieren, drohen uns an die Technologie des vergangenen Jahrhunderts zu binden und unsere wirtschaftliche Entwicklung zu drosseln.

Die Klimadebatte hat den bitteren Beigeschmack der Ungerechtigkeit

Europa sagt, es sei zum Umstieg auf Erneuerbare Energien entschlossen, um den Planeten zu schützen und bei der Energieversorgung unabhängig zu werden. Das ist die richtige Entscheidung, und eine Entscheidung, die auch Afrika verdient. Letztes Jahr hat die Flutkatastrophe im deutschen Ahrtal gezeigt, dass mittlerweile nicht mehr nur Länder wie meines, die Länder des globalen Südens, die Auswirkungen des Klimawandels an vorderster Front zu spüren bekommen.

Europa lagert seine Risiken an Afrika aus

Aber für Afrika haben diese Klimakatastrophen noch dazu den bitteren Beigeschmack der Ungerechtigkeit: Schließlich haben wir zur Masse der historischen Emissionen so gut wie nichts beigetragen.

Europa, das die öffentliche Unterstützung für eine neue inländische Gasexploration und -produktion schwinden sieht, soll nicht meinen, es könne das Risiko auf Kosten unserer Umwelt, unserer Menschen, unserer Wirtschaft und unserer Klimasicherheit nach Afrika exportieren.

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Es gibt andere, bessere Optionen. Afrika verfügt über reichhaltige und erschwingliche Quellen von erneuerbaren Energien: starke Sonneneinstrahlung, heftige Winde, unerschöpfliche geothermische Energie. Genau dies sind die Technologien – klimasicher, zukunftsfähig -, in die Europa investieren sollte.

Um den sauberen Übergang zu erneuerbaren Energien zu schaffen, braucht Afrika Unterstützung vom Rest der Welt. Das ist die einzig gerechte Option: Afrika ist für nur vier Prozent der historischen Emissionen verantwortlich, ist aber von den Auswirkungen des Klimawandels mit am stärksten betroffen. Das koloniale Vermächtnis drosselt immer noch unsere Entwicklung, macht uns immer noch ärmer. Statt fairer Behandlung haben wir leere Versprechungen bekommen.

Zugesagtes Geld für die Energiewende kommt nicht, aber Geld für Gas

Vor Jahrzehnten haben sich die Industriestaaten verpflichtet, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Unterstützung der Energiewende in den Entwicklungsländern bereitzustellen. Aber im letzten Monat haben die G7-Staaten eingeräumt, dass ihre Hilfszahlungen immer noch hinter der versprochenen Summe zurückbleiben.

Länder wie Namibia bitten immer noch um Hilfe und werden immer noch ignoriert – aber Deutschland und andere Länder können, während sie bei der Erfüllung ihres Versprechens Zurückhaltung üben, immer noch Milliarden auftreiben, um sie für neue Gaslieferungen für den Eigenbedarf auszugeben.

Deutschland muss in Elmau für eine Kursänderung sorgen

Deutschland muss in Elmau die G7-Staaten dazu bringen, die internationale öffentliche Finanzierung fossiler Energieträger zu beenden und stattdessen Geld für saubere Energie und Energieeffizienz in Afrika auf den Tisch zu legen.

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Sie sollten glasklar sagen, wie sie planen, die Billionen privater Investitionen zu mobilisieren, die in den Entwicklungsländern zur Unterstützung der Energiewende - weg von fossilen Energieträgern, hin zu grüner Energie - benötigt werden. Und Deutschland muss einen Plan vorlegen, wie es sein Versprechen von jährlich 6 Milliarden Euro für den Klimaschutz einzuhalten gedenkt, und sich verpflichten, diesen Betrag bis 2025 auf acht Milliarden Euro zu erhöhen.

Mit der G7-Präsidentschaft steht Deutschland im Zentrum der globalen Macht, auf seine Entscheidungen kommt es an. Europäische Investitionen können ausschlaggebend sein: Werden wir in Afrika Länder haben, die mit schmutzigen und die Klimakrise weiter verschärfenden Technologien aus dem vorigen Jahrhundert belastet sind – oder Länder mit einer florierenden Wirtschaft auf Basis von sicheren und zuverlässigen erneuerbaren Energien. Wenn ich auf meiner Rückreise von Deutschland nach Namibia über die Bohrtürme und Elefantenherden des Okavango-Beckens fliege, weiß ich, wie viel auf dem Spiel steht. 

Ina-Maria Shikongo

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