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Ersetzen oder nicht ersetzen - darum geht der Streit: Tornado-Kampfflugzeug der Bundeswehr.

© dpa

US-Atombomben in Deutschland: Waffen, die viele gerne los wären

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will, dass die USA ihre Atombomben aus Deutschland abziehen. Doch sein Vorschlag wirft viele Fragen auf.

Von Hans Monath

Rolf Mützenich lässt nicht locker. Kurz vor dem Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki wiederholte der SPD-Fraktionschef am Wochenende seine Forderung, alle US-Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Schon im Mai hatte der SPD-Politiker aus Köln die Union und den eigenen, sozialdemokratischen Außenminister Heiko Maas aufgeschreckt, als er im Tagesspiegel zudem vorschlug, Deutschland solle künftig auf jene Bundeswehrkampfjets verzichten, welche im Ernstfall die US-Atomwaffen ins Ziel tragen.

Er fühle sich durch die Debatte bestätigt, sagte Mützenich nun im rbb Inforadio und verwies wieder auf Planungen der USA unter Präsident Donald Trump, nicht nur auf nukleare Abschreckung zu setzen, sondern in Konflikten kleinere Atomwaffen einzusetzen. Er sei optimistisch, dass die SPD seine Forderung im Bundestagswahlprogramm 2021 bekräftigen werde, erklärte er.

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Der SPD-Fraktionschef stellt allerdings nur den militärischen Part der „nuklearen Teilhabe“ infrage – den politischen Part, nämlich die Mitsprache Deutschlands bei Nato-Nuklearfragen, beansprucht er weiterhin. Er behauptet, dem Gewicht der deutschen Argumente schade es keineswegs, wenn Deutschland keine eigenen Kampfflugzeuge für die atomare Abschreckung mehr stelle.

Die junge Bundesrepublik hatte 1954 darauf verzichtet, auf ihrem Staatsgebiet nukleare sowie biologische und chemische Waffen herzustellen. Auch die „nukleare Teilhabe“ stammt aus der Zeit des Kalten Krieges und beruht auf einem Geschäft auf Gegenseitigkeit: Die USA lagern bis heute rund 20 Atombomben in Büchel in der Eifel, die die Bundeswehr-Tornados im Ernstfall in ihr Ziel fliegen – dafür bekommt Deutschland einen Sitz in der Nuklearen Planungsgruppe der Nato und kann über die Atomstrategie des Bündnisses mitreden.

Seine Abzugsforderung findet die SPD-Parteispitze gut: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Seine Abzugsforderung findet die SPD-Parteispitze gut: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.

© dpa

Entzündet hatte sich die aktuelle Debatte an der Ankündigung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Ersatz für die 93 Tornado-Kampfflugzeuge der Bundeswehr zu beschaffen, die 40 Jahre alt sind und bald abgelöst werden müssen. Maschinen dieses Typs tragen im Ernstfall die Atombomben ins Ziel. Die Ministerin setzt auf eine Doppellösung: Weil die USA spezielle Anforderungen an die nukleare Zusammenarbeit stellen, will sie sowohl US-Jets vom Typ F18 als auch Eurofighter bestellen. Mützenich argumentiert, das viele Geld dafür werde gerade in Zeiten der Corona-Pandemie anderswo dringender gebraucht.

Die Union ist entsetzt über den Vorschlag und wirft Mützenich vor, dem Zusammenhalt der Nato und den deutschamerikanischen Beziehungen zu schaden. Lob kommt dagegen von der Linkspartei, den Grünen und den beiden SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Außen- und Sicherheitspolitiker der SPD-Fraktion halten es dagegen mit Außenminister Maas, der sich zur ganzen nuklearen Teilhabe bekannte.

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Das Ziel, alle Atomwaffen aus Deutschland zu verbannen, eint Maas, Mützenich, die Union, die Grünen und die Linken. Der Weg dorthin unterscheidet sie: Mützenich und seine Verbündeten wollen ein internationales Problem in einem nationalen Alleingang lösen. Maas setzt auf internationale Zusammenarbeit und auf Verträge, auch wenn Abrüstung gegenwärtig ein mühsames Geschäft ist.

Wenig Rücksicht nimmt der Fraktionschef auch auf die Interessen der östlichen EU- und Nato-Partner Deutschlands. In Polen und im Baltikum irritierte sein Vorschlag noch mehr als im Hauptquartier der Nato. In Trumps Regierung in Washington gilt er als weiterer Beleg für die Drückebergerei der Deutschen in Sicherheitsfragen. Ein neuer US-Präsident dürfte das ähnlich sehen. Außenpolitische Berater des demokratischen Kandidaten Joe Biden haben dringend vor Mützenichs Thesen gewarnt.

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