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Deutschlands gute Mitte? Kaum einer in der CDU sieht das so wie die Demonstrantin am vergangenen Samstag in Erfurt.

© imago images/Karina Hessland

Verhältnis zur Linkspartei: Die CDU verharrt in ihrer selbst gestellten Falle

Gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken, keine Stimmen für Bodo Ramelow: So blockiert sich die CDU selbst, aktuell in Thüringen. Eine Analyse.

Von Matthias Meisner

In der CDU vertritt Ruprecht Polenz eine Einzelmeinung. Der frühere CDU-Generalsekretär hat seine Parteifreunde dazu aufgerufen, sich bei einer neuen Ministerpräsidenten-Wahl im Landtag von Thüringen geschlossen zu enthalten - und somit der Bildung einer rot-rot-grünen Landesregierung unter Führung des Linken-Politikers Bodo Ramelow nicht länger entgegenzustehen. Ramelow war Regierungschef von 2014 bis zu seiner Abwahl am 5. Februar, der erste seiner Partei in diesem Amt.

„Niemand kann von der Opposition verlangen, dass sie die Regierung mitwählt“, begründet Polenz im Gespräch mit dem Tagesspiegel seinen Vorschlag unmittelbar vor einer für Montagabend in Erfurt geplanten Spitzenrunde von Landespolitikern aus CDU, Linkspartei, SPD und Grünen. „Aber sie hat auch die Aufgabe, zu verhindern, dass das Land unregierbar wird. Die völkisch-nationalistische AfD arbeitet auf diesen Zustand hin, um unsere Demokratie zu diskreditieren.“

Entspannt sich das Verhältnis der CDU zur Linken? Von wegen. Zwar sind Linke und SPD vor dem von der CDU nach dem Wahl-Debakel initiierten Spitzengespräch in Erfurt verhalten optimistisch - aber zugleich auch unsicher. „Meine Erwartung: Gesprächsbasis herstellen“, sagt Linken-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow, „danach weiß ich mehr“. Thüringens SPD-Chef Wolfgang Tiefensee wünscht sich die Wahl von Ramelow noch im Februar - und die Wiedereinsetzung der rot-rot-grünen Regierung im alten Zuschnitt. Danach so bald wie möglich Neuwahlen - wofür allerdings bisher die Zustimmung der CDU fehlt.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am vergangenen Donnerstag im Bundestag: "Sollen wir die Mauertoten noch einmal zählen?"
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am vergangenen Donnerstag im Bundestag: "Sollen wir die Mauertoten noch einmal zählen?"

© Britta Pedersen/dpa

Die Spitzenpolitiker der CDU im Bund dreschen wechselweise auf AfD und Linke ein. Paul Ziemiak etwa, der amtierende CDU-Generalsekretär, hatte gleich nach der Thüringen-Wahl den Hamburger CDU-Parteitagsbeschluss vom Dezember 2018 bekräftigt: „Wir lehnen jegliche Zusammenarbeit mit der Linken ab. Es gibt keine Basis, auf der man irgendwelche Gespräche führen kann. Und das hat sich in den letzten Wochen auch nicht geändert“, sagte er damals im Interview mit dem „Westfalen-Blatt“.

"Sollen wir die Mauertoten nochmal nachzählen?", fragt Ziemiak

Am vergangenen Donnerstag im Bundestag, in einer von der Linksfraktion beantragten aktuellen Stunde zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen, legte Ziemiak noch einmal nach. Warum er Björn Höcke einen „Nazi“ nenne, fragte Ziemiak rhetorisch - und gab zur Antwort: „Weil er erwiesenermaßen einer ist.“ Dann aber grenzte er sich auch ebenso scharf von der Linkspartei ab. Er lehnte es ab, das Verhältnis zur Partei auch von Bodo Ramelow zu überdenken: „Sollen wir die Mauertoten noch mal nachzählen?“, fragte Ziemiak. Teile der Linken würden vom Verfassungsschutz beobachtet, andere sich nicht von Gewalt gegen Menschen distanzieren. „Was gibt es da zu diskutieren mit uns?“

Vergeblich warb die neue Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali um Lockerungsübungen. Sie nannte den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, was die Linke angeht, „völlig verantwortungslos“. Und bezeichnete Behauptungen, dass Die Linke ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet habe, als „nachweislich falsch“ und „absurd“.

Linke: Antikommunismus ist Relikt aus Adenauer-Zeit

Auch Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte empfindet die von der Union vorgenommene Gleichbehandlung im Umgang von AfD und Linke als „unsäglich“. Er bezieht sich auch darauf, dass die Unionsfraktion zu Beginn der neuen Legislaturperiode des Bundestages beschlossen hatte, weder mit AfD noch mit Linkspartei zusammenarbeiten zu wollen. „Der Antikommunismus in der Union ein Relikt aus der Adenauer-Zeit“, sagt Korte. Die Abgrenzung der Union zur Linken war im Bundestag eine langjährig geübte Praxis, sie wurde im Februar 2018 auf die AfD ausgeweitet.

Thüringens Ex-Ministerpräsident Ramelow sagt, die im Kooperationsverbot vorgenommene Gleichsetzung von Linken und AfD sei „unerträglich“. Schließlich heiße es in Thüringen immer, er sei „das Bürgerlichste, was hier rumlatscht“, berichtet Ramelow der „Süddeutschen Zeitung“. Und: „Ich habe mir keine Kommunistenmütze aufgesetzt, ich habe keine Mitgliedschaft in der Antifa GmbH, ich bin einfach ich.“

In Kommunen Kooperationen mit AfD und Linkspartei

Landauf landab gibt es in Kommunen Kooperationen zwischen der CDU und der Linkspartei auf der einen und der AfD auf der anderen Seite. Im brandenburgischen Velten stimmte die CDU im Stadtrat dieser Tage sogar mit der AfD und der rechtsextremen NPD gegen „zunehmende Entfremdung“.

Doch fast immer, wenn die CDU später Grenzen zieht, erfolgt die Absage an AfD und Linkspartei in einem Atemzug. So wie am Wochenende: Die CDU Sachsen-Anhalt entschied, den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Lars-Jörn Zimmer, aus dem Landesvorstand zu werfen, nachdem der eine Tolerierung der CDU durch die AfD als denkbar bezeichnet und auch Gespräche mit den Vertretern der rechtsradikalen Partei gefordert hatte. Zimmer ist Mitautor einer „Denkschrift“, laut der es gelingen müsse, das „Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“. CDU-Landeschef Holger Stahlknecht kommentierte den Landesvorstandsbeschluss anschließend mit den Worten: „Weder die AfD noch die Linken sind für die CDU Ansprechpartner oder Verbündete.“

„Man muss die Auslegung dieses Beschlusses einer Partei vor Ort überlassen“, fordert im „Spiegel“ Thüringens scheidender CDU-Chef Mike Mohring. Doch zum einen sinkt dessen Einfluss. Zum anderen muss er sich vorhalten lassen, dass der Tabubruch von Erfurt von einem seiner engen Mitarbeiter eingefädelt wurde. Bei den Gesprächen am Montagabend in Erfurt sollte Mohring nicht dabei sein. Als sein Nachfolger als CDU-Landesvorsitzender ist ausgerechnet der ehemalige Ost-Beauftragte der Bundesregierung im Gespräch, Christian Hirte. Der war von Kanzlerin Angela Merkel unter anderem wegen seiner Gratulation für den thüringischen Ministerpräsidenten von AfD-Gnaden abgelöst worden. „Völlig schmerzfrei“ sei die Landes-CDU in dieser Frage, sagt ein Beobachter in Erfurt.

Wanderwitz: „Kopf durch die Wand ist keine Lösung“

So spricht kaum etwas dafür, dass die CDU ihren Abgrenzungsbeschluss zur Linken in absehbarer Zeit lockert - auch Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Bundesvorsitzende auf Abruf wird das nicht mehr durchsetzen.

Und selbst der sächsische CDU-Politiker Marco Wanderwitz, Nachfolger von Hirte im Amt des Ost-Beauftragten der Bundesregierung, ist nicht dafür. Zwar benennt er klarer als viele andere in der Ost-CDU Spitzenpolitiker der AfD als „Nazis“. Aber sollte deshalb nun seine Partei nach links offener sein? In Thüringen gebe es eine in der Person Bodo Ramelow liegende „absolute Sonderkonstellation“, sagt Wanderwitz dazu - aber „aus guten Gründen“ eine „klare Beschlusslage“ für den Umgang auch mit der Linkspartei, „wegen früher und wegen heute“. Beides könne sich ändern, „dazu müsste sich aber die Linke weiter ändern“, erläutert der Bundestagsabgeordnete.

Bis auf weiteres verzichtet Wanderwitz auf Kompromiss-Signale an die Linkspartei. Er unterstützt den Vorschlag des sächsischen Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Michael Kretschmer, der für Thüringen eine „Expertenregierung“ fordert, die von einer „neutralen Persönlichkeit“ geführt wird. „Wenn man keine Mehrheit hat, kann man nicht Ministerpräsident sein. Kopf durch die Wand ist da keine Lösung.“

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