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Die Kriegswirtschaft des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat die bisherigen EU-Sanktionspakete zu spüren bekommen.

© Reuters/Sputnik

Zwischen Abhängigkeit und Sanktionsforderung: Europas schwieriges Verhältnis zu Russlands Staatskonzern Rosatom

In der Europäischen Union wird über ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland beraten. Die Grünen fordern Maßnahmen gegen den Staatskonzern Rosatom – doch dabei gibt es Probleme.

Derzeit beginnen in Brüssel die Beratungen über eine weitere Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland. Im Raum steht dabei die Frage, ob nun auch Importe von angereichertem Uran aus Russland in die EU beschränkt werden. Ob sich die EU zu einem solchen Schritt durchringen kann, ist aber ungewiss.

„Die Idee kursiert seit Tag 1“, heißt es aus EU-Diplomatenkreisen mit Blick auf eine mögliche Beschränkung der russischen Uranlieferungen. Anders gesagt: Schon bei der Verhängung der ersten Sanktionen gegen Russland vor einem guten Jahr wurde darüber nachgedacht, Importverbote für russische Unternehmen wie Rosatom zu beschließen. Der staatliche Konzern Rosatom gehört zu den wichtigsten Lieferanten für angereichertes Uran und Brennstäbe, die in Atomkraftwerken in EU-Ländern wie Frankreich, Finnland und Ungarn verwendet werden.

Und hier liegt auch der Haken, wenn es um eine mögliche Sanktionierung von Rosatom durch die EU geht. „Es ist bisher sehr schwierig, den nötigen politischen Rückhalt dafür zu gewinnen“, heißt es in den EU-Diplomatenkreisen weiter. „Denn Länder wie Frankreich sind besonders abhängig von den Importen.“

Zuletzt hatte die EU im Februar am Jahrestag der russischen Invasion ihr zehntes Sanktionspaket gegen die Kriegswirtschaft des Präsidenten Wladimir Putin beschlossen. Auch hier hatte sich gezeigt, dass die EU-Kommission aufgrund des Widerstands von Ungarn und Frankreich darauf verzichtete, die Uranimporte auf die Sanktionsliste zu nehmen. Sanktionen müssen im Kreis der 27 Mitgliedsstaaten einstimmig beschlossen werden, jedes Land hat ein Vetorecht.

Doch das hält innerhalb der Ampel-Koalition in Berlin vor allem die Grünen nicht davon ab, eine Sanktionierung des russischen Konzerns Rosatom zu verlangen und damit eine Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu erfüllen. „Es ist völlig inakzeptabel, dass europäische Firmen weiterhin Atomgeschäfte mit dem russischen Staatskonzern Rosatom machen“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, dem Tagesspiegel. „Das nächste Sanktionspaket muss auch den Atombereich umfassen.“

Der Grünen-Politiker rief in Erinnerung, dass Rosatom nicht nur in der zivilen Nutzung der Kernenergie, sondern auch für den russischen Kernwaffenkomplex tätig ist. „Das russische Regime nutzt seine Atomwaffen, um anderen Staaten zu drohen“, so Hofreiter. Putin hat angekündigt, ab Juli taktische Nuklearwaffen nach Belarus zu verlegen. Gleichzeitig besetzt Russland seit rund einem Jahr Europas größtes Atomkraftwerk in Saporischschja und stationiert auf dem Kraftwerksgelände militärisches Gerät.

Nach den Worten von Hofreiter müssten geschäftliche Beziehungen mit Rosatom untersagt werden. „Rosatom-Manager, die sich in den Betrieb ukrainischer Kernkraftwerke einmischen und die nukleare Sicherheit Europas gefährden, gehören auf die Sanktionsliste“, forderte er. Zudem sollten alle zwischenstaatlichen Vereinbarungen und Forschungsprojekte mit dem Staatskonzern beendet werden. Die EU sollte umgehend mit der westlichen Industriestaatengruppe der G7 „eine gemeinsame Taskforce bilden, die den Ausstieg aus der Zusammenarbeit mit Rosatom vorbereitet“, verlangte Hofreiter.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur, man habe gesehen, dass Russland gezielt Abhängigkeiten im Energiebereich als Druckmittel einsetze. „Die Bundesregierung hat sich daher jetzt gegenüber der Europäischen Kommission für eine Einbeziehung auch des zivilen Nuklearsektors ausgesprochen. Das sollte Bestandteil des nächsten Sanktionspakets sein.“

Rosatom-Manager gehören auf die Sanktionsliste.

Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag

Schon zuvor hatte Habeck einen schrittweisen Ausstieg aus den europäischen Uranimporten aus Russland ins Gespräch gebracht. Der Wirtschaftsminister hatte vorgeschlagen, die Uranlieferungen in einem halben Jahr zu reduzieren und in neun Monaten ganz zu beenden. Ein solches Vorgehen kennt die EU bereits aus der Vergangenheit: Das im vergangenen Jahr verhängte Kohle- und Ölembargo hatte einen jeweils monatelangen Vorlauf.

Rosatom-Ingenieure könnten demnächst auch in Niedersachsen tätig werden. Lingen, wo am Samstag das Kernkraftwerk Emsland abgeschaltet werden sollte, ist auch der Standort der Brennelementefabrik ANF, die zum französischen Framatome-Konzern gehört. In der Fabrik, die vom Atomausstieg ausgenommen ist, plant Framatome eine Zusammenarbeit mit einem Rosatom-Tochterunternehmen zur Belieferung osteuropäischer Reaktoren.

Über die möglichen Details des geplanten elften Sanktionspakets hält man sich in Brüssel derzeit bedeckt. Alle Sanktionsoptionen befänden sich noch auf dem Verhandlungstisch, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission.

Grundsätzlich soll das elfte Paket dazu dienen, Schlupflöcher in den bestehenden Strafmaßnahmen zu schließen und der Umgehung von Sanktionen einen Riegel vorzuschieben, hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt. Die EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness sagte dem US-Medium CNBC: „Die Bemühungen Russlands und seiner weltweiten Freunde, unsere Sanktionen zu umgehen, sind nicht zu unterschätzen – sie beeinträchtigen die russische Wirtschaft, sie beeinträchtigen die russische Kriegsmaschine.“

Auf die Frage, ob die EU in ihrer nächsten Sanktionsrunde auch gegen einzelne Staaten vorgehen werde, die Russland bei der Umgehung der Strafmaßnahmen helfen, machte McGuinness deutlich, dass ein solches Vorgehen gegen Drittländer schwierig ist. Stattdessen gehe es darum, weitere Einzelpersonen und Unternehmen ins Visier zu nehmen, sagte sie.

Im vergangenen Jahr hatte das US-Finanzministerium eine Liste von Ländern veröffentlicht, die Russland bei der Umgehung der Sanktionen helfen. Darunter befanden sich Armenien, Georgien, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. Der Vorwurf lautet, dass Dual-Use-Güter, die auch für Moskaus Kriegswirtschaft von Bedeutung sind, über diese Länder am Ende nach Russland gelangen.

Auch das von der EU verhängte Ölembargo trifft Moskau nur begrenzt, weil Russland nach Medienberichten den Rohstoff in den vergangenen Monaten verstärkt nach China, Indien und die Türkei exportiert hat. Im vergangenen Monat hatte Russlands Energieminister Nikolai Schulginow erklärt, es sei gelungen, alle von westlichen Sanktionen betroffenen Rohölexporte an „befreundete“ Staaten umzulenken.

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