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Sie wollen es miteinander versuchen.

© REUTERS/Wolfgang Rattay

Große Unterschiede zwischen Ampel-Parteien: Wächst jetzt zusammen, was nicht zusammengehört?

Noch vor kurzem beschimpften sich SPD und FDP als „Luftikus“ und „Spacken“. Nun spricht man von „Freunden“. Bis dahin aber ist es ein weiter Weg. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Wächst nun zusammen, was nicht zusammengehört? Seit Grüne und FDP sich für Sondierungsgespräche mit der SPD entschieden haben, sind die Chancen deutlich gestiegen, dass die Republik bald von einer Ampelkoalition regiert werden könnte – mit einem Kanzler Olaf Scholz an der Spitze.

Noch vor Wochen schien das eine absurde Vorstellung zu sein. Das lag nicht nur daran, dass die SPD damals zehn Prozentpunkte weniger als am Wahlabend auf die Waage brachte, sondern vor allem daran, dass für SPD und Grüne gemeinsames Regieren stets eine Option war und beide die Liberalen als Partei von einem anderen politischen Planeten ansahen. Das galt auch umgekehrt.

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Der Unterschied zwischen einem soliden Etatismus und einem eher staatskritischen Marktvertrauen ist so grundlegend, dass die Parteien über Jahre ihre Feindbilder pflegten: Die Liberalen warnten vor der Verteilungslogik der SPD und der Verbotspartei Grüne, Rot-Grün umgekehrt vor der sozialen Kälte liberaler Kapitalismusfreunde.

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Noch hat man Schimpfwörter wie „Luftikus" oder „Spacken" im Ohr

Das bestimmte die Tonlage zwischen denen, die sich nun an einen Tisch setzen wollen. Es ist noch nicht lange her, dass SPD-Vize Kevin Kühnert FDP-Chef Christian Lindner einen „Luftikus“ nannte und FDP-Vize Wolfgang Kubicki Karl Lauterbach das Wort „Spacken“ anhängte.

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Nun soll alles anders werden. Sehr höflich geht man miteinander um, seit Olaf Scholz das Wort von den „Freunden“ in Umlauf brachte. Alle scheinen gewillt, zu jenem Grundvertrauen beizutragen, ohne das ein gemeinsames Regieren schnell zum Scheitern verurteilt wäre.

Gemeinsam sind die Kleinen stärker: Grünen-Chef Robert Habeck (links), seine Ko-Chefin  Annalena Baerbock und FDP-Parteichef Christian Lindner.

© Michael Kappele/dpa

Aber wie lassen sich die inhaltlichen Unterschiede versöhnen, wenn SPD und Grüne für milliardenschwere Zukunftsinvestitionen Schulden aufnehmen und Steuern erhöhen, die Liberalen genau das verhindern wollen? Die Ampel läuft Gefahr, dass ein Ausgleich am Ende in einer Blockade mündet: Etwa wenn die Staatsinvestitionen so zurechtgestutzt werden, dass sie kaum noch wirken, umgekehrt die Wirtschaft wenig von Entlastungen spürt, die ihnen die FDP verspricht, weil SPD und Grüne bremsen.

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Nicht durch Stillstand oder Seitwärtsbewegungen lassen sich solche Widersprüche auflösen, sondern nur durch den Aufbruch in ein Terrain, das noch keiner genau kennt. Olaf Scholz hat schon ein Angebot für ein gemeinsames Selbstverständnis der Ampel formuliert, als er davon sprach, dass alle drei Parteien dem Fortschritt verpflichtet seien.

Nimmt das Angebot für Verhandlungen dankend an: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kommentierte am Mittwoch die Entscheidung von Grünen und SPD zu Ampel-Gesprächen.

© Kay Nietfeld/dpa

Jede neue Regierung muss riesige Aufgaben anpacken

Die Partner dieser möglichen Koalition sind so unterschiedlich, dass sie nicht nur zum Erfolg sondern auch zum Fortschritt verdammt sind. Darin liegt eine Chance für die drei Parteien, aber auch eine für das Land, das nach 16 Jahren Angela Merkel ermattet wirkt, aber vor riesigen Aufgaben steht, wenn man an die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft, die Defizite bei Digitalisierung und Bildung, die Spaltung der Gesellschaft oder die überbordende Bürokratie denkt.

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Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, der von allen Partnern Zugeständnisse verlangt, die den eigenen Markenkern gefährden, und vor allem auch den Mut zu neuem Denken. Noch ist Jamaika zumindest für die FDP eine denkbare Alternative. Das heißt: Jeder wird viele Anhänger enttäuschen müssen, damit diese so unwahrscheinliche Regierung zustande kommt. Aber sie könnte am Ende auch einen hohen Preis wert sein.

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