zum Hauptinhalt
US-Vizepräsident Mike Pence am Mittwochabend vor seiner Rede auf dem überwiegend virtuellen Parteitag der Republikaner.

© imago images/ZUMA Wire

Mike Pence beim Parteitag: Wie die US-Republikaner um die Desperate Housewives kämpfen

Der Parteitag der Republikaner zeigt: Die Partei wirbt um die Suburbs, die Vororte – aber scheint sie gar nicht richtig zu kennen. Eine Analyse.

Von Anna Sauerbrey

Auf den ersten Blick könnte man nach drei Abenden Parteitag der Republikaner auf die Idee kommen, Trump habe die Mitte aufgegeben. Niemand aus der Mitte der republikanischen Partei ist gekommen, keine ehemaligen Präsidenten, keine Würdenträger, manche, wie der ehemalige Außenminister Colin Powell, sind sogar lieber bei den Demokraten aufgetreten als den Präsidenten zu unterstützen.

Tatsächlich hat der Parteitag etwas Sektenhaftes: Nur der Trump-Clan und die blind Gehorsamen und Verblendeten scheinen dem Präsidenten noch zu folgen. Seine einzige Chance, so eine gängige Lesart: Seine engste Anhängerschaft zu mobilisieren und dafür zu sorgen, dass der Rest von Amerika zu Hause bleibt.

Wenn die Demokraten gewinnen, nehmen sie euch die Polizei weg

Doch Trumps Wahlkampfteam hat die Mitte nicht aufgegeben, im Gegenteil. Nicht zuletzt die Rede von Vize-Präsident Mike Pence am Mittwochabend, aber auch viele andere Auftritte der vergangenen Tage waren voller Botschaften an eine wichtige Gruppe: die Suburbs, die amerikanischen Vorstädte und ihre bürgerlichen Bewohner.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]

In seiner Rede machte Vizepräsident Mike Pence das Bild vom „Law and Order“-Präsidenten Donald Trump stark. Er bezog sich dabei vor allem auf die Proteste gegen Polizeigewalt seit dem Tod von George Floyd, die in den vergangenen Tagen in der Stadt Kenosha in Wisconsin wieder mit aller Gewalt aufbrachen, nachdem ein Polizist einen unbewaffneten schwarzen Mann von hinten erschossen hatte.

Trump sei für friedliche Proteste, „aber die Unruhen und das Plündern sind keine friedlichen Proteste“. Diejenigen, die so etwas täten würden mit aller Härte verfolgt. Sollte Joe Biden Präsident werden, so Pence, werde er der Polizei die Mittel entziehen und somit diejenigen schwächen, die die letzte Verteidigungslinie seien – gemeint ist: die Verteidigungslinie zwischen den unruhigen Innenstädten, die in den vergangenen Wochen zum Zentrum der Proteste und auch der gewaltsamen Ausschreitungen geworden sind, und den „friedlichen“ Vorstädten.

Auftritt von Mark und Patricia McCloskey, die Black-Lives-Matter-Demonstranten bedroht haben

Pence setzte damit ein Thema fort, dass schon zuvor viele Redner aufgegriffen hatten. Den Auftakt zum Werben um „Suburbia“ hatten gleich am ersten Abend Mark und Patricia McCloskey gemacht. Das Ehepaar aus St. Louis, Missouri, war im Juni zu nationaler Berühmtheit gelangt, als sie sich einer Gruppe von Black Lives Matter-Demonstranten entgegengestellt hatten, die auf das Grundstück des Ehepaars eingedrungen waren.

Die Demonstranten waren Teil eines Protestzuges, der den wohlhabenden Vorort auf dem Weg zum Haus der Bürgermeisterin durchquerte, dabei hatte die Demonstranten offenbar ein Tor geöffnet (ob mit Gewalt, bleibt umstritten) und hatten die Zufahrt betreten, die zur Villa des Ehepaares führt. Die McCloskeys bedrohten die Demonstranten daraufhin mit Schusswaffen, er mit einem Maschinengewehr, sie mit einer Pistole.

In ihrem Beitrag auf dem Parteitag der Republikaner sagte Patricia McCloskey: „Was sie bei uns geschehen sehen haben, kann ihnen allen auch passieren, die sie heute Abend aus einer friedlichen Nachbarschaft zuschauen.“ Und weiter: „Sie (die Demokraten) begnügen sich nicht damit, Gewalt in unsere Viertel zu tragen. Sie wollen die Suburbs ganz abschaffen.“

Trumps Strategie war es 2016, Stadt gegen Land auszuspielen: Religiöse gegen Nichtkonfessionelle, kulturell Liberale gegen Konservative, Kosmopoliten gegen Heimatbezogene und ja – Weiße gegen Menschen mit einer anderen Hautfarbe, einem anderen kulturellen Hintergrund. Auf dem Parteitag aber hieß es vielmehr als „Stadt gegen Land“ „Stadt gegen Vorstadt“.

2016 lebten 50 Prozent der Wähler in den Suburbs Amerikas

Tatsächlich waren die Vorstädte schon immer wichtig für die Republikaner. Sie wachsen – und damit die Wählerschaft, die dort lebt. 2016 lebten 50 Prozent der Wähler in den Suburbs, 2004 waren es 45 Prozent. In den vergangenen Wahlen gewannen republikanische Kandidaten die Vororte stets – nur Barack Obama konnte sich dort behaupten. Trump gewann die Suburbs wieder, wenn auch knapp.

Und tatsächlich dürfte es leicht sein, bestehende Konfliktlinien zwischen Stadt und Vorstadt zu verstärken. Die zunehmende ethnische Vielfalt macht vielen weißen Amerikanern Angst, sie fürchten, zur Minderheit zu werden. Die Suburbs waren lange die Zuflucht derer, die das Gefühl hatten in eine Minderheitenrolle zu geraten: Mochte das Land in den wachsenden Städten vielfältiger werden und liberaler, in den Suburbs ließ sich leicht die Illusion ethnischer und kultureller Homogenität aufrechterhalten.

Doch auch die Suburbs verändern sich. Sie sind längst nicht mehr so „weiß“, wie sie einmal waren in ihrer Wachstumsphase in den 70er Jahren, als Weiße aus den Innenstädten flohen. Heute sind 68 Prozent der Vorstädter weiß, 14 Prozent Hispanics und elf Prozent schwarz.

Suburbs werden immer weniger weiß

Im Zuge der Umweltdebatte steht auch das Lebensmodell „Suburb“ in Frage. Die McCloskeys nahmen in ihrem Beitrag auf dem Parteitag Bezug auf Debatten in der städtischen Raumplanung, weniger Gebiete als Nachbarschaften auszuweisen, in denen nur Einfamilienhäuser gebaut werden dürfen.

Hintergrund dieser Debatten: Die wachsenden Suburbs mit ihren großen Grundstücken versiegeln viel Fläche und zwingen die Bewohner geradezu ins Auto, da sie durch öffentliche Verkehrsmittel nicht gut erschlossen werden können. Verdichtung soll ein Gegenmittel sein.

Diese Konfliktlinien, verstärkt durch die Ausschreitungen am Rande der Proteste gegen Polizeigewalt, sind ein politischer Angriffspunkt.

Konfliktlinie zwischen Innenstadt und Vorstadt wird verschärft

Dennoch ist die Frage, ob Donald Trump die Suburbs wirklich kennt. Das Bild, das viele der Redner zeichnen, wirkt antiquiert, besonders das damit verbundene Frauenbild. „Family, faith and freedom“, beschwor zum Beispiel Kellyanne Conway, eine andere Rednerin, eine Familienunternehmerin, sprach von ihrem Manns als „mein Held“.

Doch auch die Moms und Nicht-Moms in den Suburbs sind im Jahr 2020 mitnichten die „Suburban Housewives“, wie Trump sie gern adressiert, sondern zu großen Teilen berufstätige Frauen, die sich nicht auf Kinder, Kirche, Küche reduzieren lassen wollen, selbst wenn sie konservativ sind. Auch in den hochpreisigen Städten in den USA können sich viele Familien das Häuschen mit Garten gar nicht leisten, wenn nicht beide arbeiten.

Eine Mehrheit der weiblichen Wähler in den Vorstädten lehnt Trump ab, wie Umfragen zeigen. Das zusammengenommen mit der zunehmenden ethnischen Vielfalt macht Vorstädte zu einem eigenen „Battleground State“, um den die Republikaner sehr hart werden kämpfen müssen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false