zum Hauptinhalt
Facebook tut zu wenig gegen Hass und Hetze, sagen Kritiker

© Denis Charlet / AFP

Urteil zu Facebook: Hass ist schlecht zu löschen

Der Europäische Gerichtshof macht es leichter, gegen Beleidigungen im Netz vorzugehen. Aber es bleibt schwer. Und das muss es auch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat, scheint es, ein Wundermittel gegen die kranke Wut der Netz-Hasser gebraut. Nach seinem Urteil vom Donnerstag in der Rechtssache C-18/18 kann Facebook dazu verpflichtet werden, nicht nur konkrete Beleidigungs-Postings, sondern weltweit auch wortgleiche und sogar sinngleiche Beiträge zu entfernen, wenn Gerichte festgestellt haben, dass diese rechtswidrig sind. Geklagt hatte die österreichische Grünen-Politikerin Eva Glawischnig. Im Netz wurde sie wegen ihrer Haltung zu Flüchtlingen unter anderem als „miese Volksverräterin“ beschimpft. Ihre Anwältin lobte das Urteil als „wegweisend“.

Das ist wahr. Der Weg, der da gewiesen wurde, ist allerdings einer, auf dem sich Politik und Rechtsprechung seit geraumer Zeit befinden. Während sich die Social-Media-Plattformen ehedem als Menschheitshelfer ausgaben, tritt ihre Funktion als Datenkrake und Hetzmaschine immer stärker in den Vordergrund. Die alte Ausrede, wonach man nur technische Mittel bereitstellt und sonst für nichts verantwortlich ist, zieht zwar immer noch, und zwar für die Rüstungsindustrie. Dort aber nur, weil auf deutschem Boden kein Krieg stattfindet.

Sind mies und fies das selbe?

Im Netz tobt er längst. Der Meilenstein, als den manche das EuGH-Urteil feiern, wird ihm leider kaum Einhalt gebieten. Die Luxemburger Richterinnen haben lediglich gesagt, dass EU-Recht einer entsprechenden Löschpflicht nicht entgegensteht. Doch erst einmal müssen nationale Gerichte sie feststellen.

Schon für wortgleiche Beleidigungen dürfte dies schwierig werden. Denn für die rechtliche Würdigung sind Umfeld und Bezugnahmen einer Äußerung entscheidend, nicht das Wort an sich. Dann muss abgewogen werden, ob das Meinungsfreiheitsgrundrecht greift oder ihm sogar Vorzug zu geben ist. Was wortgleich ist, müsste damit auch sinn- und kontextgleich sein, um verboten werden zu können.

Bei sinngleichen Beleidigungen wird es noch schwieriger. Haben Beleidigungen überhaupt einen Sinn? Ist eine miese Volksverräterin dasselbe wie eine fiese Volksverblöderin? Es käme wohl wieder auf Kontext und Einordnung an.

Ausländische Politiker könnten deutsche Debatten korrigieren

Als um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gerungen wurde, haben viele vor Freiheitsverlusten, Zensur und „Overblocking“ gewarnt. Aktuell ist die andere Seite lauter, Stichwort Künast-Beschluss, die vor Hass und Hetze warnt. Morgen könnte es wieder andersherum sein. Zudem geht es immer nach politischer Sympathie – oder ist die „Nazi-Schlampe“ für Alice Weidel von der AfD nur kritiklos geblieben, weil das Wort in einer Satiresendung fiel? Nicht zuletzt fehlt es in Europa an einer gemeinsame Deutung, wo die Grenzen zwischen Geschmacklosigkeit, Hass und Strafbarkeit verlaufen. Das EuGH-Urteil ist auch deshalb zurückhaltend anzuwenden, weil damit ausländische Politiker dank einer ihn gewogenen Justiz deutsche Debatten über sie korrigieren könnten. Wie weit soll das gehen?

„The haters are as active as ever“, hat Greta Thunberg kürzlich etwas resigniert festgestellt. Klingt so, als ließe sich der Klimawandel leichter stoppen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false