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Ein Infektiologe zieht in einem Seniorenheim eine Spritze mit Impfstoff gegen das Coronavirus auf.

© Guido Kirchner/dpa

Virologe Martin Stürmer über den Impfgipfel: „Wie lange die Impfstoffe wirken, wissen wir noch nicht“

Mehr Druck auf die Firmen und die Impf-Reihenfolge überdenken: Mediziner Martin Stürmer spricht über Erwartungen an den Impfgipfel und den Weg zur Normalität.

Der Mediziner Martin Stürmer ist Experte für Virologie und Infektionsepidemiologie. Er leitet ein privates Labor für interdisziplinäre Diagnostik und ist Dozent an der Goethe-Universität Frankfurt.

Herr Stürmer, was erwarten sie vom Bund-Länder-Impfgipfel?

Der Gipfel kann nicht zaubern. Wenn es bei der Herstellung der Impfstoffe Schwierigkeiten gibt, kann die Politik wenig tun. Ich würde mir aber wünschen, dass mehr Druck auf die Firmen gemacht und stärker auf die Einhaltung der Lieferverträge gepocht wird.

Auch könnte man die Reihenfolge der Impfungen überdenken. Die Ständige Impfkommission rät davon ab, das Mittel von Astrazeneca an über 64-Jährige zu verabreichen. Man könnte das nun den Jüngeren zuerst geben, damit von denen schon mal möglichst viele geimpft werden können.

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Woran liegen die Produktionsschwierigkeiten in den Pharma-Firmen?

Ein Impfstoff muss immer den höchsten Qualitätsstandards entsprechen. Wir wollen zwar alle möglichst schnell einen Impfstoff bekommen, aber der muss natürlich auch wirksam und sicher sein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei der Herstellung mal irgendwo etwas hakt. In normalen Zeiten erregt das in der Regel kein öffentliches Interesse, in der Pandemie ist das aber natürlich anders.

Ärgerlich ist es jedenfalls, weil wir logistisch längst vorbereitet sind auf das Impfen – und jetzt hapert es am Impfstoff. Von dem hängt nun mal ab, wie schnell wir die Pandemie in den Griff bekommen, auch wenn noch wichtige Frage offen sind.

Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer.

© imago images/teutopress

Welche sind das?

Wir werden erst in einigen Wochen wissen, ob der Impfstoff nur vor einer Erkrankung schützt oder auch vor der Infektion. Wie lange die Impfstoffe wirken, wissen wir auch noch nicht. Das werden die Studien zeigen, die insgesamt auf eine Dauer von zwei Jahren angelegt sind.

[Mehr über den Streit um den Impfstoff von Astrazeneca können Abonnenten von T+ hier lesen: Streit zwischen Brüssel und Astrazeneca – War die EU zu blauäugig?]

Wie groß ist die Gefahr, dass die Impfstoffe gegen die neuen Virus-Varianten wirkungslos sind?

Nach den aktuellen Daten wirken die Impfstoffe auch gegen diese Mutationen. Aber die Gefahr besteht, dass künftig neue Varianten auftreten, vor denen der Impfstoff nicht schützt. Dann muss man den Wirkstoff anpassen, was aber leicht geht, die Firma Moderna arbeitet zum Beispiel bereits an so einem Mittel.

Ich gehe davon aus, dass es auf längere Sicht einen Impfstoff-Mix geben wird, der gegen die verschiedenen Virus-Varianten hilft, ähnlich wie bei der Grippe. Gegen die haben wir ja auch einen Vielfach-Impfstoff. Wenn der auch gegen Sars-CoV-2 flächendeckend zur Verfügung steht, dann können wir auch wieder zur Normalität zurückkehren und müssen uns nicht mehr verrückt machen mit Abstandsregeln und Kontaktverboten. Wir könnten dann einfach einmal im Jahr zum Hausarzt gehen und eine Spritze bekommen, und es wäre gut.

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