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Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat sich am Sonntag mit dem algerischen Premierminister Abdelmalek Sellal in Algier getroffen. Er ermutigte seinen Gesprächspartner zu "demokratischen Reformen".

© dpa

Arabischer Frühling: Westerwelle sieht in Algerien wichtigen Verbündeten gegen den Terror

Außenminister Guido Westerwelle hat die Bedeutung Algeriens im Kampf gegen den internationalen Terrorismus betont. Das Land hat es bisher geschafft, den arabischen Frühling mit vielen Subventionen an die Bürger aufzuhalten. Doch nun naht ein Machtwechsel. Eine Analyse.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat Algerien als wichtigen Partner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gewürdigt. „Gerade im Süden Algeriens gibt es Entwicklungen, die uns auch in Europa erheblich gefährden können“, sagte er am Sonntag bei einem Besuch in Algier. Algerien grenzt an Mali, dessen Nordhälfte bis vor wenigen Monaten von islamistischen Rebellen beherrscht wurde. Nur durch eine von Frankreich angeführte internationale Intervention konnte ihr Vormarsch gestoppt werden. Zu deutschen Waffenlieferungen an Algerien wollte Westerwelle sich nicht äußern.

Die Regierung in Algier geht seit Jahren rigoros gegen islamistische Terroristen vor. Im Januar wurde eine Geiselnahme in einer Gasförderanlage in der Sahara gewaltsam beendet, die mit dem Mali-Konflikt im Zusammenhang stand. 37 Ausländer und ein Algerier kamen dabei ums Leben. Die Bundeswehr ist derzeit mit 190 Soldaten in Mali im Einsatz. Sie bilden die malische Armee aus und helfen mit Lufttransporten.

Zum Abschluss seines Besuchs sprach Westerwelle am Sonntag mit Studenten und wollte auch noch mit Ministerpräsident Abdelmalek Sellal zusammentreffen. Bereits am Vorabend hatte er mit Außenminister Mourad Medelci eine engere außenpolitische und wirtschaftliche Kooperation vereinbart. Westerwelle ermunterte die algerische Regierung zudem zu weiteren rechtsstaatlichen und demokratischen Reformen. Algerien war die letzte Station einer dreitägigen Reise Westerwelles. Zuvor hatte er Israel und die Palästinensergebiete besucht.

Westerwelle hat bei seiner Einschätzung von Algerien eine sehr positive Sichtweise an den Tag gelegt. Das könnte daran liegen, dass Algerien tatsächlich das Schlüsselland im Konflikt mit den islamistischen Gruppen in Nord- und Westafrika ist. Algeriens Grenze mit Mali ist mehr als 800 Kilometer lang. Und die stärkste islamistische Organisation im Sahel, Al Qaida im islamischen Maghreb (Aqim), ist im algerischen Bürgerkrieg entstanden und hat in den Jahren danach begonnen, sich durch die Entführung westlicher Touristen und Ölarbeiter zu finanzieren. Doch Algerien steht vor einem "schwierigen Übergang", schreibt Hanspeter Mattes vom Hamburger Giga-Institut und zitiert den Präsidenten Abdelaziz Bouteflika aus einer Rede im Mai 2012, als dieser sagte, die Revolutionsgeneration "ist müde".

Bouteflika ist seit 1999 Präsident Algeriens. Seine historische Leistung ist es, den Bürgerkrieg, der zwischen 1992 und 1999 mindestens 70 000 Menschen das Leben gekostet hat, zu beenden. Der inzwischen 76 Jahre alte Bouteflika wurde 2004 und 2009 wieder gewählt. Seine Amtszeit dauert noch bis April 2014. Doch seit dem 27. April liegt Bouteflika in einem Pariser Krankenhaus. Offizielle Informationen über seinen Gesundheitszustand gibt es nicht. Doch damals war die Rede von einem "milden Schlaganfall". Die Zeitungen des oppositionellen Verlegers Hishem Aboud, "Mon Journal" und "Arabic Djaridati" berichteten am Wochenende, der Präsident sei in ein Koma gefallen. Die betreffenden Ausgaben sind jedoch offenbar vom algerischen Kommunikationsministerium zensiert worden, sagte der Verleger der französischen Nachrichtenagentur AFP. Nur zwei Monate bevor Bouteflika Algerien krank verließ, verlor der Parteichef seiner Nationalen Befreiungsfront (FLN), Abdelaziz Belkhadem, eine Vertrauensabstimmung und musste seinen Posten räumen. Der 67-jährige Belkhadem galt als einer der möglichen Nachfolger Bouteflikas, der mit seiner "Wir-sind-müde"-Rede angedeutet hatte, 2014 nicht noch einmal als Präsident kandidieren zu wollen.

Tatsächlich ist die Führungselite Algeriens insgesamt in die Jahre gekommen. Einige einflussreiche Generäle sind in den vergangenen zwei Jahren gestorben. Diese Generation hatte schon die Unabhängigkeit von Frankreich erkämpft. 1991 setzten die Generäle die erste demokratisch gewählte Regierung in der arabischen Welt, die islamische Heilsfront, ab. In der Folge kam es zum blutigen Bürgerkrieg, dessen Erinnerung in Algerien nach wie vor nachwirkt. Als im Zuge des arabischen Frühlings auch in Algier Demonstrationen stattfanden, entschied sich Bouteflikas Regierung, mit umfangreichen Jobschaffungsprogrammen und Subventionen für die Bürger die Unzufriedenheit zu ersticken. Abgesehen davon verfügt das Regime auch nach der Aufhebung des von 1992 bis 2011 geltenden Ausnahmezustands über umfangreiche Repressionsmöglichkeiten. Es blieb in Algerien also weiterhin relativ ruhig. Doch ein Führungswechsel steht nun ziemlich unmittelbar bevor - und daraus erwächst politische Unsicherheit. Dazu kommt das Problem, dass die algerischen Ölreserven nahezu erschöpft sind. Zwar verdient das Land auch mit seinen umfangreichen Gasvorkommen Geld, doch Öl ist immer noch das lukrativere Geschäft. Und die Benzinsubventionen gehören zu einem der wichtigsten Befriedungsmittel der algerischen Regierung. Das alte Herrschaftsmodell aus Subventionen auf der Basis hoher Rohstoffeinkünfte und Repression vor allem gegen Islamisten auf der anderen Seite dürfte an sein Ende gekommen sein. (mit dpa)

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