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06.02.2020, Thüringen, Erfurt: Eine Frau mit einem Schild "Schämt euch" demonstriert gegen die Wahl Kemmerichs zum Ministerpräsidenten von Thüringen. Der FDP-Kandidat Kemmerich war am 05.02.2020 im Thüringer Landtag überraschend mit den Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Regierungschef gewählt worden.

© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Wahldebakel in Thüringen: Parteien büßen das Vertrauen der Wähler ein

ARD-Deutschlandtrend: FDP und CDU verlieren stark an Ansehen in der Bevölkerung. Das Polit-Chaos in Thüringen hat aber auch Auswirkungen auf andere Parteien.

Das Wahldebakel in Thüringen kam bei den Wählern nicht gut an. Laut einer Blitzumfrage des ARD Deutschlandtrends verloren FDP und CDU, die für das Chaos maßgeblich verantwortlichen Parteien, stark an Ansehen.
Am tiefsten ist der Fall für die Freien Demokraten. 44 Prozent der Befragten haben eine schlechtere Meinung von der FDP als vor dem Wahldebakel.

Für eine Partei, die sich ohnehin an der Fünf-Prozent-Grenze bewegt, ist ein solcher Reputationsverlust besonders einschneidend, sagt der Sozialwissenschaftler Stephan Bröchler von der Humboldt Universität in Berlin dem Tagesspiegel. 41 Prozent der Befragten gaben an, ihre Meinung über die CDU hätte sich durch die Ereignisse in Thüringen verschlechtert. 46 Prozent haben ihre Meinung zur CDU nicht verändert. Dieses Ergebnis zeigt nach Ansicht Bröchlers, dass die CDU die Richtungsfrage ihrer Politik dringend klären muss.

Alle Parteien verlieren an Ansehen

Die Frage ist: Richtet sich die CDU am klassischen Konservatismus aus oder verfolgt sie weiter das „Merkel-Modell“ und orientiert sich stärker zur Mitte? Doch nicht nur FDP und CDU büßen Reputation ein. Im Deutschlandtrend zeigt sich: Alle Parteien verlieren an Ansehen.

Wenn auch einige von ihnen nur leicht. Während 56 Prozent der Befragten angaben, ihre Meinung über die AfD hätte sich nicht geändert, haben überraschenderweise 28 Prozent jetzt eine schlechtere Meinung zur AfD als vor dem Mittwoch.

Bei Grünen, Linken und SPD sind zahlreiche Aufnahmeanträge eingegangen

Bei der Linken geben 60 Prozent an, die gleiche Meinung zu haben, 19 Prozent haben eine schlechtere Meinung. Auch die Grünen haben bei 19 Prozent der Befragten an Ansehen verloren, die Einstellung zur SPD ist bei 23 Prozent der Befragten schlechter geworden. Die Parteien hätten in der Bevölkerung ohnehin schon das Image eines „Gebrauchtwarenhändlers“, sagt Bröchler. „Die Akzeptanz wird noch einmal geringer werden“, glaubt er.

Diese Einschätzung deckt sich jedoch nicht mit einer Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa bei den Parteien. Bei Grünen, Linken und SPD sind nämlich zahlreiche Aufnahmeanträge eingegangen. Wie sich der Eklat in Thüringen aber tatsächlich auf die Entscheidungen der Wähler auswirkt, werde erst die Beteiligung und der Ausgang der Hamburg-Wahl Ende Februar zeigen, meint Bröchler. Vor allem werde interessant, ob die FDP die Fünf-Prozent-Hürde knackt.

Sozialwissenschaftler Bröchler spricht von einem "Schock"

„Was in Erfurt passiert ist, geht an die Substanz der politischen Kultur in der Bundesrepublik“, sagt Bröchler. Er spricht von einem „Schock“. Gleichzeitig habe sich die Demokratie in den vergangenen Tagen als sehr stark erwiesen. Im Unterschied zum Vertrauen in die Parteien, sei das Vertrauen in das demokratische System der Bundesrepublik insgesamt bei den Bürgern durchaus vorhanden.

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