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Benny Gantz ist es nicht gelungen, eine tragfähige Koalition zu zimmern.

© Jack Guez/AFP

Wahlen in Israel: Warum Herausforderer Gantz gegen Netanjahu nicht punkten kann

Ein ruhiger, konsensbereiter Teamplayer - das zeichnet Ex-General Benny Gantz aus. Doch reicht das, um Israels ehrgeizigen Premier Benjamin Netanjahu abzulösen?

Bald ein Jahr ist es her, dass Benny Gantz den israelischen Wählern ein Versprechen gab. Würden sie ihm, dem früheren Armeechef und Politneuling, den Weg ins Amt des Regierungschefs bahnen, etablierte er eine neue politische Kultur: einend statt spaltend, redlich statt korrupt. „Ich danke dem Premierminister Benjamin Netanjahu für seinen Dienst über zehn Jahre“, sagte er in seiner ersten politischen Rede. „Ab jetzt übernehmen wir.“

Elf Monate später lässt der Machtwechsel auf sich warten. Zwar ging Gantz’ zentristische Blau-Weiß-Partei aus der Wahl im September als stärkste Kraft hervor. Dennoch gelang es ihm nicht, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Nach dem Scheitern der Verhandlungen geht Israels Politspektakel deshalb in die nächste Runde: Anfang März findet die nächste Parlamentswahl statt, die dritte in einem Jahr. Eine weitere, vielleicht die letzte Gelegenheit für Gantz, sein Versprechen wahr zu machen.

Viele Beobachter waren sich damals einig: Der heute 60-Jährige Politneuling habe kaum eine Chance – zu übermächtig schien sein Gegner. Benjamin Netanjahu gilt selbst unter seinen Kritikern als größtes Polittalent seiner Generation. Ex-Militär Gantz dagegen wird als Mann der Streitkräfte zwar respektiert.

Doch ihm fehlen Erfahrung, Netanjahus Charisma und, so unkten Gegner wie Anhänger, dessen unbedingter Machthunger.

Bei öffentlichen Auftritten gibt sich Benny Gantz als Mann des Volkes, bescheiden, nahbar, zuweilen selbstironisch. „In vielen Aspekten ist Benny die Antithese zu Netanjahu“, sagt der Blau-Weiß-Abgeordnete Chili Tropper, der als einer von Gantz’ engsten Vertrauten gilt.

Bringen die nächsten Wahlen die Wende?

„Netanjahu ist charismatisch, ehrgeizig, ein Solo-Spieler. Benny ist ruhiger, moderater, ein Teamplayer.“ Anders als die Skeptiker sieht Tropper darin einen Vorteil. Viele Israelis, glaubt er, hätten die bombastische Selbstinszenierung Netanjahus satt.

Tatsächlich zeigen jüngste Umfragen, dass Gantz sich in der öffentlichen Wahrnehmung als ernsthafter Kandidat etabliert hat. Bei der Frage, wer sich am besten als Premier eignet, liegt er nun gleichauf mit Netanjahu. „Lange Zeit kamen Netanjahus Herausforderer nicht mal auf die Hälfte seines Wertes“, sagt die Politikwissenschaftlerin Gayil Talshir von der Hebräischen Universität in Jerusalem. „Gantz hat einen weiten Weg zurückgelegt.“

Premier Benjamin Netanjahu ist nicht bereit zurückzutreten - auch wenn er sich vor Gericht wegen Korruption verantworten muss.
Premier Benjamin Netanjahu ist nicht bereit zurückzutreten - auch wenn er sich vor Gericht wegen Korruption verantworten muss.

© Gali Tibbon/Reuters

Doch noch nicht weit genug. Zwar errang seine Blau-Weiß-Partei bei der September-Wahl einen Sitz mehr als Netanjahus konservativer Likud. Aber der Block aus rechts-religiösen Parteien, die Netanjahu hinter sich vereint, ist stärker als die Mitte-links-Parteien, die Gantz unterstützen. Um den Premier abzulösen, müsste Gantz mindestens eine Partei aus dem rechten Lager zum Überlaufen bewegen.

„So lange Netanjahus Block mehr Mandate hat, bleiben sie bei ihm“, sagt Tropper. „Aber das könnte sich bei der nächsten Wahl ändern.“ Im November hatte Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit verkündet, Netanjahu wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Untreue anzuklagen. Tropper hofft, dass genügend enttäuschte Likud-Wähler am Wahltag zu Hause bleiben – und Blau-Weiß-Anhänger umso motivierter zu den Urnen strömen.

"Alles, nur nicht Bibi"

Netanjahus Stärke ist zugleich Gantz’ Stärke. Viele seiner Anhänger begründen ihre Wahl so: „Alles, nur nicht Bibi.“ Doch die Antithese Netanjahus zu verkörpern, ersetzt kein politisches Programm. Zwar hat Gantz viele mehrheitsfähige Ideen. So will er stärker in Bildung und Gesundheit investieren.

Bei kontroversen Fragen wie der Zwei-Staaten-Lösung hält er sich aber bedeckt. „Sein Konzept besteht darin, einen möglichst großen Konsens abzubilden, weder links noch rechts“, sagt Politologin Talshir. „Aber so funktioniert Politik nicht. Irgendwann muss er sich festlegen: Will er Verhandlungen mit den Palästinensern, wie reagiert er auf Raketen aus Gaza? Das wird der wahre Test für ihn."

Mareike Enghusen

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