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Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat Gedankenspielen etwa zu möglichen höheren Steuern eine Absage erteilt.

© imago images / Emmanuele Contini

Update

Lückenhafter Klimaschutz: Verkehrskommission findet keinen Kompromiss

Bis in den Morgen saß die Arbeitsgruppe der Nationalen Plattform zusammen. Auf ein paar Maßnahmen kann sie sich einigen – für das Klimaschutzziel 2030 reicht es nicht.

Um 3 Uhr 45 am frühen Dienstagmorgen gab es zum ersten Mal Applaus in der Verkehrskommission. Nach einer fast 17-stündigen Sitzung, in der die Arbeitsgruppe 1 der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität mehrfach am Rande des Eklats gestanden hatte, zollten die 20 Mitglieder dem AG-Vorsitzenden Franz Loogen Respekt. Er hatte den letzten Sitzungsmarathon und die vorangegangenen Treffen moderiert, bei denen die Experten aus Industrie- und Umweltverbänden, Unternehmen, Gewerkschaften und Wissenschaft über Monate bis zur Erschöpfung über Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Verkehr verhandelt hatten.

Begeisterung wollte gleichwohl bei den Fachleuten im Morgengrauen nicht aufkommen. Als sie wenige Minuten später erneut Beifall spendeten, würdigten sie das magere Ergebnis ihrer Arbeit – ein dünnes Maßnahmenpaket, das bei weitem nicht ausreicht, um die Klimaziele der Bundesregierung für das Jahr 2030 zu erreichen. Statt für den Verkehrsbereich in Summe eine Reduzierung um gut 70 Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zum Jahr 1990 zu vereinbaren - also gut 40 Prozent -, blieb eine Lücke von 16 bis 26 Millionen Tonnen übrig.

„Wir sind enttäuscht, dass die Kommission sich nicht auf Maßnahmen zur Schließung der Klimaschutz-Lücke einigen konnte“, sagte Dirk Flege vom Bündnis Allianz pro Schiene am Dienstag in Berlin. Auf dieser Grundlage werde Deutschland seine Klimaziele verfehlen. In einer gemeinsamen Erklärung mit den Umweltverbänden BUND und Nabu sowie dem Fahrrad-Club ADFC bedauerte die Allianz, dass man sich beispielweise nicht auf die Einführung einer Quote für Elektroautos und eine Bonus-Malus-Regelung für Neufahrzeuge, also Abgaben auf Fahrzeuge mit hohem Verbrauch und Zuschüsse für Fahrzeuge mit energieeffizientem Antrieb, geeinigt habe. Der nationale Luftverkehr als klimaschädlichster Verkehrsbereich sei gar nicht angesprochen worden, sagte Flege.

Industrie zeigt sich zufrieden

Anders stellten es Industrievertreter dar. Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, sprach von einem „wichtigen Schritt nach vorne“. Die notwendigen Handlungsfelder und Hebel seien klar beschrieben. „Wir wissen nun sehr viel präziser, wie die Mobilität der Zukunft aussehen muss.“

Geeinigt hatten sich die Experten darauf, dass die Regierung prüfen solle, dem CO2-Ausstoß im Verkehr und anderen Bereichen einen Preis zu geben. Es geht um alle Sektoren, die nicht vom Emissionshandel der EU abgedeckt sind. Das würde auch den Gebäudebereich, die Landwirtschaft und Teile der Industrie betreffen. Ein CO2-Preis würde das Fahren von Autos mit hohem Spritverbrauch teurer machen. Allerdings legte die Arbeitsgruppe auch Wert auf eine sozialverträgliche Gestaltung.

Auch der Autoverband VDA äußerte sich positiv. „Die Arbeitsgruppe zielt in die richtige Richtung.“ Es sei aufgezeigt worden, welche Technologiehochläufe möglich seien und auf welchen Handlungsfeldern jetzt schnell agiert werden müsse, um den Klimaschutz im Verkehrssektor erfolgreich zu gestalten. „Kurzfristig hat hier die Elektromobilität eine Schlüsselfunktion“, erklärte der VDA. Für deren Hochlauf seien nun optimale Rahmenbedingungen und „entschlossene Anstrengungen und Investitionen aller Beteiligten“ sowie eine „hohe Kundennachfrage“ nötig. Zu den Klimaschutz-Maßnahmen, auf die sich die Arbeitsgruppe geeinigt hatte, zählen unter anderem auch ein deutlicher Ausbau des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene, ein Ausbau der Ladeinfrastruktur oder ein Hochlauf strombasierter Kraftstoffe.

Als Hauptursache für Atemwegs- und Herzkreislauf-Erkrankungen machen Mainzer Forscher kleinste Feinstaubteilchen aus.
Als Hauptursache für Atemwegs- und Herzkreislauf-Erkrankungen machen Mainzer Forscher kleinste Feinstaubteilchen aus.

© Jan Woitas/dpa

Aus der Politik kam am Dienstag scharfe Kritik an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der frühere Überlegungen in der Kommission zum Tempolimit oder einer Steuererhöhung auf Sprit öffentlich gerügt hatte. Scheuer trage „mit seinen Denkverboten und Sabotageakten“ die Verantwortung dafür, dass die Arbeitsgruppe 1 kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt habe, sagte Anton Hofreiter, Grünen-Fraktionschef im Bundestag. „Sein Ziel war von Anfang an, den Klimaschutz im Verkehr auszubremsen.“ Die Konflikte, die in der Kommission zutage getreten seien, ließen sich nur politisch lösen. „Die Bundesregierung ist daher jetzt am Zug“, sagte Hofreiter.

Nach Ostern soll es weiter gehen 

Der unvollständige Zwischenbericht der AG1 sowie weitere Berichte der übrigen fünf Arbeitsgruppen der NPM werden an diesem Freitag nun dem Lenkungskreis der Plattform unter der Leitung von Henning Kagermann übergeben. Nach Ostern wollen die Fachleute in der AG1 dann wieder zusammenkommen, um über mögliche weitere Maßnahmen zu beraten. Die nächste Lenkungskreissitzung ist für Juni geplant. Die Pläne von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die CO2-Reduktionsziele bis 2030 schon im Sommer gesetzlich zu verankern, werden inzwischen allgemein für unrealistisch gehalten. „Das ist Geschichte“, hieß es am Dienstag aus der Kommission. Frühestens Ende des Jahres sei bestenfalls mit einem Gesetzentwurf zu rechnen.

Die Arbeit in der Verkehrskommission hatte sich zuletzt äußerst schwierig gestaltet – nicht zuletzt, weil das Verkehrs- und Wirtschaftsministerium massiv interveniert hatten. So hatte Verkehrsminister Scheuer zwischenzeitlich die Richtung vorgegeben: Er wolle keine "Verbote, Einschränkungen und Verteuerungen", sondern "Anreize, Förderung, Innovation", hatte der Minister gesagt. Ohne einen Preis für den CO2-Ausstoß zu setzen und damit klimaschädliche Verkehrsträger zu sanktionieren, würden die Ziele bis 2030 aber nicht erreicht, hatte selbst der Bundesverband der deutschen Industrie erklärt und entsprechende „Klimapfade“ berechnet. Umweltverbände kritisierten, der BDI gebe sich damit konziliant, lehne aber tatsächlich die von der Regierung gesetzte Zielmarke ab.   

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