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Michael Glos: Weggeduckt und abgetaucht

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos steht in der Kritik: Die Krise an den Finanzmärkten und die schwächelnde Konjunktur erfordern die ganze Bundesregierung, tönt es. Doch der Wirtschaftsminister macht sich rar - wie meistens.

Die Finanzkrise tobt und die Wirtschaft leidet: Das politische Berlin ringt mit aller Macht um eine schnelle Lösung, um die Welt des Geldes wieder ins Lot zu bringen und größeren Schaden abzuwenden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) treten im Schulterschluss an, um die Krise zu meistern. Aber fehlt da nicht noch jemand? Lässt man die Riege der Bundesministerinnen und Bundesminister vor dem geistigen Auge vorbeispazieren, bleibt man unweigerlich an einer Person hängen. Ja! Da war doch noch wer. Der Bundeswirtschaftsminister.

Muss der nicht eigentlich auch die Ärmel hochkrempeln und kräftig zupacken, damit die deutsche Wirtschaft im Zuge der Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht den Bach runtergeht? Pustekuchen. Michael Glos (CSU) bleibt wie gehabt in Deckung und rührt sich in seiner Position als Wirtschaftsminister nicht mehr als sonst in regulären Zeiten - in denen er ebenfalls kaum in Erscheinung tritt. Und auch mit der Finanzkrise scheint er nicht viel am Hut zu haben. Am Donnerstag absolvierte er seinen alljährlichen Pflichttermin und verkündete, die Bundesregierung senkt die Konjunkturprognose von 1,2 Prozent auf alarmierende 0,2 Prozent - das war's, weg war er schon wieder. Wie ein Wal im Meer, der nur ab und zu mal an der Oberfläche erscheint.

Dabei ist gerade in derart schweren Krisenzeiten ein Bundeswirtschaftsminister mit Ausstrahlung und Präsenz erforderlich. Einer, der öffentlich wahrgenommen und gehört wird, Optimismus und Vertrauen schaffen kann, meint Experte Horst Tomann, Professor für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte an der Freien Universität Berlin. "Ein Wirtschaftsminister mit dem Format eines Ludwig Erhards, der moralische Überzeugung verbreiten kann, wäre jetzt wünschenswert", so Tomann. Denn genauso wie an den Finanzmärkten, ist auch in der Realwirtschaft die Psychologie von großer Bedeutung.

Nachfolger gesucht: Röttgen oder Koch?

Für sein Verharren in der Deckung in der Krise erntet Glos sowohl von der Opposition als auch aus den eigenen Reihen Spott und Verärgerung. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit fragte nur stichelnd: "Wo ist eigentlich Glos?" Und auch der Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn nannte ihn eine "Schlaftablette auf zwei Beinen" und einen "Null-Bock-Minister", berichtete die "Welt". Der Wirtschaftsminister Michael Glos hat eben keine Lust auf seinen Job, den er 2005 antrat, und machte daraus nie ein Geheimnis. Spätestens im Herbst nach der Bundestagswahl soll endgültig Schluss sein, mit der unliebsamen Position. Glos strebt nach höherem und würde wohl am liebsten stellvertretender Bundestagspräsident werden, schreibt der "Spiegel" in einer Juni-Ausgabe.

Die potentiellen Nachfolger für das Bundeswirtschaftsministerium stehen schon jetzt in den Startlöchern. Zurzeit kursieren vor allem zwei Namen in internen Unionskreisen, weiß die "Süddeutsche Zeitung": Norbert Röttgen und Roland Koch sind demnach ganz versessen auf den Posten. Roland Koch kann mit seiner langjährigen Erfahrung als Ministerpräsident und seinen Fachkenntnissen auftrumpfen, doch unbeliebt machte er sich im Zuge seines aggressiven Auftretens im Hessen-Wahlkampf. Für seine Forderung, kriminelle Ausländer härter zu bestrafen und abzuschieben, erntete er große Empörung. Norbert Röttgen machte auf sich aufmerksam, als er in der vergangenen Woche in einer Bundestagesrede eindringlich darauf verwies, dass in der Finanzkrise das Gemeinwohl oberstes Gebot in diesen schwierigen Zeiten ist. Und übernahm damit eigentlich schon den Job des Bundeswirtschaftsministers.

Irja Most

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