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Im oberpfälzischen Grafenwöhr befindet sich unter anderem ein bedeutender Truppenübungsplatz, auf dem die US-Armee ukrainische Soldaten ausbildet.

© picture alliance/dpa/DVIDS/U.S. Army

Update

Nach Festnahme von mutmaßlichen Agenten: Kanzler Scholz will russische Spionage „niemals hinnehmen“

Zwei Deutsch-Russen wird unter anderem die Vorbereitung von Anschlägen vorgeworfen – auch auf US-Stützpunkte, wo ukrainische Soldaten ausgebildet werden. Baerbock bestellt Moskaus Botschafter ein.

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Nach Bekanntwerden eines neuen Falls mutmaßlicher russischer Spionage hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betont, dass die Abwehr solcher Aktivitäten hohe Priorität haben müsse. „Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageaktivitäten in Deutschland stattfinden“, sagte Scholz am Donnerstag nach dem EU-Gipfel in Brüssel.

Man müsse deshalb hohe Anforderungen an die Sicherheitsbehörden stellen. Auf die Frage nach möglichen Konsequenzen sagte Scholz, es gehe vor allem darum, den Erfolg solcher Aktivitäten zu verhindern.

Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt es immer wieder Hinweise auf verstärkte geheimdienstliche Aktivitäten der Kreml-Führung um Machthaber Wladimir Putin auch in Deutschland. Aktuell stehen unter anderem ein Ex-BND-Mitarbeiter und ein Geschäftsmann wegen Landesverrats vor Gericht. Generalbundesanwalt Jens Rommel hat im bayerischen Bayreuth zwei weitere mutmaßliche Agenten festnehmen lassen.

Wie ein Sprecher mitteilte, hat Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag veranlasst, dass der russische Botschafter in Berlin, Sergei Netschajew, wegen der Vorfälle ins Auswärtige Amt einbestellt wird. Die diplomatischen Beziehungen waren nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vor zwei Jahren stark heruntergefahren worden, viele russische Diplomaten mussten Deutschland verlassen.

Der Verdacht, dass Russlands Präsident „bei uns Agenten anwirbt, um Anschläge auf deutschem Boden zu verüben, ist extrem schwerwiegend“, schrieb Außenministerin Baerbock im Kurznachrichtendienst X: „Wir werden nicht zulassen, dass Putin seinen Terror nach Deutschland trägt.“ Dies sei dem russischen Botschafter bei der Einbestellung ins Auswärtige Amt mitgeteilt worden. 

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Den beiden deutsch-russischen Staatsangehörigen werde unter anderem Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und die Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen, teilte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe mit. Die Ermittler durchsuchten Wohn- und Arbeitsort der beiden.

Moskau sieht „keine Beweise“

Moskau kritisiert derweil, dass Deutschland „keine Beweise“ für die gegen sie erhobenen Vorwürfe vorgelegt habe. Dem russischen Botschafter in Berlin seien bei seiner Einbestellung im Auswärtigen Amt am Donnerstag „keine Beweise“ für die Pläne der Festgenommenen oder für ihre mögliche Verbindung zu Russland vorgelegt worden, erklärte die Botschaft im Onlinedienst X.

Die Vorwürfe seien „absurd und lächerlich“, hieß es in der Erklärung der russischen Botschaft in Berlin.

US-Stützpunkt in Grafenwöhr soll im Visier gewesen sein

Die Männer hätten potenzielle Anschlagsziele ausgekundschaftet, darunter auch Einrichtungen der US-Streitkräfte in Deutschland. Bei einem der ausgespähten Objekte soll es sich nach Angaben des „Spiegel“ um einen Stützpunkt der US-Armee im bayerischen Grafenwöhr gehandelt haben. Dort befindet sich unter anderem ein bedeutender Truppenübungsplatz, auf dem die US-Armee ukrainische Soldaten ausbildet, etwa an Abrams-Kampfpanzern.

Generalbundesanwalt Jens Rommel ordnete die Festnahmen an.
Generalbundesanwalt Jens Rommel ordnete die Festnahmen an.

© picture alliance/dpa/Uli Deck

Ziel sei es gewesen, „die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren“. Der festgenommene Dieter S. habe in Kontakt zu einer Person gestanden, „die an einen russischen Geheimdienst angebunden ist“, erklärte die Bundesanwaltschaft.

Mit dieser Person habe sich S. seit Oktober 2023 über mögliche Sabotageaktionen in Deutschland ausgetauscht. Der Beschuldigte habe sich gegenüber seinem Gesprächspartner bereit erklärt, „Sprengstoff- und Brandanschläge vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland zu begehen“, hieß es in der Erklärung aus Karlsruhe.

Im oberpfälzischen Grafenwöhr befindet sich unter anderem ein bedeutender Truppenübungsplatz, auf dem die US-Armee ukrainische Soldaten ausbildet.
Im oberpfälzischen Grafenwöhr befindet sich unter anderem ein bedeutender Truppenübungsplatz, auf dem die US-Armee ukrainische Soldaten ausbildet.

© picture alliance/dpa

Der zweite Festgenommene, Alexander J., habe S. spätestens ab März 2024 dabei geholfen. Einige der ins Visier genommenen Objekte kundschaftete Dieter S. den Angaben zufolge vor Ort aus, wobei er Fotos und Videos, etwa von Militärtransporten und -gütern, anfertigte. Die gesammelten Informationen habe er an seinen Gesprächspartner übermittelt. Ein Angriff auf eines der Objekte soll aber dem Vernehmen nach nicht unmittelbar bevorgestanden haben. 

Dieter S. und Alexander J. befinden sich inzwischen beide in Untersuchungshaft.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir wissen, dass der russische Machtapparat auch unser Land in den Fokus nimmt.“ Auf diese Bedrohung müsse Deutschland wehrhaft und entschlossen reagieren. Dem Generalbundesanwalt sei mit der Festnahme der beiden Männer ein „weiterer bedeutsamer Ermittlungserfolg“ im Kampf gegen das Sabotage- und Spionagenetzwerks des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, gelungen.

Wir werden die Ukraine weiter massiv unterstützen und uns nicht einschüchtern lassen.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekräftigte nach der Festnahme die deutsche Unterstützung für die Ukraine. „Unsere Sicherheitsbehörden haben mögliche Sprengstoffanschläge, die unsere militärische Hilfe für die Ukraine treffen und unterminieren sollten, verhindert“, sagte Faeser am Donnerstag.

Seit dem Beginn des von Putin begonnenen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine seien alle Schutzmaßnahmen „gegen hybride Bedrohungen durch das russische Regime“ hochgefahren worden. „Wir werden die Ukraine weiter massiv unterstützen und uns nicht einschüchtern lassen“, sagte die Ministerin. Bei den aktuellen Ermittlungen gehe es um einen besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Russland. 

Gegen Dieter S. eröffnete der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Angaben zufolge einen weiteren Haftbefehl, der den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung betrifft. S. soll zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der „Volksrepublik Donezk“ tätig gewesen sein.

Bei dieser selbst proklamierten Volksrepublik handelt es sich nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft um eine prorussische Vereinigung, die ab Frühjahr 2014 die Kontrolle über den ukrainischen Verwaltungsbezirk Donezk beanspruchte. Ziel war die Loslösung von der Ukraine.

Dafür lieferte sie sich intensive Auseinandersetzungen mit den ukrainischen Streitkräften. Dabei setzte die Vereinigung immer wieder auch Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ein. (AFP, dpa, lem)

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