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scSyrische Kämpfer, von der Türkei unterstützt, bei einer Militärübung nördlich von Manbidsch.

© AFP/Bakr Alkasem

Vor geplantem türkischen Einmarsch: Kämpfe zwischen Milizen in Nord-Syrien

Die USA und Russland warnen Ankara vor einem Feldzug. Syriens Machthaber Assad schickt Truppen.

Im Norden Syriens sind vor der angekündigten Militärintervention der Türkei erste Gefechte zwischen pro-türkischen und kurdischen Milizen ausgebrochen. Die Kämpfe am Freitag konzentrierten sich auf die Gegend um Manbidsch nordöstlich der Großstadt Aleppo, die zu den Zielen des geplanten Einmarsches gehört.

Die Türkei treibt die Vorbereitungen für den neuen Feldzug trotz Warnungen von USA und Russland voran.

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Die Türkei ist seit 2016 vier Mal in Syrien einmarschiert und hält dort Gebiete besetzt; drei der Interventionen richteten sich gegen die syrisch-kurdische Miliz YPG, die unter dem Schutz der USA ein Autonomiegebiet entlang der türkischen Grenze errichtet hat.

Washington betrachtet die YPG als unverzichtbare Partnerin im Kampf gegen den Islamischen Staat, doch die Türkei sieht die Kurdenmiliz als Schwesterorganisation der Terrorgruppe PKK und damit als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit. Die Türkei wolle zu ihrem eigenen Schutz eine 30 Kilometer tiefe „Sicherheitszone“ auf syrischem Gebiet schaffen, sagt Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Innenpolitische Motive für einen Einmarsch

Der Präsident hat darüber hinaus innenpolitische Motive für den neuen Einmarsch. Er steckt ein Jahr von der nächsten Wahlen wegen der schlechten Wirtschaftslage in einem Umfragetief – Militärinterventionen in Syrien halfen ihm bereits in der Vergangenheit, Wähler um sich zu scharen.

In neu eroberten Gebieten in Syrien könnten nach seinen Plänen neue Siedlungen für syrische Flüchtlinge aus der Türkei entstehen. Erdogan will eine Million Syrer aus der Türkei dort ansiedeln. Auch das könnte ihm bei den Wahlen nützen.

Erdogan hatte am Mittwoch gesagt, die Türkei wolle die YPG aus Manbidsch und dem weiter westlich gelegenen Tel Rifaat vertreiben. Am Freitag beschossen pro-türkische Milizionäre einige Dörfer in der Nähe von Manbidsch, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte.

Die Nachrichtenplattform Middle East Monitor meldete, der syrische Präsident Baschar al-Assad habe in Erwartung der türkischen Intervention zusätzliche Panzereinheiten in das YPG-Geiet bei Tel Rifaat geschickt.

Russland ist der wichtigste Partner von Assad

Auch anderswo im Grenzgebiet wachsen die Spannungen. Im türkisch kontrollierten Tel Abyad östlich des Euphrat kamen bei Gefechten in den vergangenen Tagen vier Menschen ums Leben.

Erdogan sagt, der neue Einmarsch könne jederzeit beginnen, doch ein Marschbefehl in den kommenden Tagen ist unwahrscheinlich: Am 8. Juni wird der russische Außenminister Sergey Lawrow in der Türkei erwartet.

Die russische Nachrichtenagentur Tass zitierte Vize-Außenminister Michail Bogdanow mit den Worten, die angekündigte türkische Intervention in Syrien werde ein Thema des Besuches sein.

Russland ist der wichtigste Partner von Assad und hat Truppen in Tel Rifaat, in Kamischli im Osten Syriens sowie in der Grenzstadt Kobani stationiert. Das Moskauer Außenministerium forderte, die Türkei solle auf den neuen Einmarsch verzichten und Assads Truppen die Sicherung der Grenze überlassen.

Bisher ignoriert Erdogan die Einwände

Auch die USA wollen Erdogan von seinem Plan abbringen. Außenminister Antony Blinken sagte, ein Einmarsch würde den Kampf gegen den Islamischen Staat in Syrien stören. Der Milizenverband Syrische Demokratische Kräfte (SDF), in dem die YPG die stärkte Fraktion stellt, kündigte an, im Fall eines neuen türkischen Angriffs vorerst nichts mehr gegen den Islamischen Staat zu unternehmen.

Bisher ignoriert Erdogan die Einwände von Russland und den USA. Moskau ist wegen des Ukraine-Krieges international bereits isoliert und wird eine Konfrontation mit der Türkei vermeiden wollen.

Erdogan erwarte auch keinen großen Widerstand aus dem Westen, weil die Türkei gebraucht werde, um den Streit um den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden beizulegen, meint der türkische Politologe Selcuk Aydin. Die geopolitische Wetterlage sei optimal für einen türkischen Einmarsch, schrieb Aydin in einem Beitrag für die Nachrichtenplattform Middle East Eye.

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