zum Hauptinhalt
Paul Ryan, Sprecher des US-Repräsentantenhauses, verkündet, dass er sich nicht zur Wiederwahl aufstellen lassen wird.

© J. Scott Applewhite/AP/dpa

US-Republikaner: Will Paul Ryan 2020 gegen Trump antreten?

Der angekündigte Rückzug des Hoffnungsträgers Paul Ryan zeigt die Spaltung und die Schwäche der US-Republikaner. Was sind seine Pläne? Eine Analyse.

Die Republikaner zittern beim Blick auf die Kongresswahl im November. Präsident Donald Trump hingegen, der eine Hauptursache der Probleme der konservativen Partei und ihrer Angst vor dem Verlust der Parlamentsmehrheit ist, muss sich derzeit wenig Sorgen um den Rückhalt bei den Wählern machen. Seine Umfragewerte haben sich konsolidiert. Zu Jahresbeginn war die Zustimmung zu ihm unter 38 Prozent gefallen. Jetzt liegt sie bei 42 Prozent.

Republikaner im Abwind, Trump im Aufwind: Das ist der Hintergrund einer Nachricht, die erst Aufsehen in Washington hervorrief und nun vielfältige Spekulationen auslöst. Paul Ryan, der einflussreiche „Speaker“ des Repräsentantenhauses, zieht sich zurück – mit 48 Jahren, ein jugendliches Alter in der Politik. Ryan sagt, er wolle sich mehr um seine Familie kümmern und nicht nur Wochenend-Vater für die minderjährigen Kinder sein.

Zugleich wirkt die Entscheidung wie eine Kapitulation im republikanischen Lager. Es ist Ryan nicht gelungen, die Mehrheitsfraktion im Kongress als Kraftzentrum zu nutzen, das den erratischen Präsidenten Trump in berechenbare Bahnen lenkt. Das Amt des „Speaker“ bringt zwar mehr Macht mit sich als das eines Bundestagspräsidenten. Aber im öffentlichen Bild in den USA ist selbst ein unbeliebter Präsident allemal einflussreicher als der Kongress. Dessen Ansehen liegt im Schnitt der Umfragen bei nur 13 Prozent.

Das wahre Drama ist die Partei

Was plant Ryan, fragen US-Medien. Will er etwa bei der Präsidentschaftswahl 2020 gegen Trump antreten, unbeschwert von den Loyalitätspflichten des Mehrheitsführers? Ryan sagt, er habe das nicht vor. Die „New York Times“ erinnert daran, dass Ryan stets als politisches Wunderkind galt, aber die Erwartungen selten erfüllen konnte. Mit 28 Jahren zog der Fiskalkonservative aus dem Südwesten Wisconsins in den Kongress ein. Er gehörte zu den „Young Guns“, die die Republikaner zu alten Tugenden zurückführen wollten: Steuern runter, kleiner Staat, Budgetdisziplin, Freihandel. 2012 war er Mitt Romneys Vizepräsidentschaftskandidat, 2015 wurde er jüngster „Speaker“ in der US-Geschichte – und rasch auch ein Gegengewicht zu Trump.

Das wahre Drama dieser Tage hat weniger mit Ryan zu tun als mit dem Zustand der Republikanischen Partei und ihrer Fraktionen in Repräsentantenhaus und Senat. Sie sind gespalten in den Wirtschaftsflügel mit überwiegend liberalen Reflexen, in die Sozialkonservativen, zu deren Hauptanliegen Verbote von Abtreibung und Homo-Ehe gehören, sowie die populistischen Revoluzzer vom Typ Tea Party oder Trump-Anhänger, die keine kohärente Ideologie vertreten und ständig an ihre Widersprüche stoßen. Diese drei Flügel können sich fast nie einigen. Die Abschaffung von Obamas Gesundheitsreform scheiterte. Die Aussicht auf eine Einwanderungsreform ist gering. Nicht einmal der Staatshaushalt erfüllt die Prinzipien der Partei. Der einzige Erfolg war die massive Steuersenkung.

Trump könnte von alldem profitieren

Ryans traditioneller Konservatismus ist in der heutigen Republikanischen Partei nicht mehr dominant und nicht mehr automatisch mehrheitsfähig. Aber ohne die Zugkraft des Politiker-Typus Paul Ryan droht die Republikanische Partei ihre Mehrheitsfähigkeit einzubüßen. Das Einsammeln von Spenden ist ungemein wichtig für Kongresskandidaten. Ryan ist ein erfolgreicher „Fundraiser“. Die unmittelbare Sorge vieler Kandidaten nach seiner Ankündigung, nicht erneut zu kandidieren: Welche Folgen hat das für mein „Fundraising“, wenn Ryan mir nicht hilft oder seine Zugkraft geringer ausfällt?

Erst mittelfristig kann das Problem der Republikaner zu einem Problem für Trump werden: falls die Partei die Mehrheit im Repräsentantenhaus verliert. Derzeit haben die Republikaner 239 Sitze, die Demokraten 191, fünf sind vakant. Wegen des strukturellen Vorteils für die Konservativen durch den Zuschnitt der Wahlkreise („Gerrymandering“) benötigen die Demokraten einen großen Sieg, um die Mehrheit zu kippen. Derzeit weisen die Umfragen sieben Prozentpunkte Vorsprung für die Demokraten aus – und dennoch nur ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Prognose der Sitzverteilung.

Ein Wahlsieg der Demokraten würde Trump die Kongressmehrheit nehmen. Doch auch die Demokraten sind intern gespalten. Ihre Kongressmehrheit würde das System weiter blockieren. Davon profitiert vor allem einer: Präsident Donald Trump.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false