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Aufschwung Ost - CDU und SPD ringen um ein Konzept, wie sie die Wahlkämpfe in Ostdeutschland bestreiten wollen.

© Jens Wolf/dpa-Zentralbild/dpa

Ostdeutschland: Wie CDU und SPD die Landtagswahlen überleben wollen

Bei den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg müssen sich CDU und SPD gegen die AfD behaupten. Doch wie? Beide Parteien legen dazu Papiere vor.

Von Robert Birnbaum

Dass der 30. Jahrestag des Mauerfalls fast mit dem Datum wichtiger Landtagswahlen in Ostdeutschland zusammenfällt, ist reiner Zufall. Aber doch ein sehr praktischer Zufall aus Sicht von CDU und SPD. Beide Volksparteien müssen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg mit herben Niederlagen rechnen. Die Angst geht um im Konrad-Adenauer- und im Willy-Brandt-Haus, dass die AfD überall zweitstärkste Kraft wird und in Sachsen womöglich die Nummer eins. Da kann man gar nicht früh genug anfangen, gegenzusteuern. Das Jubiläum der Einheit bietet einen willkommenen Anlass, den Wahlkampf faktisch jetzt schon zu eröffnen.

„Einheit und Zusammenhalt durch gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland“ überschreibt die CDU ein Papier, das die drei Landesvorsitzenden der Wahl-Länder geschrieben haben und der Parteivorstand am Montag billigte. Die knapp sieben Seiten könnten auch den Titel tragen: „Wir haben so langsam verstanden.“ Zwar seien die Bürger in den neuen Ländern „weit überwiegend Gewinner“ der Einheit. Doch das Papier benennt die Probleme von Abwanderung bis Wirtschaftsschwäche.

CDU-Papier: "Angleichung stagniert seit über zwölf Jahren"

Und es übt Selbstkritik: „Erschwerend kommt hinzu, dass der Angleichungsprozess seit über zwölf Jahren stagniert.“ Dass das präzise die Regierungszeit Angela Merkels umfasst, kann sich jeder dazudenken. Auffällig auch, dass ein Begriff auftaucht, der in CDU-Papieren selten geworden war: Das Jahr 2019 solle zum Jahr des Nachdenkens über den Weg „unserer deutschen Nation“ im gemeinsamen Europa werden.

Auch die SPD will in Ostdeutschland mit Verständnis punkten. „Wir wollen die Lebensleistung der Ostdeutschen anerkennen“, sagte Parteichefin Andrea Nahles. Der Zwölf-Punkte-Plan, der die Genossen im Osten aus dem Umfragetief herausführen soll, nennt im Titel „Anerkennung“ als erste Botschaft, gleich gefolgt von „Aufarbeitung“ der Nachwendezeit.

Ins Wahljahr starten die Sozialdemokraten ebenfalls mit Selbstkritik: „Heute übernehmen wir in allen ostdeutschen Bundesländern als Regierungsparteien Verantwortung“, heißt es in dem Papier. „Dennoch hat die SPD vielerorts Vertrauen verloren.“ Zurückgewinnen will sie das mit dem Versprechen, „endlich gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West“ zu schaffen.

Papiere von CDU und SPD unterscheiden sich im Tonfall

Legt man das CDU- und das SPD-Papier nebeneinander, um die konkreten Vorschläge zu vergleichen, zeigt sich rasch: Im Tonfall unterscheiden sich beide stärker als im Inhalt. Die Sozialdemokraten legen mehr Wert darauf, ihre Pläne mit Schlagworten zusammenzufassen: Dem auslaufenden Solidarpakt II solle ein „Pakt für strukturschwache Regionen in Ost und West“ folgen, heißt es zum Beispiel. Die CDU meint das Gleiche und nennt es „gesamtdeutsche Strukturförderung“.

Weitgehend einig sind sich beide Volksparteien auch auf vielen anderen Handlungsfeldern. Beispiel Rente: Neben der – im Koalitionsvertrag schon vereinbarten – Grundrente deutlich oberhalb der Grundsicherung und der schon beschlossenen Ost-West-Rentenangleichung bis 2024 fordern CDU wie SPD eine Sonderlösung für Ostdeutsche, die wegen ihrer „gebrochenen Erwerbsbiografie“ Nachteile erleiden.

Ganz ähnliche Lösungsansätze finden sich in beiden Papieren für die Strukturprobleme der ostdeutschen Länder. Beide Parteien wollen zum Beispiel dafür sorgen, dass der Bund und die EU Behörden und Forschungseinrichtungen bevorzugt im Osten ansiedeln, beide wollen gezielt in Bildung und Weiterbildung investieren und Industrieansiedlungen unterstützen – was die SPD wieder in ein Schlagwort zusammenfasst: Der Osten solle „Innovationsschmiede“ werden.

Dass in den neuen Ländern der neue Mobilfunkstandard 5G wie im Westen „an jeder Milchkanne“ zur Verfügung stehen soll, versteht sich da beinahe von selbst. Die CDU schlägt hier zusätzlich vor, mindestens zwei der geplanten G5-Modellregionen in den neuen Ländern anzusiedeln. Dafür erwägen die Sozialdemokraten einen Rechtsanspruch auf einen Mindeststandard an digitaler Infrastruktur.

Deutliche Unterschiede sind in den Papieren immer dort auszumachen, wo beide Parteien sich auch sonst traditionell unterscheiden. So fordert die SPD eine Kindergrundsicherung und „perspektiv“ eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro. Der CDU liegt die Landwirtschaft noch einmal besonders am Herzen: Die Förderung müsse auf die besonderen Strukturen im Osten Rücksicht nehmen. Zudem fordern die Christdemokraten einen Ausbau der Bundespolizei zur Bekämpfung der Grenzkriminalität.

Ziemlich einig sind sich Christ- und Sozialdemokraten dann wieder beim Umgang mit der Geschichte. Die SPD will ein „Ost-West-Kulturzentrum in einer mittelgroßen Stadt in Ostdeutschland“ eingerichtet sehen, die CDU die „Orte des Erinnerns“ als „Lernorte der Demokratie“ erhalten.

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