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Sommerschule in Berlin für Kinder eingewanderter Roma. Auch die seit Jahrhunderten hier ansässigen Mitglieder der Minderheit haben viel zu wenig Zugang zu Bildung.

© Kitty Kleist-Heinrich

Update

Vereine der Minderheit befragt: Sinti und Roma wollen mehr Hilfe für Bildung und Arbeit

Der Kontakt zur Politik wird besser, meinen die Organisationen von Sinti und Roma. Aber wer Wohnung oder Job brauche, werde immer häufiger diskriminiert.

Organisationen der Sinti und Roma sind nach eigener Aussage stärker als früher mit Diskriminierung der Minderheit, mit Antiziganismus, konfrontiert. In einer Umfrage sagten 69 Prozent der rund 50 befragten Vereine, dass sie deswegen oft aktiv werden müssen. Vor allem gehe es dabei um herabsetzendes Verhalten und Ungleichbehandlung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, aber auch im Umgang mit Behörden oder Schulen. Zwei Drittel von ihnen gaben an, die Lage habe sich in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert. Für die Studie wurden vor allem Selbstorganisationen von Sinti und Roma befragt, etwa ein Fünftel waren andere Verbände, die sich für sie engagieren. In Auftrag gegeben hat die Befragung die Hildegard-Lagrenne-Stiftung. Vor knapp acht Jahren wurde sie von 37 Roma-Einzelorganisationen ins Leben gerufen, um die Lebensbedingungen und Teilhabe von Sinti und Roma zu verbessern. Kurz zuvor war das Mahnmal für ihre etwa 500.000 Opfer der NS-Vernichtung in Berlin eingeweiht worden. Etwa zeitgleich hatte aber auch eine Untersuchung zutage gefördert, dass immer noch 44 Prozent der Minderheit keinen Schulabschluss hatten und selbst zehn Prozent der jungen Generation zwischen 14 und 25 Jahren nicht einmal in der Grundschule waren.

"Keine Anbindung an Schulen und Unis"

Genau da wünschen sich die Vereine auch mehr Hilfe. Zwei Drittel von ihnen sind in der Bildungsarbeit tätig und sehen sich überfordert durch das, was sie leisten müssten. Die besten Beziehungen gebe es zu Stiftungen und in den Kommunen - "das Lokale als teilhabepolitische Arena", nennen es die Autorinnen und Autoren. Der Mitautor und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Gert Weisskirchen, ein früherer Professor für Sozialpädagogik, weist darauf hin, dass Dialog und Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft sich nach Meinung von mehr als der Hälfte der befragten Organisationen im letzten Jahrzehnt verbessert habe.

"Was jedoch gänzlich fehlt, ist die Anbindung an Bildungseinrichtungen wie Schulen, Hochschulen, Unversitäten und Pädagogischen Hochschulen", heißt es in der Untersuchung. "Besonders stark" klafften Bedarf und die Kräfte der Organisationen auseinander, wenn sie Angehörige der Minderheit auf der Job- und Wohnungssuche unterstützen wollen. Weniger schwierig scheinen demnach die Kulturarbeit und der Dialog mit der Mehrheitsgesellschaft zu sein. Die Bedingungen für die Arbeit der Selbstorganisationen sind allgemein schlecht: "Nur etwa die Hälfte der Selbsorganisationen haben eigene Büros, noch etwas weniger auch eigene Versammlungsräume.".

Große Mehrheit arbeitet ehrenamtlich

Ein Drittel von ihnen hat keinerlei bezahlte Mitarbeiterinnen, ein Zehntel ihrer Projekte wird über private Förderung finanziert, zwei Drittel erhalten öffentliche Förderung, die allermeisten davon aber nur auf Zeit.

Fast alle Vereine und Organisationen der Sinti und Roma (95 Prozent) wünschen sich entsprechend, dass auch Deutschland eine nationale Roma-Strategie entwirft, um die Lage der Minderheit zu verbessern. Das hielt die Bundesregierung bisher nicht für nötig, wie der Europaabgeordnete Romeo Franz kürzlich im Tagesspiegel-Interview beklagte. Durch die Coronakrise ist vor allem in den Balkan-Ländern, wo viele Roma leben, ihre Lage noch schwieriger und teils lebensbedrohlich geworden.

In der ersten Fassung fehlte eine Jahreszahl. Die Lagrenne-Stiftung wurde im Herbst 2012 gegründet, es gibt sie also seit fast acht Jahren. Danke an Kommentator BMEK, dem das auffiel!

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