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Die Symbole der YPG und deren Frauenbrigaden YPJ sind in Syrien verbreitet.

© Hannes Heine

Update

„Wir haben mit dem Angriff nichts zu tun“: Syriens Kurden weisen Erdogans Anschuldigung nach Attentat zurück

Nach der Explosion in Istanbul zeigte die türkische Regierung eine Verdächtige, die zum Umfeld der YPG gehören soll: Die syrisch-kurdische Miliz und die PKK distanzieren sich vom Angriff.

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Nach dem Bombenanschlag in Istanbul wirft die Führung der syrischen Kurden der türkischen Regierung vor, Szenarien zu verbreiten, die „nichts mit der Wahrheit zu tun haben“. Zuvor distanzierte sich auch die Arbeiterpartei Kurdistans, die PKK, von dem Angriff mit sechs Toten in der Einkaufsstraße Istiklal.

Die türkische Regierung hatte bald nach dem Anschlag am Sonntag erklärt, die mutmaßliche Attentäterin heiße Ahlam Al-Bashir, stamme aus Nordsyriens kurdisch dominierter Autonomieregion und sei womöglich von der dortigen YPG-Miliz instruiert worden.

„Im Zusammenhang mit dem von uns verurteilten Terroranschlag in Istanbul, bei dem unschuldige Zivilisten ihr Leben verloren haben, hat die Türkei und ihr Geheimdienst die Selbstverwaltung und ihre Streitkräfte für den Anschlag verantwortlich gemacht“, teilte die Deutschland-Vertretung der Autonomieregierung am Dienstag mit. Die Anschuldigung solle „Vorwände schaffen“, um die kurdische Region erneut anzugreifen.

Die Autonomieregierung schreibt, dass die als Tätern bezeichnete Ahlam Al-Bashir „keine in unseren Gebieten registrierten Identifikationsdaten hat“.

Syrische Kurden mit der Fahne der PKK. Foto: Delil SOULEIMAN / AFP
Syrische Kurden mit der Fahne der PKK. Foto: Delil SOULEIMAN / AFP

© AFP / AFP/DELIL SOULEIMAN

Die von der türkischen Regierung genannte YPG fungiert als kurdische De-facto-Armee in Nordsyriens multiethnischer Autonomieregion. Dort regiert eine Koalition unter Führung der säkularen Kurdenpartei PYD, die der PKK nahesteht.

Im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) wird die YPG als Hauptkraft innerhalb der überkonfessionellen Allianz SDF von den USA mit Waffen und Logistik unterstützt. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan lehnt Nordsyriens Autonomieregion.

Seit Jahren greift Ankaras Armee die kurdisch dominierte Selbstverwaltung dort an. Zusammen mit islamistischen Milizen hält Ankara syrische Städte besetzt. Erdogan fordert aktuell auch von Schwedens Regierung, die säkularen Kurden zu boykottieren, anderenfalls wolle er den Skandinaviern nicht erlauben, der Nato beizutreten. 

Weiter teilte die Selbstverwaltung in Nordsyrien nach dem Instanbuler Anschlag mit: „Diese Anschuldigung steht ganz im Einklang mit der Politik der Türkei, mit denen sie stets Vorwände schaffen will, um den Boden für Angriffe auf uns zu bereiten und die Stabilität der Region zu untergraben. Ganz zu schweigen von den Verbrechen, die sie in den besetzten Gebieten verübt“

Für uns kommen Angriffe auf die Zivilbevölkerung in der Türkei in keinem Fall in Frage.

Erklärung der PKK

In der Erklärung der PKK vom Montag hieß es: „Dass wir nichts mit diesem Ereignis zu tun haben und keine Angriffe durchführen oder befürworten, die direkt gegen Zivilisten gerichtet sind, ist unserer Bevölkerung und der demokratischen Öffentlichkeit hinlänglich bekannt.“

Man führe einen Freiheitskampf, schreibt die PKK weiter: „In diesem Sinne möchten wir in aller Klarheit feststellen, dass für uns Angriffe auf die Zivilbevölkerung in der Türkei in keinem Fall in Frage kommen.“ Man spreche den Angehörigen der Opfer des Anschlags ihr Beileid aus und wünsche den Verletzten rasche Genesung.

Erdogans islamische AKP regiert im Bündnis mit der rechtsextremen MHP, die als Partei der faschistischen Grauen Wölfe gilt. Die PKK sprach davon, dass das „AKP-MHP Regime in der Türkei mit Hilfe des Anschlags und der Beschuldigung der PKK die politische Agenda in ihrem Sinne verändern möchte“. Ein Grund dafür seien öffentliche Vorwürfe, dass die türkische Armee im Kampf gegen die PKK auch Chemiewaffen eingesetzt haben soll.

Ankaras Armee unterhält Stützpunkte in den Kurdenregionen in Irak und Syrien. Die PKK-Spitze operiert aus ihrem Rückzugsgebiet in den nordirakischen Kandil-Bergen. Die militante PKK ist auch in Deutschland verboten und kämpft seit den Achtzigern erst um Unabhängigkeit, nun um Autonomie der Kurdengebiete im Südosten der Türkei. In Deutschland hat sie im Mai 2022 über Berliner Anwälte einen Antrag im Bundesinnenministerium eingereicht, um das 1993 verhangene Verbot aufheben zu lassen.

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