zum Hauptinhalt
Schwedens Premier Stefan Löfven bei einer Pressekonferenz im April.

© imago images/Bildbyran/Maxim Thore

Umfrage in Coronavirus-Krise: Vertrauen der Schweden in Regierung bricht ein

Bisher fand die Strategie der Regierung und ihrer Berater in der Pandemie breite Unterstützung der Schweden. Damit scheint nun Schluss zu sein.

Die Schweden verlieren in der Coronavirus-Krise offenbar den Glauben in das Krisenmanagement ihrer Regierung und der staatlichen Gesundheitsbehörde FHM. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Novus, die am Donnerstag vom öffentlich-rechtlichen Sender SVT online veröffentlicht wurde. Demnach ist der Anteil derjenigen, die Regierung und FHM viel oder recht viel Vertrauen aussprechen, um fast 20 Prozentpunkte eingebrochen.

Die rot-grüne Minderheitsregierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven, die vom FHM-Staatsepidemiologen Anders Tegnell beraten wird, konnte sich in den ersten Monaten der Pandemie darauf verlassen, dass eine breite Mehrheit der Bürger ihre Strategie im Kampf gegen das Virus unterstützte. Damit scheint nun Schluss zu sein. 

Der Untersuchung zufolge sind die Werte für die Regierung von 63 Prozent bei der letzten Befragung im April auf 45 im Juni zurückgegangen, für die FHM sanken sie demnach von 73 auf 65 Prozent.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple-Geräte herunterladen können und hier für Android-Geräte.]

Das Land mit seinen rund 10,3 Millionen Einwohnern verzeichnet aktuell 4542 Todesfälle, die meisten mit 2099 davon in der Region der Hauptstadt Stockholm. Auf eine Million Einwohner bezogen meldet Schweden deutlich mehr Todesfälle als die Nachbarländer Norwegen, Dänemark und Finnland, die sich für einen Lockdown entschieden hatten, und auch klar mehr als Deutschland. Weit mehr als die Hälfte aller Todesfälle in Schweden werden in Senioren- oder Pflegeheimen verzeichnet.

Schwedens Regierung und Gesundheitsbehörde hatten seit Beginn der Pandemie auf die Vernunft der Bürger gesetzt und an die Bürger appelliert, soziale Kontakte zu minimieren und Abstand zu halten. Menschen über 70 sollen zu Hause bleiben. Kindergärten, Schulen für Kinder unter 16 Jahre und Geschäfte sind geöffnet. Dies gilt unter Auflagen auch für die Gastronomie. Versammlungen sind bis zu 50 Personen erlaubt. Die Menschen sollen im Homeoffice arbeiten und bei Symptomen auf jeden Fall zu Hause bleiben. Strikt verboten sind dagegen seit Anfang April Besuche in Alten- und Pflegeheimen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der schwedische Ansatz hat von Beginn polarisiert. Während die einen darin einen probaten Weg sahen, um ohne einen Lockdown durch die Pandemie zu kommen und auch die Weltgesundheitsorganisation den Ansatz hervorhob, irritierte der oft als „schwedischer Sonderweg“ bezeichnete Kurs auch international. Und auch im Land war die Strategie der Regierung längst nicht unumstritten; schon im März forderten zahlreiche Wissenschaftler einen radikalen Kurswechsel.

Mehr zum Coronavirus:

Tegnell hatte sich am Mittwoch erstmals selbstkritisch geäußert. „Ich denke, es gibt Verbesserungspotenzial bei dem, was wir in Schweden gemacht haben, ganz klar“, sagte er in einem Interview. Später relativierte er seine Aussagen und sagte: Es wäre sehr viel besser gewesen, wenn man in Alten- und Pflegeheimen besser vorbereitet gewesen wäre. Dort hätte man auch mit dem Testen schneller sein müssen. Es gebe Dinge, die Schweden hätte besser machen können. „Aber ich denke, die grundsätzliche Strategie hat gut funktioniert.“

Der schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegnell.

© Jonathan Nackstrand/AFP

Der Sender SVT sieht für das nun schwindende Vertrauen der Bürger mehrere Ursachen. Eine wichtige Erklärung sei, dass die Coronavirus-Krise in einer neuen Phase sei. Die erste Zeit sei davon geprägt gewesen, die Nation mit Blick auf die schwedische Strategie zu einen. Allmählich sei dann mehr und mehr infrage gestellt und kritisiert worden.

Zudem gebe es mehrere konkrete Punkte, bei denen Schweden wenig schmeichelhaft hervorsteche. „Eine solche Frage ist die deutlich höhere Todesrate in Schweden als in vergleichbaren Ländern wie Dänemark, Finnland oder Norwegen. Eine andere ist, dass Altenheime generell betrachtet in Schweden schwerer betroffen sind, als in den meisten anderen Ländern.“ Woran dies liege, lasse sich noch nicht sagen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ein anderer Punkt, der das sinkende Vertrauen erkläre, sei die Debatte um die Tests. Die Regierung hatte angekündigt, dass pro Woche 100.000 Personen getestet werden sollten. „Es sind jedoch nicht mehr als 35.000 pro Woche geworden“, heißt es bei SVT. Regierung und lokale Behörden hätten sich hier gegenseitig die Schuld zugewiesen, was das Vertrauen in das Krisenmanagement nicht gestärkt habe.

[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-NewsletterFragen des Tages. Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Der Novus-Demoskop Torbjörn Sjöström sagte zu den am Donnerstag veröffentlichten Zahlen, die Regierung und die verantwortlichen Behörden hätten es jetzt schwer. Zwar habe das Gesundheitssystem bisher funktioniert, aber unter anderem die hohe Todesrate bei Älteren wirke sich belastend aus. Die Bürger wollten nun wissen, wie groß das Ausmaß der Pandemie im Land sei und wie lange ältere Menschen noch zu Hause bleiben müssten; Fragen, die nicht beantwortet würden.

„Nun ist ein anderer Umgang mit der Pandemie gefragt, verglichen mit dem akuten Krisenmanagement, das nach Ansicht der Bürger vor ein paar Monaten ausreichend war“, sagte Sjöstrom. Der Vertrauensverlust bedeutet seiner Meinung nach auch das Ende des politischen Burgfriedens.

„Vorher hat niemand gewagt, die Regierung zu kritisieren“, sagte Sjöström. Jetzt aber sei in der Coronavirus-Pandemie der Startschuss für eine politisch aufgeladene Debatte gefallen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false