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Greta Thunberg und Luisa Neubauer laufen in erster Reihe bei dem Klimastreik in Berlin mit.

© Christian Mang/REUTERS

Update

35.000 Leute bei Klimastreik in Berlin: Wie Fridays-for-Future ihr Comeback feierten

35.000 Menschen haben vor dem Reichstag für mehr Klimaschutz demonstriert. Unterdessen planen die Hungerstreikenden 200 Meter weiter, auch Flüssigkeit zu verweigern.

Es herrscht Wandertags-Stimmung. Auf den Bahnsteigen vom Berliner Hauptbahnhof tummeln sich Schulklassen. Die meisten Jugendlichen haben Sneaker an und Rucksäcke auf, dazu selbst gebastelte Schilder in der Hand. Die Laune ist ausgezeichnet. Alle wirken ganz euphorisch und auch ein bisschen aufgeregt. Wann kommt man schon mal mit so vielen Gleichaltrigen zusammen?

Dabei ist der Grund des Zusammentreffens natürlich gar kein Spaß, sondern sehr ernst. An diesem Freitag ist der achte weltweite Aktionstag von Fridays for Future seit 2019. Die Anliegen sind gleich geblieben: Politik und Parteien werden aufgefordert, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und den Ausstieg aus der Kohle schneller als bislang geplant bereits bis 2030 umzusetzen.

Zwei Tage vor der Wahl sind bundesweit in mehr als 400 Städten Demonstrationen geplant. In der Hauptstadt ist der größte Streik angesetzt und die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg ist extra angereist. Die Organisator:innen sprechen von 100.000 Teilnehmer:innen, die Polizei zunächst von 12000. Am Abend korrigiert die Berliner Polizei ihre Einschätzung gegenüber dem Tagesspiegel, man gehe von 35.000 Teilnehmenden aus. Die Jungen dominieren wie schon bei vorherigen Protest-Aktionen. Aber es sind auch Ältere unter den Streikenden, Anwälte in schwarzen Roben demonstrieren, Studierende, Künstler:innen, Familien und Freundesgruppen.

Der Weg zum Startpunkt, dem Platz der Republik zwischen Bundestag und Kanzleramt, führt vorbei am Paul-Löbe-Haus. Daneben liegt das Protestcamp der Hungerstreikenden. Etwa zehn Zelte flattern im Wind. Henning Jeschke und Lea Bonasera sitzen mit Decken behangen auf der Wiese. Sie sehen ausgemergelt aus. Die 24-jährige Bonasera hat seit fünf Tagen nichts gegessen, der 21-jährige Jeschke seit 26. Er sitzt die meiste Zeit in einem Rollstuhl.

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Hier, 200 Meter entfernt von der bunten Demo, hat der Kampf für mehr Klimaschutz nichts mehr mit Wandertagsfeeling zu tun, nichts mit selbstgestalteten Bannern oder Glitzer im Gesicht, sondern ist todernst geworden.

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Jeschke und Bonasera wollen am Samstag auch in den Durststreik treten, wenn der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bis dahin nicht den Klimanotstand ausgerufen hat. Bonasera begründet diese Entscheidung so: „Scholz ist mit großer Wahrscheinlichkeit in der nächsten Legislaturperiode der Bundeskanzler und das hätte vor allem einen symbolischen Wert, wenn er endlich mal öffentlich sagt, dass die Klimakrise eine akute Gefahr für die Menschen ist. Das Zeichen ist wichtig.“

Wenig Widerhall für den Hungerstreik unter den Protestierenden

Zunächst hatte die Gruppe ein Gespräch mit den drei Kanzlerkandidat:innen gefordert. Die Frist dafür ist am Donnerstag verstrichen. Lediglich der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck war am Abend aufgetaucht und bat die Gruppe, den Hungerstreik abzubrechen. Auch auf den Plakaten der Protestierenden rund um das Bundestagsgebäude findet der Hungerstreik wenig Widerhall.

Lea Bonasera befindet sich seit fünf Tagen im Hungerstreik.

© Christian Mang/REUTERS

Eine Frau hat sich für eine andere radikale Protestform entschieden. Auf ihrem Schild steht: „Die Klimakrise ist für mich der stärkste Grund, keine Kinder zu kriegen.“ Auch Greta Thunberg hat sich noch nicht öffentlich zu den Hungerstreikenden geäußert, in einem Tagesspiegel-Interview sagte sie lediglich „Ich kenne die Personen und die genauen Umstände nicht.“

Greta Thunberg bei ihrer Rede auf der Bühne vor dem Reichstagsgebäude.

© Tobias Schwarz/AFP

Ihr Auftritt wird vom Publikum am Freitagnachmittag sehnlichst erwartet. Als sie auf die Bühne vor dem Bundestagsgebäude steigt, strömen viele nach vorne, sämtliche Smartphones versperren die Sicht. „Ihr müsst wählen gehen, aber das ist nicht genug“, ruft Thunberg der Masse zu. „Wir wollen Änderung, wir fordern Änderung, wir sind Änderung.“

Wen werden die Teilnehmer:innen am Sonntag wählen?

Dann wirft sie Deutschland vor, weltweit der viertgrößte CO2-Emittent zu sein. „Mit 80 Millionen Menschen ist das schon eine Leistung“, sagt die 18-Jährige und nennt Deutschland einen der größten „Klima-Schurken“.

Das nehmen die Anwesenden aber nicht etwa pikiert, sondern mit vielen Buhrufen entgegen. Auf der Bühne tritt wenig später die Rapperin Nura mit ihrem Song „Niemals Stress mit Bullen“ auf. Danach sagt sie: „Geht am Sonntag wählen!“ Sie selbst habe kein Wahlrecht, obwohl sie seit über 30 Jahren in Deutschland lebe. Ein paar Meter weiter schwebt ein Ballon, der den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet darstellen soll.

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Unförmig, mit ungelenken Proportionen. „Klimaschutz bei CDU/CSU?“, steht auf seinem Bauch. „Nichts als heiße Luft.“ Hier wird zumindest schon mal klar gemacht, wo das Kreuz am kommenden Wahlsonntag nicht gemacht werden soll. Auch Scholz wird auf der Bühne angegangen.

Dann also die Grünen wählen? Fehlanzeige, öffentliche Bekenntnisse oder gar Aufrufe zum Wählen der Öko-Partei gibt es von wenigen Teilnehmenden. Zwei Studentinnen sagen, das keines der Programme der zur Wahl stehenden Parteien ausreichend sei, im Hinblick auf die Bekämpfung der Klimakrise. Dennoch werden sie natürlich wählen gehen. Grüne und Linke bieten immerhin „die besten Ansätze“.

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