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Der für die Oberbürgermeisterwahl von der AfD aufgestellte Kandidat Tim Lochner.

© dpa/Sebastian Kahnert

Update

Wahl im sächsischen Pirna: AfD stellt erstmals Oberbürgermeister – Freie Wähler machen CDU Vorwürfe

In Pirna setzte sich der parteilose Tim Lochner, der für die AfD antritt, im zweiten Wahlgang mit 38,5 Prozent der Stimmen durch. Die Freien Wähler geben der CDU eine Mitschuld.

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Mit Tim Lochner hat erstmals ein Kandidat der AfD eine Oberbürgermeisterwahl in Deutschland gewonnen. Der 53-Jährige setzte sich am Sonntag im sächsischen Pirna im zweiten Wahlgang gegen zwei Kontrahenten von der CDU und den Freien Wählern durch, wie die Stadt am Abend auf ihrer Internetseite bekannt gab.

Lochner ist parteilos, trat aber für die AfD an. Er erhielt nach dem vorläufigen Endergebnis rund 38,5 Prozent der Stimmen. Dahinter rangieren Kathrin Dollinger-Knuth (CDU) mit rund 31,4 Prozent und der parteilose Ralf Thiele mit rund 30,1 Prozent, der für die Freien Wähler ins Rennen ging. Auch Lochner und Thiele waren früher CDU-Mitglieder.

Die Stadtverwaltung gab die Wahlbeteiligung mit 53,8 Prozent an. Schon im ersten Wahlgang war sie mit 50,4 Prozent vergleichsweise schwach. Die Amtszeit des Oberbürgermeisters beträgt sieben Jahre.

Freie Wähler kritisieren CDU scharf

Nach der Wahl des AfD-Kandidaten kritisierten die Freien Wähler die CDU scharf. Durch deren Festhalten an einer eigenen Kandidatin im entscheidenden zweiten Wahlgang habe die CDU „bewusst in Kauf genommen, für die AfD den Steigbügelhalter zu spielen“, erklärte der sächsische Landesvorsitzende der Freien Wähler, Thomas Weidinger, am Montag in Leipzig.

Weidinger warf der CDU „Machterhaltungstrieb“ vor. „Es war doch klar, dass ein dritter Kandidat im zweiten Wahlgang der AfD in die Hände spielt“, kritisierte er die Christdemokraten. „Der Machterhaltungstrieb der CDU war aber wohl zu groß, um sich selbst einmal zu Gunsten eines bürgerlichen Kandidaten wie Ralf Thiele zurückzunehmen.

Tim Lochner: Wer ist der neue Oberbürgermeister von Pirna?

Der neue Oberbürgermeister Lochner ist von Beruf Tischler und Restaurator und betreibt eine eigene Tischlerei. Der 53-Jährige hatte schon im ersten Wahlgang am 26. November in der rund 40.000 Einwohner zählenden Stadt dominiert. Er kam damals auf knapp 33 Prozent der Stimmen und lag vor Thiele (23,2 Prozent) und Dollinger-Knuth (20,3).

Armin Marschall (AfD-Stadtratsfraktion Pirna), Tim Lochner und Bodo Herath (Fraktionsvorsitzender der AfD-Stadtratsfraktion) feiern auf der Wahlparty.

© dpa/Sebastian Kahnert

Der parteilose Kandidat André Liebscher (13,7) und Ralf Wätzig (SPD, von den Grünen unterstützt, knapp 10 Prozent) traten im zweiten Wahlgang nicht mehr an und unterstützten die CDU-Kandidatin Dollinger-Knuth.

Weidel und Chrupalla gratulieren Lochner

AfD-Chefin Alice Weidel sendete dem neuen Oberbürgermeister von Pirna via X (vormals Twitter) digitale Glückwünsche: „Gratulation nach Pirna! AfD-Kandidat Tim Lochner wurde dort mit großem Abstand zu seinen Konkurrenten zum ersten AfD-Oberbürgermeister gewählt. Danke an die vielen Wähler, die dieses für die AfD historische Ergebnis möglich gemacht haben!“

Auch AfD-Co-Chef Tino Chrupalla gratulierte Lochner. „Der Tischlermeister wird die Interessen der Bürger von Pirna gut vertreten. Wir verstehen unser Handwerk und nehmen die Sorgen der Bürger ernst“, schrieb der Politiker via X.

Deutscher Städtetag reagiert besorgt

Der Deutsche Städtetag reagierte besorgt auf den Sieg des AfD-Kandidaten. „Die Bürgerinnen und Bürger von Pirna haben entschieden. Das ist Demokratie, das Ergebnis beunruhigt uns im Deutschen Städtetag aber sehr. Denn es zeigt, dass vielerorts ein Riss durch unsere Gesellschaft geht in einer Zeit, in der wir mehr Zusammenhalt und gemeinsames Engagement brauchen, um die Veränderungen und Herausforderungen zu meistern, vor denen wir stehen“, erklärte Präsident Markus Lewe am Montag.

„Wir nehmen die Menschen in unseren Städten wahr, die krisenmüde sind und manchen politischen Diskussionen nicht mehr folgen wollen oder können. Ihnen muss unser Augenmerk gelten. Sie sind es, die wir bei den vielen Veränderungen, vor denen wir stehen, mitnehmen müssen“, betonte Lewe.

Oberbürgermeisteramt nicht der erste Spitzenposten für die AfD

Damit besetzt die AfD deutschlandweit nun zwei kommunale Spitzenposten. Im Juni gewann der AfD-Politiker Robert Sesselmann im thüringischen Kreis Sonneberg erstmals einen Landratsposten für die Partei.

Im August dieses Jahres wurde Hannes Loth zum bundesweit ersten Bürgermeister einer deutschen Gemeinde gewählt - in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt).

Die AfD hatte zuvor bereits in anderen Städten versucht, ihre Kandidaten bei Oberbürgermeisterwahlen durchzusetzen. Bislang scheiterte sie aber spätestens im zweiten Wahlgang beziehungsweise in der Stichwahl.

AfD Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft

Der sächsische Verfassungsschutz stufte die AfD im Freistaat in der vergangenen Woche als gesichert rechtsextremistisch ein. Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt ist die sächsische AfD bereits der dritte Landesverband mit einer solchen Einstufung.

Die Einstufung hat zur Folge, dass der Verfassungsschutz geheimdienstliche Mittel ohne Einschränkungen einsetzen kann, um Informationen über extremistische Aktivitäten des Landesverbands zu gewinnen. (dpa, AFP)

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