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Angela Merkel

© Imago/Photothek/Thomas Trutschel

Wer enttäuscht hat: Politische Absteiger des Jahres 2022

Merkel, Lauterbach, Lambrecht – eine Reihe an Politikern geht als Verlierer aus diesem Jahr hervor. Eine Auswahl.

Das Jahr 2022 war eine Bewährungsprobe – nicht nur für die Mitglieder der Ampel-Regierung. Politisch konnten nicht alle überzeugen. Wer geht aus diesem Jahr als Verlierer hervor?


Angela Merkel (CDU)

Als sie aus dem Amt ausschied, behaupteten 47 Prozent der Deutschen, sie würden Angela Merkel vermissen. Jetzt, ein gutes Jahr später, wollen 71 Prozent der Befragten einer Civey-Umfrage zufolge die Langzeitkanzlerin nicht mehr zurück. Das hat mit dem neuen Licht zu tun, in dem ihre Russlandpolitik nun erscheint – mehr noch aber dürfte ihr Umgang mit dieser Vergangenheit das Bild trüben.

Fragezeichen warf vor allem Merkels erster Auftritt als Kanzlerin a.D. auf, als sie berichtete, schon 2007 Wladimirs Putins aggressiv-imperiale Denkweise vorgetragen bekommen zu haben. Warum dann diese Politik? Warum die Unterstützung für Nord Stream 2?

Merkel rechtfertigt das zu lapidar mit der fehlenden Akzeptanz für teurere Alternativen zu russischem Gas. Zum Minsker Abkommen steht sie, weil es der Ukraine Zeit verschaffte – ohne darlegen zu können, warum Kiew dann nicht auch verteidigungspolitisch stärker gestützt wurde.

Erst spät erkennt die Exkanzlerin zumindest an, dass sie sich mehr für eine stärkere Bundeswehr hätte einsetzen müssen. Das Maß an Selbstkritik, zu der sie etwa bei der gescheiterten Corona-Osterruhe durchaus in der Lage war, ist jetzt sehr begrenzt. Da hätten sich nicht wenige mehr von ihr erwartet.


Christine Lambrecht (SPD)

Als „erstklassige Verteidigungsministerin“ hat Kanzler Olaf Scholz sie kürzlich bezeichnet. Zumindest auf dem Papier hat Christine Lambrecht tatsächlich mehr für die Bundeswehr erreicht als manch andere, die vor ihr das Amt bekleideten. Sondervermögen, neue Ausrüstung, Kampfjets und Raketenschildprojekte gehen aber vorrangig auf die sicherheitspolitische Gesamtlage zurück, wurden zudem im Kanzleramt ersonnen.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD)

© Imago/Christian Spicker

Eigene Akzente sind bisher kaum erkennbar, der schlussendlich mit ihr ausgehandelte Verteidigungsetat blieb hinter den großen Ankündigungen zurück.

In der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch koalitionsintern, hängen ihr einige unglückliche Auftritte, das Skandälchen um den Hubschrauberflug ihres Sohnes oder die zu Jahresbeginn als wenig empathisch empfundene Ankündigung von Helmlieferungen für die Ukraine nach.

Beim Pannenpanzer Puma hat die Sozialdemokratin zwar schnell und entschlossen reagiert und auch den Konflikt mit der Rüstungsindustrie gesucht. Sie muss 2023 dennoch versuchen, das Bild von der Wackelkandidatin in Scholz‘ Kabinett abzustreifen – mit tatkräftigen Bundeswehrreformen.


Karl Lauterbach (SPD)

Olaf Scholz hatte ihn auch wegen seiner Popularität ins Kabinett geholt. Noch im Januar war Gesundheitsminister Karl Lauterbach der beliebteste Politiker in Deutschland.

Doch damit ist es längst vorbei. Zwar hat Lauterbach eine Vielzahl an Gesetzen auf den Weg gebracht. In der Corona-Politik konnte er sich aber mit seinem vorsichtigen Kurs gegen seinen Kontrahenten, Justizminister Marco Buschmann von der FDP, häufig nicht durchsetzen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

© Imago/Chris Emil Janßen

Lauterbach musste eine Politik verkaufen, an die er nicht glaubte. Und er leistete sich Fehler. Im April etwa beschloss er erst, die Isolationspflicht für Corona-Infizierte abzuschaffen, um die Gesundheitsämter zu entlasten.

Dann machte Lauterbach eine Kehrtwende und kassierte die eigene Entscheidung wieder ein – in der Talkshow von Markus Lanz. Es sollte nicht seine letzte Kommunikationspanne bleiben. 


Susanne Hennig-Wellsow (Linke)

Im Februar 2020 machte sie Schlagzeilen, vielleicht Geschichte: Susanne Hennig-Wellsow warf Thomas Kemmerich, der sich von der AfD zum Ministerpräsidenten hatte wählen lassen, ihren Gratulationsblumenstrauß verächtlich vor die Füße. Kemmerich brachte es dann nur auf 28 Tage im Amt.

Susanne Hennig-Wellsow

© dpa/SZ Photo/Uncredited

Für die Frau mit dem Strauß ging es weiter aufwärts: Als Partei- und Fraktionschefin in Thüringen hatte die ziemlich linke Linke die erste Regierung unter einem linken Ministerpräsidenten, Bodo Ramelow, zusammengehalten.

Im Februar 2021 wurde sie auch Bundesvorsitzende. Ihr traute man zu, die böse zerstrittene Partei zu befrieden. Doch dieses Jahr im April kapitulierte Hennig-Wellsow vor Machtkämpfen, Intrigen und schließlich einem Skandal um sexuelle Belästigung in der Linken. Seitdem ist sie einfache Abgeordnete im Bundestag. Und bisher sehr still.


Stefan Birkner (FDP)

Mit Birkner als Spitzenkandidat ist die FDP bei der Landtagswahl in Niedersachsen im Oktober 2022 an der Fünf-Prozent gescheitert. Als Landesvorsitzender war er für die Niederlage verantwortlich, aber sie war nicht nur sein Versagen. Das Scheitern der FDP in Niedersachsen steht für ein größeres Problem der Partei. Ihre Wählerinnen und Wähler sind unzufrieden mit der Ampel-Koalition.

Stefan Birkner nach der Wahlschlappe seiner FDP in Niedersachsen

© Reuters/Michele Tantussi

Die FDP müsse sichtbarer werden, so lautet die Analyse aus der Partei. Streit mit den Koalitionspartnern Grüne und SPD nehmen die Liberalen dabei billigend in Kauf. In Niedersachsen hat Birkner inzwischen angekündigt, nicht wieder als Landesvorsitzender zu kandidieren. Durch die Zeit der außerparlamentarischen Opposition werden andere die FDP in Hannover führen müssen.


Anne Spiegel (Grüne)

Sie hatte sich viel vorgenommen: Kindergrundsicherung, Frauen vor Gewalt zu schützen, eine Modernisierung des Familienrechts.

Anne Spiegel hätte als Familienministerin der Star der Ampel-Regierung werden können, doch nach nur 124 Tagen war Schluss für die Grünen-Politikerin.

Grünen-Politikerin Anne Spiegel

© Imago/snapshot-photography/F.Boillot

So bleibt vor allem ihr desaströser Auftritt am 123. Tag ihrer Amtszeit, in dem sie unter Tränen den Schlaganfall ihres Mannes und die großen Belastungen ihrer vier kleinen Kinder in der Pandemie öffentlich machte.

Stockend entschuldigte sich Spiegel, dass sie als damalige Umweltministerin von Rheinland-Pfalz nur zehn Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal wegen der familiären Situation in den Urlaub gefahren sei.

Das und selbst peinliche SMS, in denen sie sich um ihr Image sorgte, hätte man ihr wohl verziehen. Doch da hatte sie die Öffentlichkeit und auch ihre Partei schon zu lange bewusst getäuscht. Spiegel trat auf Druck der Parteispitze zurück. Ob sie eine zweite Chance bekommt, wird sich erst noch zeigen.

Hier geht es zu den politischen Gewinnern des Jahres 2022.

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