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Selbstmordattentäter. Um 22.19 Uhr zündete Gundolf Köhler 1,39 Kilo TNT. Obwohl es Spuren ins rechtsradikale Milieu gab, sprachen die Behörden stets von einem Einzeltäter.

© Frank Leonhardt, p-a/dpa

Grüne und Linke klagen in Karlruhe: Waren V-Leute in das Oktoberfest-Attentat 1980 verwickelt?

35 Jahre nach dem Attentat auf das Münchner Oktoberfest ist weiter unklar, inwiefern V-Leute in den Anschlag verwickelt waren. Um die Regierung zur Herausgabe von Informationen zu zwingen, haben Grüne und Linke nun beim Bundesverfassungsgericht Organklage eingereicht.

13 Tote, mehr als 200 Verletzte - das war die tragische Bilanz des Oktoberfest-Attentats in München vor 35 Jahren. Auch der Attentäter Gundolf Köhler, ein Rechtsextremist, kam durch die Bombe ums Leben. Ein Einzeltäter? Die Bundesanwaltschaft hat Ende 2014 Ermittlungen zu möglichen Hintermännern aufgenommen. Bis heute gibt es den Verdacht, V-Leute der Sicherheitsbehörden könnten von den Plänen gewusst haben. Doch die Bundesregierung schweigt sich dazu aus. Jetzt haben Grüne und Linke beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Organklage eingereicht. Sie halten der Regierung vor, ihre Informationspflicht gegenüber dem Parlament verletzt zu haben.

Die Opposition hatte Anfragen eingereicht, doch die Bundesregierung schweigt

Die Opposition hatte versucht, mit Kleinen Anfragen Näheres zu V-Leuten im Zusammenhang mit dem Attentat zu erfahren. So soll Attentäter Köhler mit der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ zu tun gehabt haben, einer militärisch-extremistischen Verbindung, die im Jahr des Anschlags, 1980, verboten wurde. Am Tatort wurden damals angeblich Mitglieder gesichtet, auch gab es andere Quellen dafür, dass die Gruppe in den Anschlag verwickelt gewesen sein soll. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz soll sich einen V-Mann in der Gruppe gehalten haben. Ein weiterer Neonazi, der Waffen und Sprengstoff lagerte, soll ebenfalls Kontakte zum Verfassungsschutz gehabt haben. Er hatte sich in der Untersuchungshaft erhängt. Die Grünen wollten unter anderem bestätigt wissen, ob auch der Mann mit dem Waffenlager ein V-Mann war.  Die Bundesregierung verweigerte die Auskunft jedoch. Die Information könne das Staatswohl gefährden, hieß es. Einzelheiten zu V-Mann-Einsätzen könnten Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten zulassen, selbst wenn die Vorgänge lange her seien.

Ähnlich erging es einer Anfrage der Linksfraktion, die sich unter anderem nach „Quellenmeldungen“ beim Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat erkundigte.  Wieder wurde die Auskunft verweigert. „Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre“, hieß es. Die Opposition hält diese Erklärungen der Bundesregierung für Ausflüchte. In ihrer Klageschrift, verfasst vom Karlsruher Rechtsprofessor Matthias Bäcker, verweist sie auf die Kontrollpflichten des Parlaments. Staatswohl allein sei kein Argument, meint Bäcker, und: „ In einem demokratischen Rechtsstaat kann  auch die verdeckte Aufklärungstätigkeit der Sicherheitsbehörden nicht vollständig im Dunkeln bleiben.“

Rechtsprofessor Bäcker spricht von "übertriebenem Quellenschutz"

Das Staatswohl sei zudem nicht nur der Regierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut. Das pauschale Nein der Exekutive rügt Bäcker als „formelhaft und unspezifisch“. Es gehe um historische Vorgänge und verstorbene Personen. Jedenfalls sei es für den Bundestag „von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Aufklärungstätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, die ihm eine politische Kontrolle dieser Tätigkeit und der Haltung der Bundesregierung dazu ermöglichen.“ Damit schlägt Bäcker die Brücke zum Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall der NSU-Verbrechen, die auch auf „übertriebenen Quellenschutz“ zurückzuführen sei.  Bedeutung könnte das Verfahren auch für das Vorhaben der Bundesregierung bekommen, erstmals das V-Mann-Wesen gesetzlich zu regulieren. Dazu hat die Bundesregierung im April einen Gesetzentwurf eingebracht. „Eine politische Bewertung dieses Entwurfs aus Sicht der parlamentarischen Opposition, eine Debatte darüber in der Öffentlichkeit und alternative Regelungsvorschläge setzen voraus, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar sind“, schreibt der Jurist.

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