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Bei diesem Gebäude auf Rügen dürfte nicht nur eine energetische Sanierung fällig sein. Aber viele Häuser sind über die Jahre in Teilschritten in ihrer Energieeffizienz verbessert worden. Deshalb rechnet sich eine umfangreiche Sanierung oft auch nicht.

© dpa

Energieeffizienz: Verloren im Sanierungsdschungel

Doppelt so viele Häuser wie derzeit sollen energetisch in Schuss gebracht werden Doch bisher hat die Regierung noch nicht einmal eine Definition dafür zu bieten, wie die Sanierungsquote eigentlich ermittelt wird.

Die „Sanierungsrate“ ist als politische Messgröße seit dem Energiekonzept der schwarz-gelben Regierung aus dem Jahr 2010 in Gebrauch. Doch wie diese Kenngröße berechnet wird, ist zumindest der Bundesregierung völlig unklar. Auf eine schriftliche Frage der grünen Bundestagsabgeordneten Julia Verlinden, schrieb die Staatssekretärin im Bauministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), es gebe „derzeit noch keine abschließende Definition der ,Sanierungsrate’“. Daher plane die Bundesregierung „einen geeigneten Indikator für die unterschiedlichen Sanierungsintensitäten zu erarbeiten“, heißt es in der dem Tagesspiegel vorliegenden Antwort weiter.
Die „Sanierungsrate“ ist übrigens nicht die einzige Effizienz-Maßeinheit, über die sich die Regierung komplett im Unklaren ist. Auch der Begriff „Niedrigstenergiestandard“ bei Neubauten, der für die öffentliche Hand von 2019 und für alle Bauherren bis 2021 zum Standard werden soll, wie es im Energieeinsparungsgesetz beschlossen wurde, ist nicht definiert. Anfang August hatte Energieexpertin Verlinden auch danach gefragt und vom Staatssekretär im Energieministerium, Rainer Baake (Grüne), folgende Antwort bekommen: „Die konkreten Anforderungen an ein Niedrigstenergiegebäude werden im Rahmen einer Novelle der Energieeinsparverordnung geregelt. Dies ist für 2016 vorgesehen.“ Zuvor müssten die „technisch und wirtschaftlich machbaren Anforderungen“ zunächst „durch ein Gutachten“ ermittelt werden.
Das Gesetz war in Sachen „Niedrigstenergiegebäude“ sehr vage. Dort werde es beschrieben als „Gebäude, das eine sehr gute Gesamtenergieeffizienz aufweist“, zitiert Baake in seiner Antwort.

Die Sanierungsrate soll alle möglichen Forderungen begründen

Das hindert die politischen Akteure allerdings nicht daran, die „Sanierungsquote“ als Kronzeugin für ihre Forderungen zu nutzen, etwa für eine massive Aufstockung des KfW-Förderprogramms zur energetischen Sanierung.
Gängig sind derzeit zwei Definitionen. Das Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) und das Bremer Energie-Institut (BEI) haben 2010 in einem Gutachten für die Regierung Daten von etwa 7500 Gebäuden erhoben. Die Sanierungsrate berechnen die beiden Institute aus fünf Einzelsanierungsschritten: Dämmung der Außenwand, Dämmung des Daches oder obersten Geschossdecke, Dämmung des Fußbodens oder der Kellerdecke sowie Erneuerung der Fenster. Diese fünf Baumaßnahmen werden nach ihrer Heizwärmeeinsparung gewichtet. Für die Jahre 2005 bis 2008 berechneten die Institute auf dieser Datenbasis eine durchschnittliche Sanierungsrate von 0,83 Prozent im Jahr.

Verschiedene Berechnungsmethoden

In einem 2013 für das damalige Bauministerium erstellten Gutachten hat wiederum das IWU die Sanierungsquote nur noch auf die Wärmedämmung bezogen. Die Sanierungsquote ergibt sich nach dieser Definition aus der Gesamtfläche, die in einem Jahr gedämmt wird, geteilt durch die Gesamtfläche aller Gebäudefassaden im Bestand. Das IWU kommt in diesem Gutachten auf eine Sanierungsquote zwischen 2005 und 2009 von 0,79 Prozent.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft fordert, auch die Sanierung von Heizsystemen in die Sanierungsquote einzurechnen, weil es ein hohes Einsparpotenzial gebe. Der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur (Dena), Stephan Kohler, hat bei einem Vortrag im September 2012 zwar ebenfalls auf den „Modernisierungsstau in Heizungskellern“ hingewiesen, ohne ihn allerdings näher zu beschreiben. Nach Dena-Angaben sind 65 Prozent der Fassaden und 30 Prozent der Dächer ungedämmt. Das Berliner Empirica-Institut ist 2012 zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Allerdings bewertet es die Zahlen anders. Auch alte Häuser seien energetisch in einem ziemliche guten Zustand, argumentiert das Institut. Kein Wunder, dass Hausbesitzer sich mit der Orientierung im Sanierungsdschungel schwer tun.

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