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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fliegt auf einer Luftfahrtmesse in einem Militärflugzeug mit.

© Uncredited/Pool Presidential Press Service via AP/dpa

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Potentaten wie Erdogan pflegen, sich in Großbritannien durchwursteln und Superhelden wie Macron schrumpfen. Josef Joffe über die Themen dieser Tage.

Präsident Erdogan kommt nach Deutschland, wird mit militärischen Ehren empfangen und predigt danach vor der türkischen Community die Nicht-Integration. Eine böswillige Fehlinterpretation?

Was der Imam von eigenen Gnaden predigen wird, entzieht sich dem ansonsten allwissenden Propheten WmdW. Doch hat Berlin die Gratwanderung recht gut gemeistert. Es wird nur eine Predigt in einer Moschee geben, aber nicht als gemeinsame Veranstaltung mit dem Bundespräsidenten, wie es sich Erdogan gewünscht hatte. Die Regierung hat angesichts ihrer Abhängigkeit von Ankara gut verhandelt. Denn E. bewacht die „deutsche“ Grenze zwischen der Türkei und Syrien, damit sich die Masseneinwanderung 2015/16 nicht wiederhole. Solche Potentaten muss man leider pflegen.

Die Briten haben die Wunderformel für gescheiterte Gespräche erfunden: „to agree to disagree“. Eine Leitlinie für die Brexit-Verhandlungen?

Und „muddling through“ – durchwursteln. Und: „between the devil and the deep blue sea“, eine mörderische Zwickmühle. Mrs. May muss sowohl die EU als auch die Anti-Europäer daheim begö-

schen, was einen Meister-Manipulator wie Kissinger erfordert. Durchwursteln könnte so funktionieren: London verlässt die EU genau zwei Jahre nach Einreichung der Scheidung, also um 23:00 Uhr am 29. März 2019. Die EU könnte aber eine Übergangsfrist bis Silvester 2020 akzeptieren. Ein „harter Brexit“ wäre angesichts der massiven Verluste für beide Seiten ein kosmisches Desaster.

Macron kommen die Minister abhanden, dafür kann man jetzt Tassen mit seinem Porträt kaufen. Sinnbild seiner Politik?

Macron teilt das Schicksal aller Gehypten. Vom Superheld auf Menschenmaß gestutzt. Indes sind seine Probleme auch real. Kein Wunder in einem Land, wo Reformen so beliebt sind wie eine Darmspiegelung. Das Wachstum bleibt langsam, was ihn daran hindert, das Staatsdefizit zu stauchen. Der Versuch, den aufgeblähten öffentlichen Sektor zu schrumpfen, kollidiert mit der Macht der Gewerkschaften. Die Leute schätzen seinen royalen Auftritt nicht mehr. Aber: Er hat noch vier Jahre im Amt.

Ein letztes Wort zu Brett Kavanaugh...

WmdW will nicht in einen Shitstorm geraten, indem er gegen ein Todesurteil im Twitter-Gericht für ein Vergehen plädiert, das K. als Teenie im Suff begangen haben soll. Die Feinheiten des Rechtstaates, der Linken wie Rechten heilig sein müsste, spielen aber nicht die Hauptrolle. Als Ober-Richter könnte K. den Konservativen im Supreme Court die Vorherrschaft sichern, was die Demokraten mit allen Mitteln verhindern wollen. Die Sache wird so oder so übel ausgehen, ob K. ernannt oder verbannt wird.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte: Ariane Bemmer

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