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Platz mit Aussicht. Beim ARD-Sommerinterview vor gut einer Woche gab sich Söder selbstbewusst.

© IMAGO/Political-Moments

Er wettert gegen „Umerziehung“ und „Bayern-Bashing“: Warum Markus Söder jetzt wieder auf Krawall setzt

Nach der Wahlniederlage der Union war es auch um Markus Söder ruhig geworden. Doch 2023 muss er sein Amt verteidigen. Der Wahlkampf läuft schon auf Hochtouren.

Markus Söder steht mit einer Hand in der Hosentasche auf dem Dach der bayerischen Staatskanzlei in München. Er trägt einen Trachtenjanker, schaut lächelnd von oben herab in die Kamera, im Hintergrund glänzt eine Solaranlage. Es ist ein Foto, das alles ausstrahlen soll, was Söder gerne darstellen will: modernen Konservatismus, Heimatverbundenheit, Selbstbewusstsein, Macht. Und es ist ein Foto, das am Wochenende ein krawalliges Interview garnierte.

In der „Bild“-Zeitung warf der bayerische Ministerpräsident der Ampel „Umerziehung“ der Bevölkerung vor. „Die gesellschaftliche Zeitenwende der Ampel richtet sich gegen die Mehrheit der Normalbürger. Es geht immer um Zwang statt um Freiheit“, wütete er. Und er schimpfte, die Ampel sei ein „norddeutsches Konstrukt“, vernachlässige den Süden.

Das Bild, die schlagzeilenträchtigen Sätze, all das verfolgte vor allem einen Zweck. Es sollte die Botschaft senden: Ich bin zurück! Schon in den vergangenen Wochen hatte die Frequenz der Söder-Äußerungen zugenommen, aber dieses Interview war nun pünktlich vor der Klausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag in dieser Woche der große Aufschlag – Aufmerksamkeit garantiert.

Nach der krachenden Wahlniederlage der Union bei der Bundestagswahl und dem desaströsen Wahlergebnis für die CSU in Bayern von 31,7 Prozent war Söder zunächst auf Tauchstation gegangen. Das bundesweite Interesse an ihm hielt sich ebenfalls in Grenzen. Doch 2023 steht die Landtagswahl in Bayern an und Söder muss sein Amt verteidigen. Dazu braucht er die große Bühne.

Söder stichelte gegen Laschet, immer wieder

In der Coronakrise war Söder zwischenzeitlich durch geschickte Eigenvermarktung und einem harten Kurs im selbsternannten „Team Vorsicht“ in Umfragen in ungeahnte Höhen aufgestiegen. Obwohl er immer betont hatte, sein Platz sei in Bayern, liebäugelte er immer offener mit einer Kanzlerkandidatur, gab schließlich bekannt, er stehe zur Verfügung. Doch die CDU verweigerte ihm diese Chance. Söder musste anerkennen: „Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union.“

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Damit hätte er es bewenden lassen können, hätte darauf setzen können, dass allein der Vergleich mit dem glücklosen Laschet ihn selbst umso heller strahlen lassen würde. Doch Söder stichelte gegen Laschet, immer wieder, mal gönnerhaft, mal herablassend, das Verhältnis zwischen CDU und CSU erreichte einen Tiefpunkt. Am Ende musste sich Söder vorwerfen lassen, die Union habe die Wahl auch wegen ihm verloren.

In der Folge hielt der Franke den Ball einigermaßen flach, er war wieder nur bayerischer Ministerpräsident. Denn auch daheim hat er einiges aufzuholen. In Bayern war Söders Knallhart-Coronakurs weit weniger gut angekommen als im Rest Deutschlands. Und sein Annäherungskurs an die Grünen stieß bei den Parteianhängern nicht nur auf Gegenliebe. Im April fielen seine Zustimmungswerte laut einer Umfrage der „Augsburger Allgemeinen“ auf den tiefsten Stand seit seinem Amtsantritt im März 2018. Die Hälfte der Befragten zeigten sich unzufrieden mit ihm.

Dazu kamen Ärgernisse wie das Generalsekretärs-Debakel: Gerade mal für drei Monate war Stephan Mayer Generalsekretär der CSU, dann musste er zurücktreten, weil er einen Journalisten angeschrien und bedroht haben soll. Und kaum war der Nachfolger Martin Huber präsentiert, spürte ein Plagiatsjäger in dessen Doktorarbeit eine ganze Serie wörtlicher Zitate auf, die nicht sauber ausgewiesen waren.

Söder will jetzt keinen Zweifel mehr lassen, wo sein Platz ist

In Umfragen steht die CSU aktuell noch immer nur bei 37 Prozent – exakt da, wo sie bei der letzten Landtagswahl gelandet war und von wo aus Söder die Partei eigentlich wieder zurück in alte Höhen führen wollte. Er weiß: Wenn er bei der Landtagswahl 2023 nicht liefert, sieht es düster für ihn aus. Und so ist der Franke jetzt ein Getriebener. Er befindet sich schon seit einiger Zeit im Wahlkampfmodus. „Markus Söder lässt gerade kein Bierfass unangezapft, kein Grußwort ungehalten“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ vor wenigen Tagen über ihn. Auf Instagram kann man Söder dabei verfolgen. „Heute Festumzug 1250 Jahre Gemeinde Nüdlingen in Unterfranken“, ist da zu lesen, Bilder von einem winkenden Söder auf der Straße, gefolgt von einem Blasorchester.

Söder will jetzt keinen Zweifel mehr daran lassen, wo sein Platz ist. Ein erneutes Bemühen um die Kanzlerkandidatur schließt er aus. Von seinem Knallhart-Coronakurs ist nichts mehr übrig, er hat die FFP2-Maskenpflicht im bayerischen Nahverkehr abgeschafft. Und er setzt auf Themen, die auch am Stammtisch funktionieren: Er fordert eine Verlängerung der Atomkraftnutzung, beklagt ein Bayern-Bashing durch die Regierung in Berlin und geißelt in der „Bild“ die angebliche „Umerziehung“ durch die Ampel. „Es ist falsch, Gendern zwanghaft zu verordnen. Es ist falsch, staatliche Vorgaben zur Ernährung zu machen“, erklärte er und unterstellte der FDP, „linke Politik“ mitzutragen. „Wo hat die FDP neuen Vorschriften zu ,gendern’ oder ,Ernährung’ zugestimmt? Das ist ,Schmarrn’, wie man in Bayern sagt!“, empörte sich prompt Justizminister Marco Buschmann von der FDP.

An diesem Mittwoch und Donnerstag nun ist die CSU-Landesgruppe im Bundestag zur Klausur im bayerischen Kloster Banz, auch Söder und CDU-Chef Friedrich Merz sind vor Ort. Zuvor ließ die Landesgruppe wie üblich das Positionspapier durchsickern, das dort beschlossen werden soll. Doch die große Aufmerksamkeit hat erstmal Söder bekommen. Es läuft also nach Plan.

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