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Wird ein solcher Nachweis im Impfpass künftig verpflichtend? Besonders um Pflegekräfte ist dabei ein Streit entstanden.

© dpa / Patrick Pleul

Verantwortung der Pflegekräfte: Vorbilder sind ansteckend

Wer die Corona-Impfung will, muss überzeugen, nicht anordnen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Wo das Wissen fehlt, machen sich Vermutungen breit. Deswegen ist Aufklärung die schärfste Waffe gegen den Glauben an dunkle Mächte und verborgene Gefahren. Was fast überall im Leben gilt, ist auch im Kampf gegen die Pandemie richtig. Viele Politiker haben lernen müssen, dass schneidige Entscheidungsfreude ohne Kenntnis der Fakten zum untauglichen Führungsinstrument wird. Die Debatte über eine Impfpflicht für Pflegekräfte zeigt geradezu exemplarisch, wozu Halbwissen und fehlende Kenntnis der menschlichen Psychologie führten kann.

Bayern Ministerpräsident Markus Söder hat eine Diskussion über eine Impfpflicht gegen Corona für Pflegekräfte angeregt. Auslöser waren offenbar Meldungen über mangelnde Bereitschaft unter Schwestern und Pflegern in Krankenhäusern und Altersheimen, sich gegen den Virus impfen zu lassen. Kann das denn sein, fragt man sich fast automatisch – dass Menschen, die tagtäglich mit dem durch Covid-19 verursachten Leid und Sterben konfrontiert sind, sich nicht gegen diese Krankheit impfen lassen? Und dies, obwohl doch ihr Risiko, sich bei Patienten anzustecken, extrem hoch ist?

Ja, das scheint es tatsächlich zu geben. Zwar sind die wenigen Umfragen, die dazu Auskunft geben könnten, nicht ausreichend fundiert und die Auswahl derer, die sich daran beteiligt haben, vermutlich nicht repräsentativ. Aber eine Tendenz scheint sich zu bestätigen: Unter Ärztinnen und Ärzten geht der Anteil jener, die sich impfen lassen wollen, nahe 80 Prozent. Bei Pflegekräften ist er geringer. Ob sich tatsächlich nur jede dritte Krankenschwester und jeder dritte Pfleger durch eine Impfung schützen lassen will, ist fraglich. Aber über den Unterschied muss man nachdenken.

Überlastung in den Krankenhäusern

Ärzte haben einen höheren Kenntnisstand, und sie tauschen sich untereinander bei regelmäßigen, fast täglichen Treffen in Krankenhäusern aus. Einen ähnlichen Informationsfluss von den Medizinern zum Pflegepersonal scheint es nicht überall, vor allem aber nur selten zu geben. Das ist bedauerlich und vor allem wohl eine Folge der permanenten Überlastung aller Mitarbeitenden in den Krankenhäusern.

In jeder Gruppe von Menschen gibt es Meinungsführer - gleich, ob es weiblich oder männlich dominierte Kohorten sind. Mangelndes Faktenwissen führt dazu, dass jene in den Gruppen dominieren, die eine starke Ausstrahlung, die Überzeugungskraft haben. Beredsamkeit schlägt Faktenwissen. Das erlebt man leider oft. Völlig egal, ob das an einem Stammtisch, in einer Kollegengruppe oder beim Kaffee in der Arbeitspause ist.

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Um so mehr sind jene gefordert, die aufgrund ihrer Position in einem Unternehmen Führungsqualität haben, als Vorbild voran gehen und das Podium nicht den „Lautsprechern“ überlassen sollten. Vorbilder sind nämlich im Wortsinne ansteckend. Wenn sich die Ärztin und der Arzt, die Oberschwester oder der älteste Pfleger impfen lassen, und das auch in der Klinik offensiv vertreten, also darüber sprechen, bewirkt das viel mehr als eine Verpflichtung durch den Gesetzgeber.

Das sind Erkenntnisse, die eigentlich nicht Gegenstand der parteipolitischen Auseinandersetzung sein sollten. Wenn CSU-Mann Markus Söder für eine Impfpflicht ist, die sozialdemokratischen Länderchefs Malu Dreyer und Stephan Weil aber dagegen, kommt die Debatte auf die eine schiefe Ebene. Die immer weiter steigende Zahl der Corona-Toten sollte jede Debatte über das Für oder Wider des Impfens verstummen lassen. Es ist vermutlich das wirksamste Mittel, um wieder zu einem normalen Leben zurückkehren zu können.

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