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Nach der Wahl des Ministerpräsidenten Thüringen. Björn Höcke (AfD) gratulierte Thomas Kemmerich (FDP).

© imago images/STAR-MEDIA

FDP-Fiasko in Thüringen: „Wir haben einen Preis dafür zu zahlen“

Das FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann warnt vor der Entscheidung über Lindner vor Grabenkämpfen – davon profitiere die AfD. Ein Interview.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat von Anfang die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens mit Hilfe von AfD und CDU kritisiert. Sie ist Mitglied des FDP-Vorstands, Verteidigungsexpertin im Deutschen Bundestag und die FDP-Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt in Düsseldorf.

Am Freitag wird FDP-Chef Christian Lindner wegen der Vorgänge in Thüringen und seiner Rolle dabei bei einer Sondersitzung des Vorstands die Vertrauensfrage stellen - im Interview mit dem Tagesspiegel warnt sie vor einer Selbstzerfleischung der demokratischen Parteien der Mitte, kritisiert CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ruft dazu auf, Wähler von der AfD zurückzugewinnen.

Frau Zimmermann, was ist da los in Ihrer Partei?
Ich würde mal sagen, dass 99 Prozent meiner Parteifreundinnen und Freunde entsetzt darüber sind, dass unser Freund Kemmerich sich mit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten durch die AfD hat wählen lassen. Das hat die ganze Freie Demokratische Partei in den Fundamenten erschüttert. Wir sind erstaunt darüber. Er ist immer ein klasse Kollege gewesen, auch im Deutschen Bundestag. Wir fragen uns, was hat ihn da geritten? Im dritten Wahlgang darf man kandidieren. Man darf auch antreten, wenn die CDU einen unterstützt. Aber nicht von der AfD. Er hätte sagen müssen, angesichts der Stimmen der AfD nehme ich das Amt nicht an.

Ihr Vorsitzender, Herr Lindner wusste ja davon, dass Kemmerich antreten will und er auch mit AfD-Stimmen gewählt werden könnte…
Sie unterstellen jetzt, dass Christian Lindner wissen konnte, was da passiert ist, dass die AfD einen Strohmann in den ersten beiden Wahlgängen ins Rennen schickt und Kemmerich sich dann mit den Stimmen der Rechten und der CDU wählen lässt.

Ich unterstelle nichts.

Wir werden nun eine Bundesvorstands-Sitzung haben, und dann wird uns Christian Lindner mit Sicherheit genau sagen, was wann gelaufen ist. Vorher kann und werde ich nichts kommentieren. Die Landesverbände sind natürlich autark. Aber in letzter Instanz müssen sie, sollten sie grünes Licht bekommen.

FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann fordert Lehren aus der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen.

© picture alliance / Karlheinz Sch

Die CDU-Vorsitzende, Frau Kramp-Karrenbauer sagt, sie habe versucht Herr Lindner davon abzubringen, dass er eine Kandidatur Kemmerichs unterstützt. 
Ich hoffe und wünsche mir, dass Frau Kramp-Karrenbauer, die gerade ein großes Problem in ihrem Landesverband Thüringen hat, erst einmal vor ihrer Tür kehrt. Wenn wir jetzt unter den Demokraten anfangen, uns gegenseitig die Augen auszustechen, dann passiert genau das, worauf Höcke und seine Mannschaft mit Sicherheit schon Champagner getrunken haben, nämlich, dass wir uns fertig machen und die AfD fröhlich als lachender Dritter vorbeiläuft.

Was ist denn aus Ihrer Sicht eine grundsätzliche Lehre daraus?
Es ist natürlich ein Weckruf, und wenn man sich einigermaßen intensiv mit den Tricks und Machenschaften von Nationalsozialisten beschäftigt hat und glaubt, die AfD sei eine normale Partei, wird jetzt belehrt. In der AfD hat die radikale Rechte das Sagen. Übrigens ein gutes Beispiel ist der Kollege Rüdiger Lucassen, der für die AfD im Verteidigungsausschuss sitzt, er gibt sich als besonnener Biedermann und hat Höcke gratuliert für seinen Trick und für seinen Erfolg, den er damit gehabt hat. Das zeigt, dass der Biedermann diesen Brandstifter hofiert und damit wird eine weitere Maske vom Gesicht gerissen.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das eine rechte Partei ist, die unsere Verfassung, unsere Freiheit und alle Möglichkeiten, die diese Verfassung zulässt, nutzt, um die Demokraten vorzuführen. Und deswegen ist es so wahnsinnig wichtig neben der Aufarbeitung, dass wir jetzt nicht anfangen uns zu zerlegen. Und da geht auch mein Appell an die SPD, jetzt nicht den Finger zu heben, wer hier der bessere und der schlechtere Demokrat ist. Es ist unabdingbar, jetzt zusammenzustehen. Ihnen diese Maske vom Gesicht zu reißen. Unser Auftrag muss es doch jetzt sein, die Leute, die anfällig sind, AfD zu wählen, aber grundsätzlich gemäßigt sind, zurückzuholen. Das klappt nicht, wenn wir jetzt übereinander herfallen.

Wenn es jetzt in Thüringen zu Neuwahlen kommen würde, muss die FDP fürchten, dass man im Landtag nicht mehr angehören wird. Ein zu hoher Preis?
Natürlich nicht. Wir haben einen Preis dafür zu zahlen, dass ein von uns geschätzter Kollege einen schweren Augenblick lang das Falsche gemacht hat. Ich finde es das Mindeste, das Votum den Wählern zurückzugeben und dann zu akzeptieren, was kommt. Wir reden ja gerade über Demokratie.

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