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In der Mitgliederbefragung konnte sich Friedrich Merz klar gegen seine Konkurrenten Helge Braun und Norbert Roettgen durchsetzen.

© imago images/Reiner Zensen

Der Triumph des langen Fritz: Warum der vermeintlich ewig Gestrige endlich der Richtige sein könnte

Kramp-Karrenbauer und Laschet brachte ihr Spitzenamt bei der Union wenig Glück. Es spricht viel dagegen, dass auch Merz daran scheitern wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Was läuft denn da für ein Film? CDU-Parteivorsitz, Klappe, die dritte: Friedrich Merz. Jetzt ist er raus aus der Kulisse, als der nächste Hauptdarsteller. Und, wird er genau so schnell an der Rolle scheitern wie die beiden anderen vor ihm, Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet? Viel spricht fürs Gegenteil.

Den Versuch ist es der CDU jedenfalls  wert. Denn während Kramp-Karrenbauer und Laschet eher mühselig ins Spitzenamt kamen, von den Funktionären gegen Merz gestützt, hat der nun die große Mehrheit der Mitglieder hinter sich. Die Ära Merkel ist damit endgültig abgeschlossen. Immerhin ist in Merz genau der gewählt worden, den die Altkanzlerin und langjährige Vorsitzende in diesem Amt niemals sehen wollte.

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Der erste, wenn auch kleine Triumph des langen Fritz. Das erinnert an den Gassenhauer: Mit 66 Jahren fängt das Leben an… Zumindest dieses Parteileben.

Und genau darum geht’s, das ist einer der tieferen Gründe für die Merz-Wahl: Die CDU will sich wieder (bedeutsamer) fühlen dürfen, will wieder sie selbst sein, sozial, liberal, aber eben nicht zuletzt konservativ; will im Politikspektrum aus sich selbst heraus etwas gelten und darstellen, und nicht bloß das Anhängsel einer Regierung.

Merz emotionalisiert und vitalisiert die CDU

Das strahlt Merz wie kein Zweiter aus. Ja, er hat Schwächen. Hat manchmal dummes, gestriges Zeug geredet, über Frauen zum Beispiel. Das wissen sie in der CDU. Aber er emotionalisiert und vitalisiert sie. Merz ist auch schon gar nicht mehr so erzkonservativ, wie seine Gegner außerhalb der CDU ihn gerne hätten.

Die kontroversen Töne sind leise(r) geworden. Die Ideen des Merz: Ausgerechnet der „Mann des Kapitals“ stärkt das Soziale, holt einen dafür ausgewiesenen Generalsekretär, Mario Czaja. Die sozialen Sicherheitssysteme werden mit dem jedenfalls nicht geschleift werden.

Oder: Der „Mann aus den 90ern“, der vermeintlich unverbesserliche Gestrige, sagt auf die Frage, ob auch unverheiratete gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen sollten: „Spricht aus meiner Sicht nichts dagegen.“ Frauenquote in der CDU? Will Merz auch einführen, halt nur mit dem leise Konservativen Zusatz, „wenn uns nichts besseres einfällt“.

Dabei weiß er doch: wird es nicht. Schon bei der Zeremonie zur Verkündung des Mitgliedervotums war Merz bemüht, ein neues Bild von sich zu zeichnen. Kein Triumphalismus, ein eher sachtes „Wow“ war seine Reaktion. Jedenfalls will er das „Zerrbild“ von sich „Schritt für Schritt“ korrigieren, darum „den einen oder anderen Vorschlag machen“, den man von ihm vielleicht am wenigsten erwartet.

Der Konservative kann umso besser Brücken in die Modernität schlagen

Das klingt schon nach einem Plan, womöglich wird daraus sogar eine Strategie: Gerade der, dessen konservative Grundhaltung nicht in Zweifel steht, kann deshalb umso besser Brücken in die Modernität schlagen und dabei die CDU mitnehmen.

Nach dem Motto: Mit Merz wird es schon nicht so schlimm kommen. Das wird sogar Teilen der Schwester CSU gefallen, deren vormaliger großer Vorsitzender Franz Josef Strauß - bis heute verehrt - die Meinung populär machte, dass der Konservative an der Spitze des Fortschritts marschieren müsse, um Tempo und Richtung zu bestimmen.

Was außerdem daran erinnert, dass auch nur ein Sozialdemokrat die harte sozialreformerische Agenda 2010 durchsetzen konnte. Kann also doch sein, dass wir uns noch wundern werden. Zumindest einer baut auch schon mal vor: der neue SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil.

Eine CDU in Form führt zu einer stärkeren Union

Der greift Merz, noch nicht im Amt, sofort an, versucht ihn als einen von Gestern für eine Politik von gestern zu labeln. Das klingt vorsorglich. Und richtig: Eine CDU in Form führt zu einer stärkeren Union, die dann leicht wieder stärker werden kann als die SPD.

Das gilt immer noch, dem jüngsten Wahlergebnis zum Trotz; unüberwindbar groß ist der Abstand zur SPD ja nicht. Außerdem braucht es im Parteienspektrum und fürs Kräfteparallelogramm der Demokratie einen Gemäßigten auf der rechten Seite. Einen rechts der Mitte. Einen, der auch noch dazulernt.

Wenn die Republik den nicht hat, kann es auch bitter werden. Da braucht’s rechtsaußen dann nur einen wie Trump, einen redebegabten Aufwiegler mit gefährlicher Ausstrahlung, und die Republik gerät aus dem Gleichgewicht.Gut möglich, dass in drei Monaten, in sechs Monaten von heute viele sagen werden: Haben wir es doch immer gewusst - dass die CDU mit Merz an der Spitze aufatmet, auflebt.

Und dann wird die Aufgabe der Führung der selbsternannten „Volkspartei der Mitte“ - die die Integration all derer einbezieht, die nicht so denken wie er - ja wiederum ihn erziehen. Das Amt erzieht schließlich den Inhaber, im besten Fall. Da wäre Friedrich Merz nicht der erste, dem es so geht. Das wäre ein bisschen wie im Film.

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