zum Hauptinhalt
Antje Vollmer ist evangelische Pastorin und Grünen-Politikerin.

© Thomas Peter/Reuters

Update

Wagenknecht-Projekt "Aufstehen": Grünen-Politikerin Vollmer findet linke Sammlungsbewegung gut

Mit Antje Vollmer unterstützt erstmals eine prominente Grünen-Politikerin die Sammlungsbewegung "Aufstehen" von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht.

Von Matthias Meisner

Die von Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihrem Ehemann, Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, initiierte Sammlungsbewegung will unter dem Titel "Aufstehen - gemeinsam, gerecht, friedlich" an den Start gehen. Das berichtet der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. Mit der früheren Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer äußerte erstmals auch eine prominente Grünen-Politikerin Sympathie für das Projekt, das offiziell am 4. September starten soll. Die Homepage www.aufstehen.de ging am Freitagnachmittag online.

Vollmer veröffentlichte gemeinsam mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow und der Linken-Vizefraktionschefin Sevim Dagdelen einen Gastbeitrag im "Spiegel". Unter der Überschrift "Raus aus der Wagenburg" schreiben die drei Politiker: "Die Idee ist gut. Der Zeitpunkt ist richtig gewählt. Das Bedürfnis nach tief greifender Veränderung ist riesig." Eine neue linke Sammlungsbewegung hätte einen "Anlass, ein Momentum, auch einen Erwartungs- und Hoffnungshorizont."

Die Sammlungsbewegung sei keine neue Partei, sondern verstehe sich als außerparlamentarische Bewegung, die neue Themen und Positionen in die öffentliche Debatte bringen solle, schreiben Vollmer, Bülow und Dagdelen. Die neue Bewegung solle sich nicht nur auf einige Personen oder "Stars" konzentrieren. Toleranz und Respekt im Inneren, Überwindung von Sektierertum und ideologischen Grabenkämpfen, größtmögliche Offenheit der Debatten, keine Gedankenpolizei und Verratsvorwürfe - diese Punkte seien unverzichtbar, wenn die "chronische Spaltungstendenz linker Bewegungen" überwunden werden solle. In pathetischen Worten heißt es: "Aufbruch aus dem Elfenbeinturm in die Wirklichkeit! – das ist das Gebot der Stunde."

Dagdelen ist eine enge Vertraute von Wagenknecht in der Bundestagsfraktion. Bülow hat bereits vor einigen Tagen in einem Beitrag für das Tagesspiegel-Debattenportal Causa die Initiative begrüßt: Es sei gut, wenn sich eine linke Sammlungsbewegung gründe, "warum erstmal gegen sie kläffen?" 

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist Hauptinitiatorin der Sammlungsbewegung.
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist Hauptinitiatorin der Sammlungsbewegung.

© Bernd von Jutrczenka/dpaDPA

Innerhalb der Linkspartei ist die Sammlungsbewegung äußerst umstritten. Einige, darunter Parteichefin Katja Kipping, fürchten eine Spaltung der Partei. Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil äußert sich klar gegen die Initiative. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch, der das Projekt seiner Ko-Fraktionschefin zunächst abgelehnt hatte, zeigte sich im neuen "Spiegel" offener: "Es gibt einen Kulturkampf von rechts. Wir sollten jede Idee ernst nehmen, die sich dem entgegenstellt", zitiert ihn das Magazin. "Vielleicht gibt es eine Chance, so die politische Linke insgesamt zu stärken und wieder zu anderen parlamentarischen Mehrheiten zu finden."

Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger hielt sich am Freitag mit Kritik zurück. Er sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Die Initiative richtet sich an die enttäuschten Anhänger der anderen Parteien." Auch könne sie "hilfreich sein, hier Druck auf SPD und Grüne aufzubauen".

Prominente Grüne skeptisch

Wichtige Grünen-Politiker hatten sich in der Vergangenheit sehr skeptisch zu dem Projekt von Wagenknecht und Lafontaine geäußert. Aus dem Vorstoß spreche "Parteienverachtung", meinte beispielsweise Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. "Der Idee zugrunde liegt die irrige Annahme, alle Parteien – inzwischen offensichtlich auch die Linke – seien ,neoliberaler Einheitsbrei'", hatte Kellner in einem gemeinsamen Text mit dem Linken-Politiker Benjamin Immanuel-Hoff erklärt.

Der linke Grünen-Politiker Jürgen Trittin hatte im Januar zu den Plänen erklärt: "Wagenknechts Politikmodell basiert auf Abgrenzung, der Entlarvung der SPD, eben der Spaltung der gesellschaftlichen Linken." Da müssten "noch viele Scherben eingesammelt werden, bevor sie glaubhaft Teil einer Sammlungsbewegung werden kann".

Vollmer für radikale Friedenspolitik

Im Mai hatte der Tagesspiegel spekuliert, die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Vollmer könnte sich der Sammlungsbewegung anschließen. Vollmer war zu führenden Politikern ihrer eigenen Partei zuletzt mehr und mehr auf Distanz gegangen. Sie kritisiert, dass sich die Grünen von der pazifistischen Orientierung ihrer Gründungsphase verabschiedet hätten.

Haben Sie Lust, jemanden kennenzulernen, der Fragen ganz anders beantwortet als Sie? Dann machen Sie mit bei "Deutschland spricht”. Mehr Infos zu der Aktion auch hier:

Bei einer Diskussionsveranstaltung im Juni in Berlin, über die damals das "Neue Deutschland" berichtete, äußerte sich Vollmer dann erstmals öffentlich zur Idee einer Sammlungsbewegung. Sie verlangte, gesammelt werden müsse in einer solchen Distanz zu den Parteien, dass kein Verdacht auf Spaltungs- oder Neugründungsambitionen entstehen könne. Es müssten interne Solidarität und Toleranz in einem neuen Maße geübt werden. Unveräußerliches Merkmal einer solchen Sammlung aber müsse eine radikale Friedenspolitik sein.

Wagenknecht erläuterte ihre Pläne in einem Interview im neuen "Spiegel": Ziele seien "natürlich andere politische Mehrheiten und eine neue Regierung mit sozialer Agenda", sagte sie, "ein Schlüssel dafür ist die SPD". Solange die ihre Agenda-2010-Politik fortsetze, werde sie weiter schrumpfen. "Das verringert die Chance auf eine linke Machtoption." Die Linken-Fraktionschefin zeigte sich zuversichtlich: "Wenn der Druck groß genug ist, werden die Parteien, auch im Eigeninteresse, ihre Listen für unsere Ideen und Mitstreiter öffnen."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false