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Dein Handy, meine Waffe. Die Spionagesoftware Pegasus kann alles mitlesen und hören.

© dpa

Weltweiter Missbrauch der Spionagesoftware Pegasus: Warum der Professor sein Handy beim Treffen im Nebenraum versteckt

Jetzt ist es quasi amtlich: Regime missbrauchen das Tool, um kritische Bürger auszuspähen. Der Export muss kontrolliert werden. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Andrea Nüsse

Wenn man sich in Marokko mit dem Geschichtsprofessor Maati Monjib zum Gespräch im Büro traf, wurden alle Handys im Nebenraum gelagert. Selbst ein ausgeschaltetes Handy könne mithören, versicherte Monjib stets. Damals schaute ich noch ungläubig und fand es gruselig, mir vorzustellen, dass mein Handy eine digitale Waffe sein könnte, die gegen mich eingesetzt würde.

Dass sein Handy vom marokkanischen Geheimdienst abgehört wurde, da war sich Monjib sicher: Der Akademiker war und ist in dessen Visier, weil er auch prominenter Menschenrechtler ist und zwischenzeitlich mit einer kleinen Nichtregierungsorganisation Fortbildungen für Journalisten zu Themen wie investigativer Journalismus organisierte. Das war 2013/2014.

Im Oktober 2019 bestätigte Amnesty International, dass Monjib vom Staat nicht nur mit irgendeiner Spionagesoftware abgehört wurden, sondern mit „Pegasus“, jener fast allmächtigen israelischen Spionagesoftware, die es jetzt durch eine Investigativrecherche international in die Schlagzeilen gebracht hat.

Gespräche, Fotos, verschlüsselte Chats, App-Nachrichten, Adressbücher – wie ein Staubsauger holt Pegasus einfach alles aus jedem Handy, ohne dass der Besitzer die aus der Ferne aufgespielte Software bemerkt.

Es handelt sich eben nicht um missliche Einzelfälle, wie das Unternehmen behauptet

Dass es sich nicht um missliche Einzelfälle handelt, wie die israelische Unternehmensgruppe NSO behauptet, die Pegasus 2011 entwickelt hat, deckt nun die Verbundrecherche internationaler Medien in Kooperation mit Amnesty International und der gemeinnützigen Organisation Forbidden Stories auf: Das Gegenteil ist offensichtlich der Fall.

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In Staaten wie Ruanda, Marokko aber auch Aserbeidschan oder Ungarn hat der Staat die Spionagesoftware demnach vor allem gegen unabhängige Journalisten, Menschenrechtler und Anwälte eingesetzt. Laut der französischen Tageszeitung „Le Monde“, haben die marokkanischen Geheimdienste damit aber auch hochrangige Politiker und Journalisten im eigentlich befreundeten Frankreich ausspioniert.

Die israelische Unternehmensgruppe behauptet weiterhin, nur an Staaten zu liefern, die damit Verbrecher und Terroristen überwachen und Anschläge verhindern. Israels Regierung erteilt die Ausfuhrgenehmigungen und hat auch keine Bedenken gegenüber diesen Regimen. Aber jetzt ist es quasi amtlich: Die Software wird ebenso systematisch auch gegen Andersdenkende eingesetzt. Und das kontrolliert niemand.

Welchen Horror das Abhören für die Betroffenen bedeutet, ist schwer zu ermessen: Keine Information, kein Treffen, keine Bewegung ist sicher. Auch Privates wird in autoritären Regimen ja gerne gegen Missliebige verwandt. Man muss sich also immer verstellen, falsche Fährten legen oder ins Exil gehen – wo man dann vor Ausspähung, Entführung oder Ermordung allerdings auch nicht sicher ist. Wie im Fall des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi , dessen Verlobte in der Türkei nach der Recherche vom saudischen Geheimdienst ausgespäht wurde.

So schockierend es ist, es hat auch sein Gutes, dass auch französische Journalisten von Marokko abgehört wurden. Denn so bleibt es keine „interne“ Angelegenheit zwischen repressiven Regimen und ihren eigenen Bürgern. Sondern es betrifft alle. Und bevor die Bundesregierung Ländern wie Marokko wieder Gelder hinterherwirft, sollte sie doch mal fragen, wen der Partner da noch so alles abhört und drangsaliert. Das ist das Mindeste.

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