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Der Bundestag entscheidet am Freitag darüber, ob Verhandlungen über ein drittes Hilfprogramm für Griechenland eingeleitet werden sollen.

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Vorm Bundestags-Votum: Wie weiter mit Griechenland?

Nach der Abstimmung in Griechenland und vor dem Votum heute im Bundestag erregt Wolfgang Schäuble mit einem erneuten Vorstoß zum „Grexit auf Zeit“ Unruhe. Die wichtigsten Fragen und Antworten heute.

In der Griechenland-Krise ist es zum Aufatmen noch zu früh. Zwar gibt es positive Signale aus Athen und Berlin: In der Nacht zum Donnerstag billigte das griechische Parlament erste Reformschritte; an diesem Freitag kann auch Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag mit einer breiten Mehrheit für Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket rechnen. Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) treibt zum einen die Debatte um einen „Grexit auf Zeit“ weiter voran, zum anderen steht in Griechenland Regierungschef Alexis Tsipras auf der Kippe, der seine eigene Parlamentsmehrheit verloren hat.

Was bedeutet die Abstimmung in Athen für die von Syriza geführte Regierung?

Alexis Tsipras hat am Mittwochabend gewonnen und gleichzeitig doch verloren. 38 Abgeordnete des Linksbündnisses Syriza haben nicht für die Einigung in der Euro-Zone gestimmt. Auch wenn die Arbeit des griechischen Regierungschefs dadurch gleich auf mehreren Ebenen blockiert ist, bedeutet der Widerstand innerhalb der Syriza noch nicht gleich das Ende seiner Regierung. Das hängt mit einem Paradox zusammen: Selbst die Syriza-Abgeordneten, die gegen die Sofortmaßnahmen stimmten, fordern Tsipras auf, Ministerpräsident zu bleiben. Diese Syriza-Abgeordneten wollen ihr Votum als Widerstand gegen die „aufgezwungene Erniedrigung“ aus Brüssel verstanden wissen, aber keinesfalls als ein Misstrauensvotum gegen den eigenen Chef.

Zwar hat Tsipras gerade noch genug Stimmen, um als Chef einer Minderheitsregierung auszuharren. Da seine abtrünnigen Abgeordneten auch bei den nächsten Reformgesetzen nicht zustimmen werden, ist Tsipras allerdings stark auf die Zusammenarbeit mit der Opposition angewiesen. Liberale (To Potami), Sozialdemokraten (Pasok) und Konservative (Nea Dimokratia) stützen die Vereinbarungen mit den Euro-Partnern.

Schmiedet Tsipras nun ein neues Regierungsbündnis?

Tsipras könnte nun auch die drei Oppositionsparteien, die sich selbst „pro-europäisch“ nennen, mit in die Regierung aufnehmen. Diejenigen, die ein derartiges neues Regierungsbündnis befürworten, argumentieren, dass es dann eine breite gesellschaftliche Basis zur Umsetzung des Abkommens gäbe. Gegner eines neuen Bündnisses befürchten dagegen, dass es zu einer gegenseitigen Blockade kommt. Zudem sind in Griechenland wohl über kurz oder lang Neuwahlen absehbar, wenn die Syriza-Partei so zerrissen bleibt. Beobachter stellen sich die Frage, welche politische Kraft dann als Alternative überhaupt noch übrig bleibe, wenn alle großen Parteien für dieselben Regierungsentscheidungen stünden.

Tsipras, hieß es am Donnerstag, werde also wahrscheinlich zunächst eine moderate Regierungsumbildung vornehmen. Dabei wird er wohl Minister wie den für den Energiemarkt zuständigen Panagiotis Lafazanis gegen Syriza-Politiker austauschen, die dem Kurs des Chefs folgen und mehr in der Mitte stehen. Was dieser Umbau bedeutet, wird sich dann wohl in einer Woche zeigen. Am 22. Juli muss Tsipras die nächste Runde von Reformgesetzen durchs Parlament bringen. Wenn er bis dahin seine Partei nicht wieder stärker vereint oder die Opposition doch abtrünnig wird, dann könnte sich die Frage nach Konsequenzen neu stellen.

Ist der „Grexit“ vom Tisch?

Nicht aus der Sicht von Wolfgang Schäuble. Der Finanzminister verdeutlichte am Donnerstag noch einmal, dass er einen „Grexit auf Zeit“ auch nach der Zustimmung des Athener Parlaments zu ersten Reformschritten für eine Option hält. Ein zeitweiliges Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro „wäre vermutlich mit Abstand das Beste für Griechenland“, sagte Schäuble im Deutschlandfunk. Er wiederholte dabei im Grundsatz noch einmal die Erwägung, die er auch in seinem umstrittenen Optionen-Papier am vergangenen Wochenende in Brüssel vorgenommen hatte – nämlich dass Griechenland im Falle eines freiwilligen Ausscheidens aus der Euro-Zone mit erheblichen Schuldenerleichterungen rechnen könne. Im viel zitierten Schäuble-Papier war noch die Rede davon gewesen, dass eine Umstrukturierung der Schulden in einem Format wie dem sogenannten „Pariser Club“ vorgenommen werden könne, wo staatliche Gläubiger und Schuldner miteinander verhandeln. Am Donnerstag sprach der Minister sogar von einem „Schuldenschnitt“.

Warum hält Schäuble einen Schuldenschnitt für Griechenland außerhalb der Euro-Zone für geboten?

Viele Ökonomen halten einen Schuldenschnitt für unausweichlich. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnete in dieser Woche vor, dass sich der Schuldenstand Griechenlands wegen der jüngsten Bankenschließungen in den kommenden beiden Jahren der Marke von 200 Prozent der Wirtschaftsleistung nähern dürfte. Schon jetzt liegt die Schuldenquote des Landes bei rund 175 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wegen der massiven Überschuldung nannte der Währungsfonds einen „Haircut“ als eine Option, über die nun Griechenland und die Euro-Partner zu entscheiden hätten.

Auch Schäuble sieht das Problem, dass die geplanten Hilfen aus einem dritten Hilfspaket mit einem Volumen von mehr als 80 Milliarden Euro den Schuldenberg Griechenlands zwangsläufig zunächst einmal noch weiter anwachsen lassen. „Niemand weiß im Augenblick, wie das ohne einen Schuldenschnitt gehen soll“, sagte er am Donnerstag. Allerdings muss Hellas nach seiner Ansicht vorher aus der Euro-Zone austreten, weil ein Schuldenschnitt aufgrund der EU-Verträge „mit der Mitgliedschaft in der Währungsunion nicht vereinbar“ sei.

Erhielte aber ein Euro-Mitglied wie Griechenland einen „Haircut“, wäre Schäuble nicht der einzige, der dagegen ist. In Spanien, wo am Jahresende Wahlen anstehen, hat nicht zuletzt der konservative Regierungschef Mariano Rajoy etwas dagegen, dass Tsipras sein Land im Euro halten und gleichzeitig einen klassischen Schuldenschnitt in Anspruch nehmen kann – dies wäre geradezu ein Wahlgeschenk für die Linkspartei „Podemos“, die eine drastische Umstrukturierung der Verbindlichkeiten anstrebt.

Gibt der Bundestag grünes Licht für Verhandlungen?

Alles andere wäre eine Sensation – und ein politisches Debakel, das Europa in eine tiefe Krise stürzen und die Börsenkurse auf Talfahrt schicken würde. Dazu wird es aber nicht kommen. Die Spitzen von Union, SPD und Grünen haben bereits angekündigt, dass ihre Fraktionen der Bundesregierung ein Mandat für Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket erteilen wollen. Nur die Linksfraktion will dagegen stimmen. Damit scheint eine breite Mehrheit bei der Bundestags-Sondersitzung gesichert.

Kann die große Koalition eine eigene Mehrheit aufbieten?

Das erwarten alle in der großen Koalition. Allerdings muss Kanzlerin Angela Merkel bei der bislang wichtigsten Entscheidung des Bundestags in dieser Wahlperiode mit Abweichlern rechnen – vor allem aus den eigenen Reihen. 70 der 311 Unionsabgeordneten sehen weitere Milliardenhilfen für Athen überaus kritisch, heißt es. Bis zu 50 von ihnen gelten als mögliche Nein-Sager. Sie halten die griechische Regierung nicht für vertrauenswürdig und die Reformversprechen für nicht gedeckt. Kurz: Sie glauben nicht an eine Zukunft Griechenlands im Euro.

Dagegen wirkt die chronisch zerstrittene SPD vorbildlich geschlossen, auch wenn die Spar- und Reformauflagen für Athen beim linken Flügel auf Kritik stoßen. Die skeptischen Genossen wollen ihre Bedenken aber voraussichtlich in einer Erklärung zu Protokoll geben und mit Ja stimmen. Allerdings wird sich SPD- Chef Sigmar Gabriel, der intern für einen „Grexit“ geworden hatte, den Spott der Opposition anhören müssen.

Wann steht das Ergebnis fest?

Wegen der Totenmesse für den CDU-Abgeordneten Philipp Mißfelder , der diese Woche überraschend an einer Lungenembolie starb, beginnt die Bundestagsdebatte erst um zehn Uhr. Für die Regierung sprechen Kanzlerin Merkel, SPD- Chef Gabriel und Finanzminister Schäuble. Die namentliche Abstimmung wird für 13 Uhr erwartet.

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