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Schleswig-Holsteins damaliger FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki und der damalige FDP-Spitzenkandidat für die NRW-Wahl Christian Lindner 2012 in Berlin.

© Jörg Carstensen/dpa

Liberalismus: Warum sich die FDP bei der Selbstfindung so schwer tut

Glückwunsch, die FDP wird 70. Doch die Partei ist unter dem Radar: Es fehlt an Köpfen - und an Antworten für die Herzen der Menschen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Löhe

Die CDU wird für ihren Aufbruch gefeiert, die SPD für ihren Niedergang bemitleidet und die Grünen werden wegen ihres Umfragehoch beneidet. Doch mit Blick auf künftige Machtoptionen bleibt die FDP so unsichtbar unter dem Radar wie lange nicht. Genau 70 Jahre nach ihrer Gründung im südhessischen Heppenheim fehlt der Partei auf ihrem Selbstfindungspfad das überzeugende Narrativ: eine Antwort auf die Frage, was heute liberal ist.

Und es fehlen Köpfe, die die liberale Idee vertreten können. Zwar ist es Parteichef Christian Lindner gelungen, nach der Zeit als außerparlamentarische Opposition die Reihen zu schließen. Doch ist die FDP zu sehr auf ihn zugeschnitten. Eigenständige Köpfe in der zweiten Reihe gibt es kaum, vier Fünftel aller Abgeordneten sind Parlamentsnovizen. Auch in den Ländern sind Polit-Schwergewichte Mangelware. Wer kann mit den Namen Joachim Stamp (NRW), Heiner Garg (Schleswig-Holstein) oder Volker Wissing (Rheinland-Pfalz) etwas anfangen? Allein Helmut Markwort verfügt halbwegs über Prominentenstatus.

Kubicki möchte Hofreiter eine knallen

An der Spitze machen derweil Lindner und „enfant terrible“ Wolfgang Kubicki vor allem mit Sticheleien auf sich aufmerksam. Der Vorsitzende rät enttäuschten Unionsanhängern, einfach bei ihm Mitglied zu werden; den Stellvertreter macht Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter so aggressiv, dass er ihm am liebsten „eine knallen“ möchte. Dabei verbindet Grüne und Gelbe mehr, als sie es wollen.

Beide sind Programmparteien, hier Verantwortung und Klimaschutz, da Freiheit und Digitalisierung. Während es die Grünen aber geschafft haben, die Herzen der Menschen anzusprechen, will das der FDP einfach nicht gelingen. Es reicht nicht, unter dem Stichwort Digitalisierung – wie von der FDP vorgeschlagen – Hartz-IV-Bezieher künftig per Skype ins Jobcenter zuzuschalten. In der immer komplexer werdenden Welt suchen die Menschen nicht Selbstverantwortlichkeit, sondern das Gegenteil: Jemand anderes soll ihnen die Welt erklären. Und ihnen die Angst vor der Digitalisierung nehmen.

Außerdem lässt die FDP das Jamaika-Debakel nicht los. Lindners „Nein“ wird eben nicht als Zeichen der Glaubwürdigkeit gewertet, sondern als eines der Unzuverlässigkeit. Erst kürzlich hat eine Allensbach-Umfrage gezeigt: Obwohl die Wähler mit der großen Koalition unzufrieden sind, wünschen sich gerade einmal 20 Prozent stattdessen eine Jamaika-Koalition. Was der FDP heute fehlt? In jedem Fall eine Machtoption.

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