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CDU-Chef Friedrich Merz im Fokus: Aus der Opposition gab es scharfe Kritik und Populismusvorwürfe und sogar eine Anzeige wegen Volksverhetzung.

© Reuters/Liesa Johannssen

Update

„Viele Parteimitglieder schämen sich“: CDU-Sozialflügel bringt Merz’ Verzicht auf Kanzlerkandidatur ins Gespräch

Der CDU-Chef hat mit seinen Zahnarzt-Äußerungen viel Empörung ausgelöst. Es gibt Unterstützung aus der Union, aber auch scharfe Kritik aus seiner Partei. Merz verteidigt seine Aussagen.

| Update:

Die Äußerungen von Friedrich Merz über medizinische Behandlungen für abgelehnte Asylbewerber hatten viel Wirbel und Empörung ausgelöst. Aus der Opposition gab es scharfe Kritik sowie Populismusvorwürfe und sogar eine Anzeige wegen Volksverhetzung.

Nachdem der CDU-Chef aus der Union aber auch unterstützt worden war, wie zum Beispiel vom NRW-Ministerpräsidenten Henrik Wüst und dem CSU-Europapolitiker Manfred Weber, kommt nun scharfer Widerspruch aus der eigenen Partei.

Die Entgleisungen von Merz sind mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar.

Christian Bäumler, Vize-Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft

Der Vize-Chef des CDU-Sozialflügels Christian Bäumler forderte Merz auf, seine Äußerungen zurückzunehmen oder auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten.

„Die Entgleisungen von Merz sind mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar. Viele CDU-Mitglieder schämen sich für ihren Parteivorsitzenden“, sagte Bäumler am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Merz spalte die CDU.

Bäumler ist der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), deren Stimme innerhalb der Partei Gewicht hat.

Merz hatte die Bundesregierung mit einem drastischen Vergleich zur Eindämmung der irregulären Migration aufgefordert. In einer TV-Debatte hatte er gesagt, man müsse „endlich mal“ über Pull-Faktoren in der Migration sprechen.

Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.

Friedrich Merz, CDU-Chef

Merz hatte behauptet, das deutsche Sozial- und Gesundheitssystem sei ein wesentlicher Grund für Asylbewerber, nach Deutschland zu kommen und mit Blick auf die Bundesbürger gesagt: „Die werden doch wahnsinnig, die Leute, wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen“, sagte Merz im „Welt-Talk“.

„Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine“, sagte Merz. 

Am Samstag verteidigte Merz seine Äußerungen zur Asylpolitik. Man müsse zu diesem Thema auch mal etwas Kritisches sagen können. Die Republik müsse nicht in „Schnappatmung“ verfallen, wenn man auf drohende Überforderung hinweise, sagte er einem Bericht der dpa zufolge beim Landesparteitag der sachsen-anhaltischen CDU in Magdeburg.

Parlamentarischer Geschäftsführer der Union Frei stützt Merz

Der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Wir werden die Migrationskrise nicht lösen, indem wir die Augen vor der Wirklichkeit verschließen.“ Merz habe eine wichtige Debatte angestoßen, sagte Frei: Der gegenwärtige Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern sei in Deutschland völlig indiskutabel und unterscheide sich grundlegend von praktisch allen anderen Ländern in Europa.

„Um es klar zu sagen: Wenn das Recht nicht durchgesetzt wird, geht das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren. Es ist die Aufgabe des Oppositionsführers, den Finger in die Wunde zu legen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Daher würde ich mir eine sachliche Auseinandersetzung mit dem unbestreitbar vorhandenen Problem wünschen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Merz zuvor für dessen Äußerungen offen gerügt. „Was Herr Merz vorgetragen hat, entspricht nicht der rechtlichen Lage in Deutschland. Ich finde, dass man besser auf seine Worte aufpassen sollte“, sagte der Kanzler in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem SWR.

Linken-Politikerin Weber zeigt Merz wegen Volksverhetzung an

Die Linken-Politikerin Daphne Weber, Mitglied des Geschäftsführenden Parteivorstandes, hatte bei der Staatsanwaltschaft Arnsberg Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen den CDU-Parteichef Friedrich Merz gestellt. Dies berichtete das ZDF.

In der Anzeige heißt es demnach über Merz: „Seine Hetze gegen geflüchtete Menschen dient in erster Linie einem Wahlkampfmanöver. Er schürt Hass gegen eine Personengruppe und gefährdet damit den öffentlichen Frieden.“

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber verteidigte dagegen den CDU-Chef: „Friedrich Merz spricht das an, was Menschen auf der Straße sprechen.“

Und auch Merz’ parteiinterner Rivale Wüst will nichts Falsches an der Aussage erkennen: „Diese Überlastung sehen wir an vielen Stellen in Kommunen auch in den sozialen Sicherungssystemen. Ich glaube, das ist, worauf Friedrich Merz hinweisen wollte. So habe ich ihn verstanden“, sagte der Ministerpräsident von NRW.

Unterstützung bekam Merz für seine Aussagen auch von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. „Das ist natürlich etwas zugespitzt und flapsig formuliert und erregt damit die Gemüter“, sagte der Freie-Wähler-Chef.

Freie-Wähler-Chef Aiwanger unterstützt Merz

Aber der Sachverhalt ist wirklich so, dass eben viele Menschen in unseren Sozialkassen sind oder Zugriff auf unsere Sozialkassen und medizinische Versorgung haben, die uns viel Geld kosten.“

Nach Ansicht eines Migrationsforschers spielen die sogenannten Pull-Faktoren kaum eine Rolle in der Flucht- und Armutsmigration. Solche Modelle taugten nicht, um die Komplexität von Migrationsbewegungen zu verstehen, sagte Lukas Fuchs vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin am Samstag der Nachrichtenagentur epd.

Fuchs nannte es „geradezu infam“, zu unterstellen, dass Menschen ihre Heimat verließen, um sich in Deutschland die Zähne machen zu lassen. Die Wissenschaft wisse mittlerweile, dass Migrationsbestrebungen sich vornehmlich in Herkunftsländern formierten.

Dabei spielten Sicherheit, politisches Klima und wirtschaftliche Perspektiven sowie zunehmend der Einfluss der Erderwärmung eine Rolle.

Merz scheine es weniger darum zu gehen, die Gründe für Migration zu verstehen, sagte Fuchs. „Wenn man sich nur auf Pull-Faktoren zurückzieht und behauptet, das seien die entscheidenden Gründe und die können wir steuern und beeinflussen, dann ist das attraktiv für eine populistisch simple Lösung für ein komplexes Problem“, erklärte er. „Und ich fürchte, die CDU bewegt sich in diesem Diskurs immer weiter in diese Richtung.“

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