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Geschichtsbeladene Fassade, Sammlungen mit Kultur aus aller Welt im Innern. Das Humboldt Forum im teilweise rekonstruierten Berliner Stadtschloss.

© Fabian Sommer/dpa

Humboldt-Forum im Berliner Stadtschloss: Von Bilderstürmern zu Sinnstiftern

Dem Initiator Wilhelm von Boddien ging es um die Fassade. Dort außereuropäische Kunst unterzubringen, war der geniale Schachzug eines anderen. Eine Kolumne.

Das ist eine beeindruckende Bilanz: Mehr als 40 000 Spender haben insgesamt 105 Millionen Euro aufgebracht, für eine Fassade. Deren Effekt: Der Nachfolgebau auf dem Gelände des sozialistischen Palastes der Republik, wird wenigstens äußerlich so wirken, wie das Hohenzollernschloss, das dort fast vierhundert Jahre lang, immer wieder erweitert und verändert, stand. Diesen barocken Bau hatte die SED in einem ideologisch begründeten Akt des Vandalismus ab 1950 sprengen lassen.

Ohne die Initiative Wilhelm von Boddiens, der nach der Wende auf dem Platz in der Mitte Berlins mit einer beeindruckenden Theaterkulisse der Schlossfassade den Verlust deutlich machte, wäre es nie zu dieser auch vom Bundespräsidenten gewürdigten Spendenaktion gekommen.

Und vermutlich würden wir auch ohne Boddien und seine Hartnäckigkeit jetzt nicht der Eröffnung des Humboldt-Forums entgegen fiebern – jener aus dem Geist des kulturellen Erbes der Menschheit entstandenen, faszinierenden Idee einer Versammlung der musealen Schätze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Im Namen der Humboldt-Brüder, vor allem aber Alexanders, des Weltenforschers, neigt sich da, wo einst als höchster Ausdruck der monarchistisch geprägten Nation ein Schloss stand, nun das Haupt vor Bewunderung für das Erbe der Welt.

Die Vorkämpfer des Stadtschlosses störte der Palast der Republik

Ein beeindruckender Moment – in dem man aber auch daran erinnern muss, dass den Apologeten des Schloss-Wiederaufbaus alles Mögliche vorschwebte, aber nicht eine solche Sinnstiftung. Sie waren, wenn auch ganz anders, ähnliche Bilderstürmer wie jene, die eine Generation davor das Schloss aus der Erinnerung radieren wollten. Sie störte der Palast einer Republik, die sich selbst aufgelöst hatte, weil ihr die Bürger davongelaufen waren.

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Aber sinnstiftend? Nein, das war der Plan der Rekonstruktion der alten Fassade am Beginn nicht. Noch 2016 stellte, im Nachhinein, Peter Klaus Schuster, von 1999 bis 2008 Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlins, im Blick auf die Fassadenbefürworter irritiert fest: „Keiner der Befürworter entwickelte eine überzeugende Idee, zu welchem Zwecke das von so vielen gewünschte Schloss wieder aufgebaut werden sollte…“.

Und Klaus Dieter Lehmann, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, wunderte sich: „Niemand fragte nach dem Zweck, vielleicht ein Hotel, eine Shopping-Mall, ein Konferenzgebäude … es war eine hilflose Diskussion, ohne Bezug zur historischen Dimension“.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (li.) und Nordamerika-Kuratorin Monika Zessnik bereiten die Sammlungen des Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem für den Umzug in das Humboldt-Forum vor (Archivbild von 2016)

© Thilo Rückeis/ TSP

Währenddessen grübelte die Berliner Kulturwelt, wie die völkerkundlichen Sammlungen in Dahlem in ihren maroden Bauten gerettet werden könnten. Denen waren im wieder vereinten Berlin auf die Besucher abhanden gekommen.

Der bereits zitierte Klaus-Dieter Lehmann präsentierte dann am 3. Mai 2000 bei einer Veranstaltung der Stiftung Brandenburger Tor jenen Gedanken, der alle Fragestellungen zu beantworten schien: Hinter der Schlossfassade im Geiste Humboldts ein Forum zu eröffnen, das den Dahlemer Sammlungen eine neue Heimat bot und gleichzeitig zum globalen kulturellen Austausch einlud. Im Zentrum der Hauptstadt statt einer nostalgischen Verbeugung vor einer gar nicht so grandiosen nationalen Vergangenheit eine Geste der Weltoffenheit.

Im Rückblick sagt der Ideengeber, Lehmann, gerade im Tagesspiegel-Interview, die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus käme ihm im Humboldt-Forum noch zu kurz. Aber nichts spricht dagegen, die Räume auf dem Schlossplatz auch für dieses Feld zu weiten. Begrenzt ist nur die Fassade – das Innere des Forums ist offen.

Gerd Appenzeller

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