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IN London sind Bars und Restaurants wieder offen.

© imago images/ZUMA Wire

Warten auf post-pandemische Zeiten: Die Impffortschritte lassen Hoffnungen sprießen – zu früh?

Geduld, noch etwas Geduld! So lautet die Botschaft der Epidemiologen und Mediziner. Sie sollte gehört werden. Alles andere wäre fahrlässig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Auf den Straßen von New York oder Tel Aviv wirkt das Leben schon wieder fast normal. Ein Großteil der Bevölkerung ist gegen Corona geimpft, mehr Bewegung wird möglich, mehr Freiheit. In Tel Aviv sind die Masken gefallen. In Manhattan rauscht der Applaus in den Theatern, in Brooklyn öffnen Bars und Restaurants bis Mitternacht. Gut, Alkohol darf nur mit Mahlzeiten serviert werden, und erlaubt sind nur halb so viel Gäste als möglich. Doch damit lässt sich’s leben, fast wieder normal.

So kündigt sich eine postpandemische Ära an, ein kräftiger Hauch davon jedenfalls. Und hier? Auch hier im Land steigt die Impfkurve, sinkt die Todesrate und taucht die Hoffnung auf am Horizont. Ausgerechnet jetzt aber werden neue bundeseinheitliche Regeln für Maßnahmen beschlossen und warnen Ärztinnen und Ärzte besonders laut.

Sie verderben die gute Laune mit Verweis auf die Statistiken: mehr Neuinfektionen, steigende Inzidenz, Intensivmedizin am Limit – siehe die Titelseite unserer heutigen Zeitung.

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Lockdown oder Hoffnung, Dichtmachen oder Lichtanmachen sind aber nicht Alternativen, sondern einander bedingende Teile desselben Geschehens. Je eher die Inzidenz gedrosselt und je rascher geimpft wird, desto eher kann gewohnte Geselligkeit in die Gesellschaft zurückkehren.

Jetzt noch die Kliniken zu überfüllen, auf dem letzten Kilometer vor dem Impfschutz vieler, gleicht einem Frevel gegen den Fortschritt. Es vergrößert die Tragödie jedes einzelnen Falls, der wider besseres Wissen, rein durch Leichtsinn provoziert wird.

Nein, eine Apokalypse ist das nicht

Ja, um die gefährdeten Lebenden leben zu lassen, werden demnächst wohl wieder tausende Schulen für Tage oder Wochen die Tore schließen, Kinder werden vor Bildschirmen auf Matheformeln blicken, und Eltern sich die Haare raufen. Kinos und Cafés werden geschlossen bleiben. Nochmal, noch einmal eine Zeitlang. Und nein, eine Apokalypse ist das nicht.

[Lesen Sie auch: Jung, gesund und trotzdem geimpft – die drei legalen Tricks der Ungeduldigen (T+)]

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Neue emotionale Milieus sprießen mittlerweile, diagonal zu allen alten. Auf der einen Seite versammeln sich die Lockerungs-Leute, die Corona satthaben und am liebsten sofort zurück wollen auf die Bühne oder ins Büro. Auf der anderen Seite verbarrikadieren sich die Lockdown-Leute, die am liebsten die Kinder, diese munteren Mini-Spreader, nicht nur aus den Schulen, sondern noch von den Spielplätzen und überhaupt aus dem Blickfeld verscheuchen möchten.

Aus Namen von Protagonisten werden Parolen gebacken: Boris Palmer! Karl Lauterbach! Die einen meinen es gut mit uns, die anderen wollen uns einsperren. Weder die eine noch die andere suggestive Deutung kommt der Realität nahe.

Palmers Experiment der Test-City Tübingen war sinnvoll und gut, doch es hat seine Grenzen da, wo keine sind: Eine Stadtmauer wie im Mittelalter kann niemand um seine Stadt herum ziehen. Kein Ort der Welt ist ein autarkes Kloster, völlige Abschottung gibt es nicht. Hilfreich sein können nur kollektive Anstrengungen.

So sah es 2014 in Berlins Straßen aus - so könnte es bald, bald, bald auch wieder sein. Aber jetzt noch nicht.
So sah es 2014 in Berlins Straßen aus - so könnte es bald, bald, bald auch wieder sein. Aber jetzt noch nicht.

© Paul Zinken / picture alliance / dpa

Wenn die Mutanten kommen, ist nicht alles vergebens

Gern wird klagend gefragt: Was macht die Pandemie mit uns? Sinn ergibt sich umgekehrt: Was machen wir mit der Pandemie, was gegen sie, für uns? Ach, rufen die Lockerer, und dann kommen die Mutanten, das hört doch nie auf! Falsch. Wenn die Mutanten kommen, drehen sie keinen Sci-Fi-Film. Dann werden Impfstoffe modifiziert, Produktion und Logistik sind routinierter, Erfahrung wird zur Hand sein, die Gefahr rascher gebannt.

[Lesen Sie auch: Corona-Impfungen – die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick]

Zunächst aber muss uns die Gegenwart kümmern. Das Virus ist mobil, wo immer Menschen mit dem Virus mobil sind. Das Virus steht still, wo Menschen stillstehen, innehalten, sich der Vernunft öffnen.

Geduld, noch etwas Geduld! So lautet die klare Botschaft der Epidemiologen, Virologen, Mediziner, und es sind nun mal die Ausgebildeten, die fachlichen Ausblick und soziale Einsicht vermitteln. Am Abend Theater oder Restaurantbesuch genießen, große Geburtstagsfeste feiern – all das wird erst dann wirklich entspannend, wenn von draußen keine Sirenen von Rettungswagen ertönen. Dann erst schmeckt der Aperitif nach Freiheit.

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