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Der ukrainische Präsident Selenskyj bei einer Videoansprache aus Kiew.

© Ukrainian Presidential Press Service/Handout via REUTERS

Was in der Nacht geschah: Selenskyj misstraut russischen Rückzugs-Signalen

Argwöhnisch beäugt die Ukraine den vorgeblichen russischen Teilabzug. Der Feind befinde sich weiter im Land, warnt der Präsident. Ein Überblick zum Geschehen.

Die russische Ankündigung, die Kampfhandlungen bei Kiew zu drosseln, ist in der Ukraine und im Westen mit Skepsis aufgenommen worden. „Diese Signale übertönen nicht die Explosionen russischer Geschosse“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Nacht zum Mittwoch.

„Die Verteidigung der Ukraine ist unsere Aufgabe Nummer eins, alles andere wird davon abgeleitet“, betonte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.

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Nur auf dieser Grundlage könne mit Russland weiter verhandelt werden. „Der Feind befindet sich weiterhin auf unserem Gebiet“, sagte Selenskyj. Realität sei, dass die ukrainischen Städte weiter belagert und beschossen würden. Daher seien die ukrainischen Streitkräfte „die einzige Garantie für unser Überleben“. Dies sei eine „funktionierende Garantie“.

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Daher sehe die ukrainische Seite keinen Anlass, den Worten von Vertretern eines Staates, die weiter an der Vernichtung der Ukraine arbeiteten, Glauben zu schenken. „Ukrainer sind nicht naiv“, sagte Selenskyj.

USA warnen vor neuer russischer Militäroffensive

Das US-Verteidigungsministerium sieht die russische Ankündigung als taktisches Manöver und warnt vor einer neuen Militäroffensive in anderen Landesteilen.

Pentagon-Sprecher John Kirby sagte, es sei bislang nur zu beobachten, dass sich „eine sehr kleine Zahl“ russischer Truppen nördlich von Kiew von der ukrainischen Hauptstadt wegbewege. „Wir sind nicht bereit, die russische Begründung zu glauben, dass es ein Abzug ist.“

Es sei möglich, dass die Soldaten dort nur abgezogen würden, um in einem anderen Teil der Ukraine, etwa der umkämpften östlichen Donbass-Region, eingesetzt zu werden.

„Wir glauben, dass es sich um eine Repositionierung handelt, nicht um einen Abzug, und dass wir alle vorbereitet sein sollten, eine größere Offensive gegen andere Teile der Ukraine zu erwarten.“

Kiew sieht russischen Truppenabzug nur als Umgruppierung

Die ukrainische Militärführung betrachtet den Abzug russischer Truppen aus den Fronten nördlich von Kiew nur als Umgruppierung. Der „sogenannte Truppenabzug“ sei eher eine Rotation von Einheiten, mit der die ukrainische Militärführung getäuscht werden solle, erklärte der ukrainische Generalstab in der Nacht zum Mittwoch.

Das russische Militär habe einige Einheiten aus der Umgebung von Kiew und Tschernihiw abgezogen, hieß es in dem Lagebericht weiter.

Auch das US-Außenministerium warnte vor einem trügerischen Sicherheitsgefühl in der und rund um die ukrainische Hauptstadt. Russland könne Kiew weiter aus der Ferne mit Raketen beschießen, warnte Pentagon-Sprecher Kirby. „Die Bedrohung für Kiew ist nicht vorbei.“

Nach neuen Friedensgesprächen mit der Ukraine hatte Russland am Dienstag zugesagt, seine Kampfhandlungen bei Kiew und Tschernihiw deutlich zurückzufahren.

Mehr zum Ukraine-Krieg bei Tagesspiegel Plus:

Der russische Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin sagte nach einem Treffen in Istanbul, seine Regierung wolle so Vertrauen aufbauen und weitere Verhandlungen ermöglichen.

London sieht russische Offensive bei Kiew als gescheitert an

Derweil betrachtet die britische Militäraufklärung die russische Offensive zur Einkesselung der ukrainischen Hauptstadt Kiew als gescheitert, wie aus einem Update des Verteidigungsministeriums hervorgeht.

Zudem lasse die russische Ankündigung, den militärischen Druck auf Kiew zu senken, darauf schließen, dass Russland seine Initiative in der Region verloren habe.

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Britische Militärexperten hielten es nun für „höchst wahrscheinlich“, dass Russland seine Kampfkraft aus dem Norden der Ukraine in den Südosten verlege. Dort solle jetzt die Offensive in der Region Luhansk und Donezk verstärkt werden.

USA verlegen weitere Kampfflugzeuge und Soldaten nach Osteuropa

Die US-Streitkräfte verlegen angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine weitere Kampfflugzeuge, Transportmaschinen und Soldaten nach Osteuropa. Eine Einheit von rund 200 Marineinfanteristen aus den USA sei nach einem Manöver in Norwegen nach Litauen verlegt worden, sagte Pentagon-Sprecher Kirby.

Zudem würden aus den USA zehn Kampfflugzeuge vom Typ „F/A-18 Hornet“ und „ein paar“ Transportmaschinen vom Typ „C-130 Hercules“ mit rund 200 dazugehörigen Soldaten nach Osteuropa gebracht.

UN sehen humanitäre Krise in der Ukraine als „Katastrophe auf Katastrophe“

Die humanitäre Krise in der Ukraine als Folge des russischen Angriffskriegs ist nach Ansicht des Chefs des UN-Welternährungsprogramms, David Beasley, „eine Katastrophe auf einer Katastrophe“.

Bereits vor dem Krieg habe es beispielsweise im Jemen oder an einigen Orten Afrikas schlimme Hunger-Krisen gegeben, wo man nur mit großen Mühen ausreichend helfen habe können, sagte Beasley am Dienstag dem UN-Sicherheitsrat in New York. Nun sei die Krise in der Ukraine noch dazugekommen. Das Land sei innerhalb weniger Wochen „vom Brotkorb zu Brot-Schlangen“ verändert worden.

USA warnen vor willkürlichen Festnahmen in Russland

In einer ungewöhnlich harten Reisewarnung hat das US-Außenministerium alle Amerikaner darauf hingewiesen, dass sie bei Reisen in Russland von den dortigen Sicherheitsbehörden festgesetzt werden könnten.

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Angesichts der russischen Invasion in die Ukraine sei „das Potenzial für Belästigung von US-Bürgern“ durch russische Sicherheitsdienste gestiegen, ebenso wie das gezielte Heraussondern und Festsetzen von US-Bürgern, teilte das Ministerium in der Reisewarnung mit.

„Alle US-Bürger, die in Russland wohnen oder reisen, sollten das Land umgehend verlassen“, hieß es.

Das wird heute wichtig

Zu seinem ersten Besuch in China seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ist Außenminister Sergej Lawrow in Tunxi in der südostchinesischen Provinz Anhui eingetroffen.

Anlass sind zweitägige Gespräche über die Entwicklung in Afghanistan, an denen auch Vertreter der USA, der Nachbarstaaten und der seit August herrschenden Taliban-Regierung teilnehmen. Wie die russische Staatsagentur Tass berichtete, plant Lawrow am Mittwoch schon Beratungen mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi.

China gibt Russland im Ukraine-Konflikt politisch Rückendeckung und weigert sich, die Invasion zu verurteilen. Vielmehr stellt Peking die USA und die Nato als Hauptverursacher der Krise dar. Die Spannungen überschatten das erweiterte Troika-Treffen zu Afghanistan, zu dem Gastgeber China neben Russland auch die USA und zusätzlich Pakistan eingeladen hat. Von US-Seite soll der amerikanische Sondergesandte für Afghanistan, Tom West, teilnehmen, hieß es aus Washington.

Außerdem gibt es ein Treffen der Außenminister der Nachbarstaaten Afghanistans, die dann auch mit der Taliban-Regierung zusammenkommen werden. Dazu reist der amtierende afghanische Außenminister Amir Chan Muttaki an. Weitere Teilnehmerländer sind Iran, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.

In Deutschland will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bei einem Spitzentreffen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften an diesem Mittwoch vor allem praktische Fragen der Arbeitsmarktintegration ukrainischer Flüchtlinge lösen.

„Wir haben schon dafür gesorgt, dass diese Menschen mit dem Aufenthaltstitel das Recht haben zu arbeiten“, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Damit dies aber auch tatsächlich möglich ist, müssen jetzt schnell und pragmatisch ganz praktische Fragen gelöst werden.“ (dpa)

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