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Israels Verteidungsminister Benny Gantz erhebt schwere Vorwürfe gegen die NGOs.

© Emanuel Dunand/AFP

Vorwurf Terrorfinanzierung: Warum Israel gegen palästinensische Organisationen vorgeht

Israel stuft sechs palästinensische Nichtregierungsorganisationen als „terroristisch“ ein – Menschenrechtsaktivisten sind empört, die USA irritiert.

Menschenrechtsaktivisten oder Terrorhelfer? Die Entscheidung der israelischen Regierung, sechs palästinensische Aktivistengruppen als Terrororganisationen einzustufen, führt zu politischem Unmut – auch in Israel selbst.

Vor einigen Tagen hatte Israels Verteidigungsminister Benny Gantz die Entscheidung publik gemacht. Die sechs Organisationen hätten allesamt die Volksfront zur Befreiung Palästinas unterstützt, sagte er zur Begründung.

Die 1967 gegründete Volksfront, auch unter ihrem englischem Akronym PFLP bekannt, wird von Israel, der Europäischen Union und den USA als Terrororganisation gelistet. Ihre Ideologie vereint marxistische und nationalistische Elemente, ihr Ziel ist die „Befreiung ganz Palästinas“ – wenn nötig, mit Gewalt.

Auf ihr Konto gehen etliche Flugzeugentführungen und Attentate, darunter die Entführung der „Landshut“ im Jahr 1977 mit Unterstützung der Roten Armee Fraktion.

Die sechs palästinensischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die nun im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, hätten „unter dem Deckmantel zivilgesellschaftlicher Organisationen“ agiert, erklärte Gantz, sie gehörten in Wahrheit jedoch zur PFLP, „deren Haupttätigkeit die Befreiung Palästinas und die Zerstörung Israels ist“.

Die "Volksfront zur Befreiung Palästinas" bekämpft den Staat Israel mit allen Mitteln.

© Mohammed Salem/Reuters

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Bei den NGOs handelt sich um Addameer, Al-Haq, Bisan Center, Defense for Children International-Palestine, Samidoun und Union of Agricultural Work Committees (UAWC). Die bekannteste von ihnen, Al-Haq (Das Recht), dokumentiert mutmaßliche Menschenrechtsverstöße von Seiten Israels im Westjordanland und Gaza.

Addameer (Das Gewissen) unterstützt Palästinenser in israelischen Gefängnissen, die die NGO als politische Häftlinge bezeichnet. Sie alle werden oder wurden von westlichen Ländern und Organisationen gefördert. Addameer zum Beispiel erhält seit 2012 finanzielle Hilfen von der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht.

Israel wirft den NGOs vor, Spendengelder an die PFLP weiterzuleiten. Ein Teil des Geldes soll an Familien getöteter Attentätern fließen, ein anderer in die Verbreitung terroristischer Ideologien. Von nun an soll jegliche Aktivität der sechs Gruppen in Israel unter Strafe stehen.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden erwartet von Israel Aufklärung.

© Adam Schultz/imago/Zuma Wire

Der Schritt provoziert seit Tagen scharfe Kritik von verschiedenen Seiten. Das palästinensische Außenministerium bezeichnete ihn als „strategischen Angriff auf die palästinensische Zivilgesellschaft“. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, verurteilte jüngst die Entscheidung als „Angriff auf Verteidiger der Menschenrechte“.

Auch linke Aktivisten innerhalb Israels begehrten auf. Es handele sich bei den betreffenden Gruppierungen „unzweifelhaft“ um „Menschenrechtsorganisationen“, schrieb Moria Shlomit, Direktorin der NGO Parents Against Child Detention, die sich für die Rechte palästinensischer Minderjährige in israelischer Haft einsetzt, am Mittwoch in der linksliberalen Zeitung „Haaretz“.

Mit einer von ihnen, Defense for Children International Palestine, arbeite ihre eigene NGO seit Jahren vertrauensvoll zusammen. „Diese fast heilige NGO als Terrororganisation einzustufen“, sei eine „intolerable und unverzeihliche Verrücktheit“.

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ere israelischen Partner derzeit um weitere Informationen über die Grundlage für die (Terror)-Einstufungen“, sagte Ned Price, Sprecher des US-Außenministeriums, kürzlich. Die Israelis hätten die Regierung von Präsident Joe Biden im Vorfeld nicht über den geplanten Schritt in Kenntnis gesetzt.

Um die Wogen zu glätten, will Israel nun eine Delegation nach Washington schicken, die der US-Regierung handfeste Beweise für die terroristischen Aktivitäten der Organisationen vorlegen soll, darunter israelischen Medienberichten zufolge Tonaufnahmen und Rechnungen.

„Die Beziehungen zu den Amerikanern sind wichtig“, sagte Joshua Zarka, ein Vertreter des israelischen Außenministeriums, am Dienstag dem Armeeradio. „Wir möchten nicht, dass sie das Gefühl haben, sie seien nicht unsere Partner.“

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