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Marco Buschmann (FDP), Bundesjustizminister

© dpa/Wolfgang Kumm

Verstoß gegen das Grundgesetz: Buschmann lässt umstrittenen Justiz-Infodienst einstellen

Der Staat darf keinen Journalismus betreiben, trotzdem brachte eine Staatsfirma einen Justiz-Newsletter an den Start. Ein neues Gutachten zwingt nun zum Rückzieher.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lässt den erst im vergangenen Jahr gestarteten Online-Informationsdienst für juristische und rechtspolitische Nachrichten „Libra Rechtsbriefing“ stoppen. Grund dafür ist ein vom Ministerium selbst in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, wonach das Briefing als Verstoß gegen das Gebot der Staatsfreiheit der Presse bewertet wird.

Das „Libra Rechtsbriefing“ ist ein Angebot der Saarbrücker Juris GmbH, an der der Bund eine Mehrheit hält. Kern ist ein wöchentlicher Newsletter, der in einem journalistischen Ton gehalten ist und erkennbar einen weiten Leserkreis adressieren soll. Das Justizministerium erklärte, es habe mit der Juris GmbH und dem zweiten großen Gesellschafter, der französischen Fachverlagsgruppe Lefebvre Sarrut, ein Gespräch geführt. Juris habe zugesagt, das Angebot unverzüglich offline zu stellen.

Das Gebot der Staatsferne verbietet organisatorische Arrangements, die dem Staat die rechtliche Möglichkeit einräumen, auf die Presse einzuwirken.

Juraprofessor Christoph Möllers in einem Gutachten für das Justizministerium

Zuvor hatte der Berliner Juraprofessor Christoph Möllers ein Rechtsgutachten vorgelegt, in dem das Informationsangebot auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft wird. Das Ergebnis ist mit Blick auf die Bundesbeteiligung ein klares Nein. Das Briefing stehe „in Abhängigkeit von einem staatlich beherrschten Unternehmen. Die Einrichtung von Libra verstößt deswegen gegen den Verfassungsgrundsatz der Staatsfreiheit der Presse.“

Aufklärung ja, Meinungsbildung nein

Dem Gutachten zufolge sind dem Staat bei seiner Informationsarbeit klare Grenzen gesetzt. Politische Aufklärung, wie durch die Bundeszentrale für politische Bildung, sei möglich. Über Pressemedien unmittelbar an der öffentlichen Meinungsbildung beteiligen dürfe der Staat sich aber nicht: Das Gebot der Staatsferne verbiete „organisatorische Arrangements, die dem Staat die rechtliche Möglichkeit einräumen, auf die Presse einzuwirken. Es verbietet nicht nur tatsächliche Einflussnahme, sondern bereits deren organisierte Möglichkeit.“

Mit seiner auf Rechtspolitik fokussierten Berichterstattung und Kommentierung operiere der „Libra“-Dienst „im Kern eines offenen politischen Willensbildungsprozesses und damit auch im Kern eines objektiv-rechtlichen Verständnisses der Pressefreiheit“, heißt es weiter. Angesichts seiner publizistischen Form handele es sich „klar um ein Presseorgan“. Auch ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht erscheine „hier sehr gut möglich“, urteilt Möllers.

Das Justizministerium hatte stets betont, es nehme in keiner Weise Einfluss auf die inhaltliche oder sonstige Ausgestaltung des „Libra Rechtsbriefings“. Trotzdem ist das Angebot auch deshalb umstritten, weil es mit Gelb als Gestaltungsmittel eine Farbe einsetzt, die auch die FDP nutzt, und die rechtspolitischen Vorhaben des Ministers zumindest in Teilen mit Wohlwollen begleitet werden.

Der Aufsichtsrat der Juris GmbH, in dem neben dem Justizministerium auch das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium des Innern und für Heimat vertreten sind, muss sich nun vorwerfen lassen, die Entwicklung des neuen Angebots nicht mit dem gebotenen Gefühl für die nötige „Staatsferne der Presse“ verfolgt zu haben.

Das Justizministerium verteidigt sich damit, die Regierung sei über Details nicht informiert gewesen. Der Juris-Aufsichtsrat sei im Dezember 2020 davon in Kenntnis gesetzt worden, dass ein „innovatives neues E-Zine“ für „online Rechtsinformationen“ geplant sei, teilte ein Sprecher mit. Eine Erörterung der rechtlichen Rahmenbedingungen habe es nicht gegeben. Über den Start des Angebots habe die Juris-Geschäftsführung die Aufsichtsratsmitglieder dann „nachträglich“ am 27. April 2022 informiert.

Für die Union im Bundestag ist neben dem Rechtsbriefing auch das hohe Gehalt ein Thema, das dem Juris-Geschäftsführer zugestanden wird. Er erhält mehr als 300.000 Euro jährlich. Der CDU-Abgeordnete Martin Plum sagte, dem „liberalen Haus“ von Marco Buschmann sei eine gute Presse scheinbar wichtiger als Pressefreiheit. „Wir bestehen als CDU/CSU weiter auf einer umfassenden Aufklärung der Libra-Affäre und des Juris-Komplexes.“

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