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Digitalisierung, künstliche Intelligenz - in die Zukunftsarbeit wird zu wenig investiert.

© Fabian Sommer, dpa

Weltwirtschaftsforum: Deutschland Weltspitze bei Innovationen

Eine Studie lobt Deutschland für seine Innovationsfähigkeit. Doch in Wahrheit ist das Honig aus verblühten Landschaften. Ein Kommentar.

Wir sind Innovator! Das attestiert das Weltwirtschaftsforum den Deutschen. Nirgendwo sonst, nicht einmal in den USA, sei die Innovationsfähigkeit besser ausgeprägt.

Können wir uns also zurücklehnen und Strategiepapiere zur Verbesserung der Innovationskraft schreddern, Bildungsinitiativen einstellen, Programme für Forschungstransfers beenden? Keinesfalls. So ermutigend die Studie sein mag, wenn sie Kapazitäten basierend auf Bildung und Erfindungsreichtum betont, sie verschleiert, dass wir derzeit Honig aus längst verblühten Landschaften genießen.

Sind es Mercedes, VW oder BMW, die vorangehen und die Autos der Zukunft bauen? Sind es deutsche Firmen, die auf der Suche nach Lösungen für Energiewende und Klimawandel, die wohl drängendsten Probleme der Menschheit, unternehmerische Risiken einzugehen bereit sind? Stehen deutsche Pharmafirmen an der Spitze der Entwicklung neuer, gar gentechnikbasierter Therapien?

Der Mut ist verloren gegangen

Nein, den Mut, in „Sprunginnovationen“ zu investieren, bringt in Deutschland kaum noch jemand auf. Man redet davon, schmückt seine politische Agenda damit. Aber am Ende krepieren die wirklich großen Ideen in den unendlichen Irrungen und Wirrungen deutscher Bürokratie, politischer Gleichgültigkeit und einer Risikoaversion, die den Deutschen ins Erbgut geschrieben zu sein scheint.

Apropos Erbgut. Natürlich wissen alle, wie zukunftsträchtig die Biowissenschaften, die Erforschung von Genen, Proteinen und Zellen, sind. Und natürlich gründen wir Forschungsinstitute zuhauf, in denen Top-Wissenschaftler jeden Baustein der DNA umdrehen, um die Entstehung von Krankheiten oder die Geheimnisse besserer Erträge von Nutzpflanzen zu ergründen. Doch sobald sich ein paar dieser Forscher ein Herz nehmen und ihr Wissen in neue Therapien, bessere Diagnosen oder widerstandsfähigeres Saatgut verwandeln und damit gar Geld verdienen wollen, wirft ihnen diese Gesellschaft Knüppel zwischen die Beine. Mal sind es absurde Frankenstein-Ängste, auf die Politiker meinen, Rücksicht nehmen zu müssen. Mal ist es reflexartiges Misstrauen, wenn Forschung mit Wirtschaft koaliert. Vor allem aber ist es der Mangel an Risikobereitschaft. Während 2017 in den USA 63,8 Milliarden Euro in Start-ups investiert wurden, waren es in Deutschland kümmerliche 4,3 Milliarden. Es gebe eine „Angebotslücke“, sagt die Bundesregierung, ohne die Ursachen zu beseitigen: Regularien, die Risiko-Kapitalanlagen in Europa schwieriger machen als in den USA.

Know-how wandert ab

Wohin das führt, zeigt das Beispiel einer vor Kurzem zugelassenen neuen Therapietechnik, der RNA-Interferenz. Erdacht und erforscht wurde sie vor etwa 20 Jahren großteils in Göttingen an einem Max-Planck-Institut. Die weltweit erste damit arbeitende Firma gründeten zwei Deutsche in Kulmbach. Doch ihnen ging das Geld aus, das Know-how wanderte in die USA, wo weiter investiert wurde – und nun die Profite gemacht werden. Es gibt viele solche Beispiele. Und es ist bezeichnend, dass einer der wenigen Großinvestoren in die deutsche Biotechszene heute SAP-Mitgründer Dietmar Hopp ist – einer der weiß, das große Sprünge Risikobereitschaft erfordern.

Diesen Mut muss Deutschland insgesamt wieder mehr aufbringen. Und Innovatoren im Geiste von Diesel, Zeiss oder Siemens die Wege wieder ebnen, statt sie zu verbauen.

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