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Bei Volkswagen hat sich die US-Gewerkschaft UAW durchgesetzt

© dpa/George Walker Iv

US-Gewerkschaft triumphiert bei VW: Grüne und SPD kritisieren „Union Busting“ bei deutschen Autobauern

Die US-Gewerkschaft UAW vertritt künftig Volkswagens US-Angestellte. Nun geht der Kampf bei Mercedes weiter. Die Grünen werfen den Autobauern eine aktive Behinderung der UAW vor.

Es ist ein historischer Sieg für die mächtige US-Autogewerkschaft UAW: Sie vertritt erstmals die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter bei einem ausländischen Autobauer in dem traditionell gewerkschaftsfeindlichen Süden der USA. Mit einer Mehrheit von 73 Prozent der Stimmen votierten die Beschäftigten des Volkswagen-Werkes in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee am Freitag für die UAW.

Einige hatten Tränen in den Augen, als das Ergebnis bekannt wurde. „Ich bin überwältigt, dass wir erreicht haben, was wir uns vorgenommen hatten“, freute sich VW-Mitarbeiterin Lisa Elliott und umarmte ihre Kollegen. „Sagt Mercedes, sie sind die nächsten“, rief sie. Im Mercedes-Werk in Alabama ist die Abstimmung über eine gewerkschaftliche Vertretung für Mitte Mai geplant.

„Ihr habt gerade das Wichtigste getan, was jemand aus der Arbeiterklasse tun kann – ihr habt euch erhoben“, sagte UAW-Präsident Shawn Fains auf der Wahlparty in Chattanooga. „Ihr gebt den Weg vor, wir werden diesen Kampf zu Mercedes und überall sonst hintragen.“

Ohne Gewerkschaften keine Mitbestimmung

In den USA gibt es keine betriebliche Mitbestimmung wie in Deutschland. Tarifverträge und kollektive Arbeitsregelungen kann nur eine Gewerkschaft abschließen, ohne gewerkschaftliche Vertretung muss jeder Mitarbeiter selbst verhandeln.

Ich erwarte von VW und Mercedes, dass sie aufhören zu blockieren und Mitbestimmung auch in den USA fördern.

Andreas Audretsch, Fraktionsvize der Grünen

Bei Arbeitsmarktexperten von Grünen und SPD löst der Sieg der UAW Genugtuung aus. „Mitbestimmung ist eine Grundfeste unseres wirtschaftlichen Erfolges und Wohlstandes in Deutschland“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dem Tagesspiegel. Deshalb sei es richtig, „dass sich die Arbeiterinnen und Arbeiter bei VW und Mercedes in den USA organisieren“.

Das Abstimmungsergebnis mache Mut, sagte der SPD-Abgeordnete Jan Dieren. „Das kämpferische Eintreten der Gewerkschaften für die Interessen der Beschäftigten hat in der letzten Zeit zu einem deutlichen Mitgliederzuwachs geführt, in den USA wie in Deutschland.“

Vor dem Abstimmungserfolg, der noch offiziell bestätigt werden muss, war die UAW nur in den Autowerken der drei großen US-Konzerne General Motors, Ford, und Chrysler (Stellantis) rund um Detroit vertreten. Viele ausländische Hersteller – darunter Volkwagen, Mercedes, BMW und Toyota – siedelten ihre Werke bewusst im Süden der USA an, um der mächtigen UAW auszuweichen. Jahrzehntelang gelang es der Autogewerkschaft nicht, dort anzukommen.

Nach einer USA-Reise und einem Treffen mit der UAW wirft Audretsch den deutschen Autobauern Volkswagen und Mercedes-Benz „Union Busting“ vor, beide Konzerne hätten eine gewerkschaftliche Organisation aktiv behindert. „Ich erwarte von VW und Mercedes, dass sie aufhören zu blockieren und Mitbestimmung auch in den USA fördern“, sagte er. „Verstöße gegen die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern sind inakzeptabel, ob in Deutschland oder in den USA.“

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Wenige Tage vor der Abstimmung wandte sich Audretsch zusammen mit dem Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler deshalb in einem Brief direkt an VW-Vorstandschef Oliver Blume. „Gewerkschaftliche Flugblätter und andere Utensilien wurden beschlagnahmt, Gespräche über die Gewerkschaft während der arbeitsfreien Zeit verboten und Mitarbeitende bei Verstößen schikaniert“, schreiben die beiden Grünen-Abgeordneten über das VW-Werk in Chattanooga.

Der VW-Konzern erklärte hingegen, dass man sich bei der Abstimmung neutral verhalte. Chattanooga ist laut der IG Metall bisher die einzige Fabrik des Konzerns ohne Belegschaftsvertretung. Die Präsidentin des Weltkonzernbetriebsrates bei Volkswagen, Daniela Cavallo, sagte, die Belegschaft in Chattanooga habe „ein Stück US-amerikanischer Gewerkschaftsgeschichte geschrieben“.

Beschwerde gegen Mercedes läuft

Der Fokus der UAW richtet sich nun auf Mercedes. Gegen den Stuttgarter Autobauer erhebt UAW-Präsident Fairns schwere Vorwürfe: „Die Mitarbeiter sind Mercedes scheißegal“, sagte Fairns dem Wirtschaftsmagazin „Capital“. Das Unternehmen nutze in den USA illegale Praktiken, um eine Gewerkschaftsgründung zu verhindern. „Wir werden nicht untätig zusehen, während sie Arbeitern drohen, sie einschüchtern und ihre Rechte verletzen.“

Die UAW wirft Mercedes vor, damit gegen das deutsche Lieferkettengesetz zu verstoßen. Die Gewerkschaft hat deshalb in Deutschland Beschwerde eingelegt. Das Gesetz verbiete es Unternehmen ganz klar, „das Recht der Arbeitnehmer auf Gründung einer Gewerkschaft zu missachten“, sagte Fairns.

Auch Mercedes-Benz betont, sich vor der anstehenden Abstimmung neutral zu verhalten. Fairns berichtet jedoch von verpflichtenden Betriebsversammlungen, bei denen Gewerkschaften in ein schlechtes Licht gesetzt würden. „Sie holen Politiker ins Werk, die gegen Gewerkschaften argumentieren“, sagte er. „Sie drohen mit Betriebsschließungen, wenn es eine Arbeitnehmervertretung gibt, und sie feuern Leute.“ Die Grünen-Politiker Audretsch und Kindler fordern von Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius nun Aufklärung.

„Sollte an den Vorwürfen etwas dran sein, wäre das ein schwerwiegender Verstoß gegen grundlegende Rechte der Beschäftigten“, sagte der SPD-Abgeordnete Jan Dieren. In Deutschland werde die Behinderung von Gewerkschaften zurecht als Straftat verfolgt. Die Beschäftigten müssten ihr demokratisches Recht ungehindert wahrnehmen können – in Deutschland und weltweit.

Unterstützung erhält die UAW auch von US-Präsident Joe Biden. „Auch diesmal bin ich stolz, an der Seite von Arbeitern in der Autobranche zu stehen, wie sie sich erfolgreich gewerkschaftlich bei Volkswagen organisieren“, schrieb Biden in einer Mitteilung des Weißen Hauses. Die republikanischen Gouverneure von sechs US-Südstaaten, darunter auch Tennessee, hatten sich hingegen noch Anfang der Woche gegen die Gewerkschaft ausgesprochen. (mit Reuters/dpa)

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