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Ganz offiziell: Internet-Pranger "Dru Sjodin National Sex Offender Public Website".

© Tso

Leserdebatte: Was halten Sie von der Idee eines Internet-Prangers für Schwerverbrecher?

Bis zu 100 Schwerverbrecher könnten in diesem Jahr freikommen, weil ihre Sicherungsverwahrung nicht verlängert wird. Politiker aus der Union wollen ihre Bilder und Adressen veröffentlichen. Das Vorbild kommt aus den USA. Was halten Sie von einem solchen Internet-Pranger?

Die aktuelle Debatte über den Umgang mit gefährlichen Straftätern ist um einen - nicht ganz neuen - Aspekt reicher: Mehrere Unions-Politiker fordern, Informationen zu Aufenthaltsorten von gefährlichen Straftätern im Internet öffentlich zu machen. Auslöser war ein Urteil des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, das die Verlängerung der Sicherungsverwahrung von 100 Schwerverbrechern für menschenrechtswidrig erklärt hatte. Bis zu 84 Häftlinge könnten in diesem Jahr noch entlassen werden, die restlichen 16 wurden bereits freigelassen.

Die CSU-Politiker Norbert Geis und Joachim Herrmann und der niedersächsische CDU-Mann Reinhard Grindel versprechen sich einen besseren Schutz der Bevölkerung, wenn Namen und Adressen von freigekommenen Straftätern für jeden einsehbar sind. Grindel hatte verlangt, die Polizei sollte im Internet darüber informieren. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft findet die Idee gut. Obwohl es mit der deutschen Rechtskultur nicht zu vereinbaren sei, wolle er "wissen, wenn ein Serienvergewaltiger auf derselben Etage im Wohnhaus meiner Enkelin wohnt". Strafrecht und Politik, so Wendt am Dienstag im Deutschlandfunk, seien zu täterorientiert. "Jeder redet über die Persönlichkeitsrechte der Täter; kein Mensch denkt an die Persönlichkeitsrechte der Opfer."

Sowohl Innen- als auch Justizministerium lehnen einen "Internet-Pranger" jedoch entschieden ab. Das sei "kein gangbarer Weg", befand Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Der CDU-Politiker fordert stattdessen eine so genannte Sicherungsunterbringung für gefährliche Straftäter, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Was der Minister meint: Entlassene Häftlinge sollen in gesicherten Unterkünften einquartiert werden. Im äußersten Notfall sogar unter ständiger polizeilicher Aufsicht.

Ein Internet-Pranger würde den Schutz der Bevölkerung nach Ansicht des Ministers nicht erhöhen. Stattdessen würde der Weg geebnet für „Demonstrationen, Lynchjustiz oder ähnliches“, wie es in den USA schon der Fall war. Dort gibt es seit Jahren Webseiten, auf denen ehemalige Straftäter gesucht und gefunden werden können. Sogar das US-Verteidigungsministerium hat sein eigenes Projekt: die "Dru Sjodin National Sex Offender Public Website", benannt nach dem Opfer eines Sexualmordes. Hier hat man die Möglichkeit, Täterprofile einzusehen und gleich per E-Mail an Bekannte zu verschicken, um sie vor der vermeintlichen Gefahr zu warnen. Eine beliebte Adresse ist auch "family watchdog". Die Plattform nutzt sowohl Informationen aus den Strafregistern der Bundesstaaten als auch nachgeprüfte Hinweise von Privatpersonen.

Diese Sex-Offender-Listen enthalten neben Namen, Adressen, Fotos und Strafregistern der Täter auch Karten der Umgebung, in denen weitere Verbrecher eingezeichnet sind. Der Steckbrief, das Foto - das Ganze erinnert auf makabere Weise schon ein bisschen an Social Networks . Die Seite bietet ihren Usern unter anderem eine Handy-App, einen Newsletter, der über die neusten Zuzüge in der Region des Abonnenten informiert und eine umfangreiche Datenbank, die täglich überarbeitet wird.

Die Idee des Internet-Prangers ist also keinesfalls neu, der Erfolg solcher Portale zumindest zweifelhaft: Aufgrund dieser Informationen gab es schon etliche Fälle von Selbstjustiz aus der amerikanischen Bevölkerung, sogar Morde an gelisteten Tätern. 2005 erschoss ein Mann im US-Staat Washington zwei Kinderschänder - ihre Adressen hatte er aus dem Internet. Ein ähnlicher Fall ereignete sich 2007 in Kalifornien. Ein besorgter Vater tötete einen Sexualstraftäter, der sich nie an Kindern vergangen hatte.

Was halten Sie von solchen Internet-Prangern? Werden die Täter hier zu Opfern? Oder haben Bürger ein Recht zu wissen, wo in ihrer Umgebung ein ehemaliger Schwerverbrecher gemeldet ist? Diskutieren Sie mit!

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