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Privater Pkw-Verkehr bleibt ein Klimaproblem. Die reformierte Kfz-Steuer wird daran kaum etwas ändern.

© Stephan Jansen/dpa

Viel Lärm um fast nichts: Die Reform der KfZ-Steuer ist bloße Kosmetik

Wenn sogar der ADAC mehr Entschlossenheit anmahnt, ist klar: Klimapolitisch kann sich die SPD-Umweltministerin gegen die Union nicht durchsetzen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jens Tartler

Es ist ein Kompromiss, wie er so typisch ist für diese Koalition. Umweltministerin Svenja Schulze und auch Olaf Scholz, ihr Kollege Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat, hätten sich durchaus mehr klimapolitische Ambition gewünscht bei der Reform der Kfz-Steuer. Doch damit konnten sich die Sozialdemokraten gegen die Union nicht durchsetzen. Die hat die Klientel der Autofahrer und -industrie fest im Blick.

So ist das, was Schwarz-Rot am Donnerstag im Bundestag beschlossen hat, nicht mehr als Kosmetik. Der Klimaaufschlag gegenüber der bisherigen Steuer ist so gering, dass für die breite Masse der Autos, die zwischen 116 und 175 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt, lediglich zwei bis 23 Euro mehr pro Jahr fällig werden.

Selbst beim übergroßen SUV Audi Q8 wird die Steuer nur um knapp 42 Euro steigen, beim Porsche 911 um 100 Euro. Es ist nicht gewagt, die Prognose von Umweltverbänden und Grünen zu teilen: Käufer derart teurer Autos lassen sich von solch marginalen Steuererhöhungen nicht abschrecken – zumal viele dieser Wagen auch noch auf die Firma zugelassen werden.

Auf der anderen Seite wird der bisher überzeugte SUV-Fahrer nicht auf einmal zum Ökomobil mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 95 Gramm greifen, nur weil er damit dank der Reform rund 30 Euro Kfz-Steuer im Jahr sparen kann. Es sollte der Union zu denken geben, dass selbst der ADAC eine entschlossenere Änderung fordert und nur von einem „ersten Schritt“ reden mag.

Der nächste könnte nach der Bundestagswahl 2021 folgen, falls die Grünen an der neuen Regierung beteiligt sein werden. Sie haben schon angekündigt, dass sie dann auf eine spürbare Zulassungssteuer dringen werden. Nicht nur Nichtregierungsorganisationen mit einem Umweltprofil sprechen sich für eine solche Steuer aus, sondern auch die bürgerliche Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaften.

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All diese Experten sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine kräftige Steuer bei der Erstzulassung deutlich wirksamer ist als die zaghafte Bonus-Malus-Regelung innerhalb der Kfz-Steuer. 24 von 30 europäischen Ländern (EU plus Großbritannien, Norwegen und die Schweiz) erheben eine Zulassungssteuer. Deutschland ist also in der Minderheit und teilt sich beim CO2-Ausstoß von Neuwagen die letzten Plätze unter anderem mit Bulgarien, Litauen, Estland und der Schweiz, die ebenfalls auf dieses Lenkungsinstrument verzichten.

Der europaweite Vergleich zeigt: In Ländern mit einer Zulassungssteuer nach CO2-Ausstoß sind Neufahrzeuge deutlich klimafreundlicher. Schaut man sich die einzelnen Länder an, stellt man fest, dass die Wirkung umso stärker ist, je entschlossener der Staat bei der Steuer zugreift. Gerade jetzt, wo die EU die Klimaziele völlig zu Recht deutlich nach oben gesetzt hat, passt die Alibipolitik der Koalition weniger denn je in die Zeit. Und die kränkelnde Autoindustrie wird nicht gesünder, wenn sie noch länger an Technik festhält, die keine Zukunft hat.

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