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Als Landtagspräsident trat Boris Rhein zuletzt präsidial auf.

© Arne Dedert/dpa

Vom Hardliner zum Landesvater von Hessen: Wer ist der Mann, der Volker Bouffier folgen soll?

Als Innenminister setzte Boris Rhein auf Law & Ordner, nun will er Ministerpräsident in Hessen werden. Dafür braucht er aber alle Stimmen der Grünen.

Hätte Boris Rhein am 25. März 2012 seinen Vorsprung ins Ziel gebracht, hätte der CDU-Politiker wohl kürzlich den Europapokal von Eintracht Frankfurt in Empfang nehmen dürfen. Doch „hätte“ ist ein Begriff, der weder in der Politik, noch im Sport weit führt. Damals verlor Rhein überraschend in der Stichwahl um das Frankfurter Oberbürgermeisteramt gegen seinen SPD-Herausforderer. Für den damaligen hessischen Innenminister war das eine herbe Niederlage. Im Wahlkampf hatte der Konservative auf Law&Order gesetzt und den Vorsprung aus dem ersten Wahlgang noch verloren.

Zehn Jahre später soll alles anders laufen. An diesem Dienstag wird sich Rhein in geheimer Wahl im Landtag von Wiesbaden um das Amt als Ministerpräsident von Hessen bewerben. Der 50-jährige Jurist soll den dienstältesten Ministerpräsidenten Deutschlands, Volker Bouffier, beerben, der mit 70 Jahren in den Ruhestand wechselt. Doch wieder könnte es eine knappe Wahl werden. Die schwarz-grüne Koalition, die Bouffier seit Ende 2013 führt, hat lediglich eine Stimme Mehrheit im Parlament.

Um die nötige Unterstützung des Koalitionspartners zu erhalten, hat Rhein an seinem Image gearbeitet. Vom harten Sicherheitspolitiker ist wenig geblieben. Auch weil Rhein unter Bouffier erst ins Wissenschafts- und Kulturministerium wechselte und seit 2019 Landtagspräsident in Wiesbaden ist.

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In öffentlichen Auftritten äußert er sich kurz vor der Wahl ebenso präsidial. Er verkörpere das Lebensgefühl der Hessen sagte Rhein am Tag vor der Wahl der „Frankfurter Neuen Presse“. „Ich habe ein Motto: Leben und leben lassen. Das ist ein typisch hessisches Ideal von Freiheit.“

Grüne erleichtert, dass CDU-Personal-Debatten "endlich zu Ende sind"

Er sei grundsätzlich ein liberaler Mensch. „Wenn sich zum Beispiel zwei Menschen lieben und füreinander Verantwortung übernehmen wollen, ist das für mich keine Frage des Geschlechts“, sagte Rhein in dem Interview. Seine Wirtschaftspolitik beschreibt er ebenfalls als „liberal“, fügt aber an: „Ich bin aber auch der Überzeugung, dass wir künftig noch mehr über sozialpolitische Fragen reden müssen.“

Sätze, die bei den Grünen gut ankommen. „Wir sind erleichtert, dass die Personal-Debatten der CDU endlich zu Ende sind“, sagt Mathias Wagner, Fraktionschef der Grünen im Landtag, dem Tagesspiegel. Die 29 Abgeordneten der Grünen würden für die Wahl von Rhein bereitstehen. Den 50-Jährigen kenne man seit Jahren. „Wie bei Herrn Bouffier haben wir auch an Herrn Rhein zwei Seiten kennengelernt: die des innenpolitischen Hardliners und die des überparteilichen Landtagspräsidenten.“

Für Wagner ist klar, dass Rhein in einer Koalition mit den Grünen nicht den Hardliner raushängen könne. Ein Klimaschutz- und ein Integrationsgesetz wollen die Grünen noch in dieser Legislatur verabschieden, zudem eine Bildungsreform anschieben und ein preiswertes ÖPNV-Ticket erarbeiten. Die Wahl von Rhein soll kein PR-Coup mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst 2023 sein. „Warmlaufen kann man sich am besten, wenn man gute Politik mit guten Inhalten macht“, sagt Wagner.

Stadt-Land driften in Hessen auseinander

Nicht nur die schwarz-grüne Koalition muss Rhein zusammenhalten. Hessen driftet auseinander. Die Metropole Frankfurt boomt seit Jahren mit allen Wachstumsschmerzen. Die Mieten explodieren, der Verkehr ist am Rande des Kollapses, die Lärmbelastung steigt stetig. In den ländlichen Regionen in Nord- und Osthessen wandern dagegen immer mehr Menschen ab. Ärzte, Schulen, Busse fehlen. „Es ist mancherorts dramatisch“, sagte Rhein der „Frankfurter Neuen Presse“.

Schichtwechsel im Landtag in Wiesbaden. Boris Rhein (l.) will Volker Bouffier beerben.
Schichtwechsel im Landtag in Wiesbaden. Boris Rhein (l.) will Volker Bouffier beerben.

© Sebastian Gollnow/dpa

In Hessen gibt es eine Tradition für lange Amtszeiten. Vor den zwölf Jahren Bouffiers kam Roland Koch auf elf Jahre in der Staatskanzlei. „Man kommt sich gelegentlich vor wie sein eigenes Denkmal“, sagte Bouffier über seine Rolle im Bundesrat in einem Abschieds-Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Von dort und als Landesvorsitzender der CDU lenkte er von Hessen aus immer auch ein bisschen die Geschicke der Partei in Berlin. Sein letzter großer Kampf – Armin Laschet als Kanzlerkandidat gegen CSU-Chef Markus Söder durchzusetzen – erwies sich jedoch als Pyrrhussieg. „Im Nachhinein gesehen hätten wir mit Markus Söder wahrscheinlich ein besseres Ergebnis erzielt“, sagte er der „SZ“.

Dieses Mal soll der Plan aufgehen, lange hat die CDU in Hessen an der Nachfolge für Bouffier gearbeitet. Erhält Rhein mindestens 69 Stimmen, könnte er als Ministerpräsident bald doch noch einen Pokal in Empfang nehmen. Im August spielt die Eintracht im Supercup-Finale gegen Real Madrid.

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