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Innere Sicherheit könnte bei Koalitionsverhandlungen ein heikler Punkt werden.

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Wahlprogramm-Check: Wo die Streitpunkte bei der Inneren Sicherheit liegen

Die Pläne der Parteien für die Innere Sicherheit bergen Konfliktstoff für mögliche Koalitionsverhandlungen - vor allem zwischen Union und Grünen. Eine Analyse.

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Das dürfte Ärger geben. Sollten die Grünen nach der Bundestagswahl mit der Union über eine Koalition verhandeln, wären harte Gespräche über die innere Sicherheit der Bundesrepublik zu erwarten. Was den Grünen vorschwebt, wird mit CDU und CSU nicht zu machen sein. Die Ideen in den Wahlprogrammen von Ökopartei und Union liegen weiter auseinander als bei anderen denkbaren Partnern einer Regierungskoalition. Das zeigt sich, legt man die Aussagen der im Bundestag vertretenen Parteien zum Thema Innere Sicherheit nebeneinander.

So wollen die Grünen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) – ein zentrales Element der Sicherheitsarchitektur – zerschneiden. Viel Vertrauen sei verspielt worden, von einem nötigen „strukturellen Neustart“ ist im Wahlprogramm die Rede. Der Nachrichtendienst soll nach dem Willen der Grünen einen Teil seiner Arbeit „einem unabhängigen, wissenschaftlich aus öffentlichen Quellen arbeitenden Institut zum Schutz der Verfassung“ übergeben. Der Rest soll einem „verkleinerten Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr“ überlassen werden.

Die Grünen nennen keine Details, doch die Konsequenzen dürften gravierend sein. Das BfV würde sich wohl nur noch mit Gewalttätern und Agenten befassen. Die Beobachtung der vielen Extremisten jenseits von Schlägern und Terroristen fiele für das Bundesamt weg. Die Union hingegen betont im Wahlprogramm: „Jede Form einer Schwächung des Verfassungsschutzes lehnen wir ab.“

Im Kapitel „Jeder Form von Extremismus entschieden entgegentreten“ zeigt sich auch ein weiterer Unterschied zwischen Union und Grünen: CDU und CSU nennen Rechtsextremisten, Linksextremisten, Islamisten. Im Wahlprogramm der Grünen ist von deutschem und auch türkischem Rechtsextremismus die Rede, von Antisemitismus, Rassismus und Islamisten. Aber an keiner Stelle von Linksextremisten.

Die Grünen lehnen den „Staatstrojaner“ ab

Einen Dissens zwischen Union und Grünen gibt es zudem beim „Staatstrojaner“. In den Augen von CDU und CSU ist es unverzichtbar, dass sich Polizei und Verfassungsschutz in die Telekommunikation gefährlicher Feinde der inneren Sicherheit hacken können. Mit Hilfe einer aufgespielten Software lässt sich die Kommunikation vor dem Verschlüsseln auslesen („Quellen-TKÜ“), in einer anderen Variante können aber auch Smartphones, Computer und Festplatten durchleuchtet werden. („Online-Durchsuchung“). Das BKA darf beides, die Bundespolizei nicht. Im Juli beschloss der Bundestag, allen Verfassungsschutzbehörden die Quellen-TKÜ zu gewähren. Die Grünen lehnen die Instrumente ab. Sie befürchten unter anderem, dass IT-Sicherheitslücken, die die Sicherheitsbehörden für das Hacken der Geräte ausnutzen, von anderen Akteuren missbraucht werden.

Auch die FDP hat Punkte in ihrem Wahlprogramm, die bei der Beteiligung an einer Koalition mit der Union zum Streit führen dürften. Wie die Grünen lehnen sie den Einsatz von „Staatstrojanern“ zur nachrichtendienstlichen Aufklärung ab. Die FDP ist zudem gegen die Vorratsdatenspeicherung. Sie fordert stattdessen den Einsatz der Quick-Freeze-Methode. Dabei können die Internet-Provider die Daten nicht anlasslos speichern, sondern nur im Verdachtsfall schnell einfrieren. Die FDP hält das für eine „grundrechtsschonende Alternative“. Die Union dagegen ist für den Einsatz der Vorratsdatenspeicherung und führt stets deren Nutzen an, auch bei der Bekämpfung von Kinderpornografie.

Die FDP will die Nachrichtendienste stärker kontrollieren

Anders als die Grünen wollen die Freidemokraten indes den Verfassungsschutz nicht zerteilen. Sie setzen sich aber dafür ein, die Kontrolle der Nachrichtendienste nach einem Drei-Säulen-Modell zu reformieren. So soll die unabhängige G-10-Kommission, die das Abhören von Personen genehmigt, ausgebaut werden und mehr Personal erhalten. Außerdem sollen die Kontrolle der Nachrichtendienste durch die Parlamente gestärkt und ein parlamentarischer Nachrichtendienstbeauftragter eingesetzt werden.

Vergleichsweise unpräzise bleibt die SPD in ihrem Wahlprogramm bei der inneren Sicherheit. Für mehr Sicherheit in Deutschland komme es auf motivierte, gut ausgebildete und gut ausgestattete Polizist*innen an, heißt es. Sie verdienten Respekt, gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung. Zudem schreibt sich die SPD den Kampf gegen Menschenhandel, Drogenhandel und Wirtschaftskriminalität auf die Fahnen. Und die Partei bekennt sich demonstrativ zum Verfassungsschutz.

Die AfD setzt in ihrem Wahlprogramm naturgemäß andere Prioritäten. Ihr erster Punkt im Kapitel „Innere Sicherheit“: „Linke Gewalt entschieden bekämpfen.“ Gewalttätige linksextremistische Gruppen, die der Antifa zuzuordnen seien, sollten als terroristische Vereinigung eingestuft werden, heißt es.

Die Linke will den Verfassungsschutz abschaffen

Der andere Schwerpunkt der radikal rechten Partei: Abschiebungen von kriminellen Ausländern. So fordert die AfD die zwingende Ausweisung schon bei geringfügiger Kriminalität. Auch die Zugehörigkeit zur Organisierten Kriminalität solle als Ausweisungsgrund eingeführt werden. Bei schwerer Kriminalität solle die deutsche Staatsbürgerschaft von Einwanderern aberkannt werden – sogar bis zu zehn Jahre nach der Einbürgerung. Auch setzt sich die AfD für stärkere Überwachung im öffentlichen Raum ein. An kriminalitätsbelasteten Punkten solle die Polizei Videotechnik mit Gesichtserkennungssoftware einsetzen können.

Die Linke beharrt in ihrem Wahlprogramm auf radikale Einschnitte in der Sicherheitsarchitektur. „Geheimdienste sind Fremdkörper in der Demokratie“, heißt es. Abwehr von Gefahren sei „Aufgabe einer demokratisch kontrollierten Polizei“. Deshalb will die Linke „den Verfassungsschutz und perspektivisch alle Geheimdienste abschaffen und ihn durch eine Beobachtungsstelle, Autoritarismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ersetzen“. Diese solle über „Rechtsextremismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus, religiösen Fundamentalismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beobachten und darüber aufklären“. Und als Erstes müsse bei den Geheimdiensten „der Einsatz von V-Leuten beendet werden“.

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